oder drei Schläfer, und mit nichts ausgestattet, als mit etwas niedergelegenem Stroh. Das ist Alles, was die Gastlichkeit der "Dependance" der Müggelbude bietet. Und doch muß es hier ein wunderbares Schlafen sein, wenn in Winternächten die glitzernden Sterne durch die halbhandbreiten Ritzen in dies Schlafgemach hineinblicken und der See, als woll' er sich warm schlagen, seine Wellen bis an die hoch aufgezimmerte Bettlade treibt. Schade nur, die Schifferknechte, die hier einen Unterschlupf suchen und finden, sind wohl die letzten sich dieses Zaubers zu freun.
Die Müggelbunde steht hoch, ihr zu Füßen aber zieht sich ein Sandgürtel, der nach vorn hin aufs Neue steil abfallend, den See in seiner ganzen Ausdehnung umzirkt. Auf diesem Sand- gürtel nehmen wir Platz und eine knorrige Kiefer im Rücken, deren vorgebeugter Schirm schon halb über dem Wasser schwebt, sitzen wir jetzt auf einer Art Moos- oder Erdbank und blicken auf die weite Wasserfläche hinaus, die, leise brandend, ihre Wellchen bis unter unsre Füße schickt. Der See gleicht hier einem Haff und so oft die Wellen zurückrinnen, blinken die weißen Muscheln, die das bewegte Wasser an's Ufer geworfen.
Es freut das Herz so an der Müggel zu sitzen und die leise Musik von Wald und Wasser um sich her, die Stunden zu ver- träumen. Die Sonne sinkt und das Bild, das beim ersten An- blick, aller eigenthümlichen Schönheit unerachtet, eine gewisse Mono- tonie zeigte, gewinnt mehr und mehr Gewalt über uns und spinnt uns in den alten Müggel-Zauber ein. Die Kähne mit ihrer weißen Kalksteinladung, deren aufgeschichtete Blöcke das Kajüten- dach in ein kleines Kastell verwandeln, ziehen geräuschlos vorüber, die Dächer des gegenüberliegenden Rahnsdorf glühen noch einmal auf und der See selber wechselt von Minute zu Minute seine Stimmung und seine Farbe. Aber mit halbem Auge nur ver- folgen wir das Farbenspiel; unser Auge richtet sich immer wieder nach rechts hin, wo die Müggelberge steil aufsteigen und ihre wach- senden Schatten bis weit in den See hineinwerfen. Ein dünner Nebel zieht um den Berg und wenn es dann und wann aufblitzt, fahren wir zusammen und blicken nach der Prinzessin aus, der zweiten Prinzessin dieser Gegenden, von der es heißt, sie käm' allabendlich mit vier goldfarbenen Pferden von den Müggelbergen herab, um
oder drei Schläfer, und mit nichts ausgeſtattet, als mit etwas niedergelegenem Stroh. Das iſt Alles, was die Gaſtlichkeit der „Dependance“ der Müggelbude bietet. Und doch muß es hier ein wunderbares Schlafen ſein, wenn in Winternächten die glitzernden Sterne durch die halbhandbreiten Ritzen in dies Schlafgemach hineinblicken und der See, als woll’ er ſich warm ſchlagen, ſeine Wellen bis an die hoch aufgezimmerte Bettlade treibt. Schade nur, die Schifferknechte, die hier einen Unterſchlupf ſuchen und finden, ſind wohl die letzten ſich dieſes Zaubers zu freun.
Die Müggelbunde ſteht hoch, ihr zu Füßen aber zieht ſich ein Sandgürtel, der nach vorn hin aufs Neue ſteil abfallend, den See in ſeiner ganzen Ausdehnung umzirkt. Auf dieſem Sand- gürtel nehmen wir Platz und eine knorrige Kiefer im Rücken, deren vorgebeugter Schirm ſchon halb über dem Waