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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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hunderte wurde hier längst ein Park- und Gartenland und Dörfer
und Städte wachsen heiter mit ihren rothen Dächern und Giebeln
aus allen Schattirungen des Grün hervor. Die Thürme der Haupt-
stadt, die graugelben Wände des Cöpnicker Schlosses, beide leuchten
im Schein der untergehenden Sonne. Fabrikschornsteine begleiten
den Lauf des Flusses, und hoch über den weißen Segeln der Kähne,
die geräuschlos stromabwärts ziehen, steht bewegungslos die schwarze
Wolke der Essen und Schlote. Leben überall, kein Fuß breit
Landes, der nicht die Pflege der Menschenhand verriethe.

Wir haben das heitere Bild in Aug und Seele aufgenommen
und wenden uns jetzt, um, nach der entgegengesetzten Seite hin, in die
halb im Dämmer liegende östliche Landschaft hinein zu blicken.
Welch Gegensatz! Die Spree zieht den Müggelsee wie einen breiten
Spiegelkrystall an ihrem schmalen, blauen Bande auf, und die
Dahme buchtet sich immer weiter und breiter landeinwärts und
schafft Inseln und Halbinseln, so weit unser Auge reicht. Auf
Quadratmeilen hin nur Wasser und Wald. Nichts, was an die
Hand der Cultur erinnerte. Nicht Weg, nicht Steg und keine
andere Fahrstraße sichtbar, als das verwirrende Flußnetz, das sich
durch die scheinbar endlosen Forstreviere zieht. Kein Hüttenrauch
steigt auf, keine Heerde weidet an den Ufern entlang und nur eine
Fischmöve schwebt satt und langsam über dem Müggelsee. Sand
und Sumpf, und Wasser und Wald; es ist hier wie es immer
war, und während jetzt die Abendnebel von den Seeen her auf-
steigen und ihre Schleier auch um den Rand der Kuppe legen,
auf der wir stehen, ist es, als stiege die alte Zeit mit aus der Tiefe
herauf, und die Müggelsberge sind wieder wie sie die künstlerische
Phantasie gesehn. An den knorrigen Aesten hängen wieder Schilde,
wie Mulden geformt, und lange Speere von Eschenholz stehen
daneben, einzeln und in Gruppen zusammengestellt. Die ver-
kohlten Scheite vor uns sind nicht länger mehr verkohlt, sie treiben
wieder Flammen, und um die brennenden Scheite herum lagern,
ihre Leiber mit Fellen leicht geschürzt, die Gestalten unsers mär-
kischen Malers und Meisters -- die Semnonen.

Wie gebannt hält uns das Bild, bis ein Geräusch uns
weckt. Ein Vogel, der in dem Zweigwerk der Fichte gesessen hatte,
war aufgestiegen, und sein Geschrei von Zeit zu Zeit wiederholend,

hunderte wurde hier längſt ein Park- und Gartenland und Dörfer
und Städte wachſen heiter mit ihren rothen Dächern und Giebeln
aus allen Schattirungen des Grün hervor. Die Thürme der Haupt-
ſtadt, die graugelben Wände des Cöpnicker Schloſſes, beide leuchten
im Schein der untergehenden Sonne. Fabrikſchornſteine begleiten
den Lauf des Fluſſes, und hoch über den weißen Segeln der Kähne,
die geräuſchlos ſtromabwärts ziehen, ſteht bewegungslos die ſchwarze
Wolke der Eſſen und Schlote. Leben überall, kein Fuß breit
Landes, der nicht die Pflege der Menſchenhand verriethe.

Wir haben das heitere Bild in Aug und Seele aufgenommen
und wenden uns jetzt, um, nach der entgegengeſetzten Seite hin, in die
halb im Dämmer liegende öſtliche Landſchaft hinein zu blicken.
Welch Gegenſatz! Die Spree zieht den Müggelſee wie einen breiten
Spiegelkryſtall an ihrem ſchmalen, blauen Bande auf, und die
Dahme buchtet ſich immer weiter und breiter landeinwärts und
ſchafft Inſeln und Halbinſeln, ſo weit unſer Auge reicht. Auf
Quadratmeilen hin nur Waſſer und Wald. Nichts, was an die
Hand der Cultur erinnerte. Nicht Weg, nicht Steg und keine
andere Fahrſtraße ſichtbar, als das verwirrende Flußnetz, das ſich
durch die ſcheinbar endloſen Forſtreviere zieht. Kein Hüttenrauch
ſteigt auf, keine Heerde weidet an den Ufern entlang und nur eine
Fiſchmöve ſchwebt ſatt und langſam über dem Müggelſee. Sand
und Sumpf, und Waſſer und Wald; es iſt hier wie es immer
war, und während jetzt die Abendnebel von den Seeen her auf-
ſteigen und ihre Schleier auch um den Rand der Kuppe legen,
auf der wir ſtehen, iſt es, als ſtiege die alte Zeit mit aus der Tiefe
herauf, und die Müggelsberge ſind wieder wie ſie die künſtleriſche
Phantaſie geſehn. An den knorrigen Aeſten hängen wieder Schilde,
wie Mulden geformt, und lange Speere von Eſchenholz ſtehen
daneben, einzeln und in Gruppen zuſammengeſtellt. Die ver-
kohlten Scheite vor uns ſind nicht länger mehr verkohlt, ſie treiben
wieder Flammen, und um die brennenden Scheite herum lagern,
ihre Leiber mit Fellen leicht geſchürzt, die Geſtalten unſers mär-
kiſchen Malers und Meiſters — die Semnonen.

Wie gebannt hält uns das Bild, bis ein Geräuſch uns
weckt. Ein Vogel, der in dem Zweigwerk der Fichte geſeſſen hatte,
war aufgeſtiegen, und ſein Geſchrei von Zeit zu Zeit wiederholend,

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[112/0128] hunderte wurde hier längſt ein Park- und Gartenland und Dörfer und Städte wachſen heiter mit ihren rothen Dächern und Giebeln aus allen Schattirungen des Grün hervor. Die Thürme der Haupt- ſtadt, die graugelben Wände des Cöpnicker Schloſſes, beide leuchten im Schein der untergehenden Sonne. Fabrikſchornſteine begleiten den Lauf des Fluſſes, und hoch über den weißen Segeln der Kähne, die geräuſchlos ſtromabwärts ziehen, ſteht bewegungslos die ſchwarze Wolke der Eſſen und Schlote. Leben überall, kein Fuß breit Landes, der nicht die Pflege der Menſchenhand verriethe. Wir haben das heitere Bild in Aug und Seele aufgenommen und wenden uns jetzt, um, nach der entgegengeſetzten Seite hin, in die halb im Dämmer liegende öſtliche Landſchaft hinein zu blicken. Welch Gegenſatz! Die Spree zieht den Müggelſee wie einen breiten Spiegelkryſtall an ihrem ſchmalen, blauen Bande auf, und die Dahme buchtet ſich immer weiter und breiter landeinwärts und ſchafft Inſeln und Halbinſeln, ſo weit unſer Auge reicht. Auf Quadratmeilen hin nur Waſſer und Wald. Nichts, was an die Hand der Cultur erinnerte. Nicht Weg, nicht Steg und keine andere Fahrſtraße ſichtbar, als das verwirrende Flußnetz, das ſich durch die ſcheinbar endloſen Forſtreviere zieht. Kein Hüttenrauch ſteigt auf, keine Heerde weidet an den Ufern entlang und nur eine Fiſchmöve ſchwebt ſatt und langſam über dem Müggelſee. Sand und Sumpf, und Waſſer und Wald; es iſt hier wie es immer war, und während jetzt die Abendnebel von den Seeen her auf- ſteigen und ihre Schleier auch um den Rand der Kuppe legen, auf der wir ſtehen, iſt es, als ſtiege die alte Zeit mit aus der Tiefe herauf, und die Müggelsberge ſind wieder wie ſie die künſtleriſche Phantaſie geſehn. An den knorrigen Aeſten hängen wieder Schilde, wie Mulden geformt, und lange Speere von Eſchenholz ſtehen daneben, einzeln und in Gruppen zuſammengeſtellt. Die ver- kohlten Scheite vor uns ſind nicht länger mehr verkohlt, ſie treiben wieder Flammen, und um die brennenden Scheite herum lagern, ihre Leiber mit Fellen leicht geſchürzt, die Geſtalten unſers mär- kiſchen Malers und Meiſters — die Semnonen. Wie gebannt hält uns das Bild, bis ein Geräuſch uns weckt. Ein Vogel, der in dem Zweigwerk der Fichte geſeſſen hatte, war aufgeſtiegen, und ſein Geſchrei von Zeit zu Zeit wiederholend,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/128>, abgerufen am 27.11.2024.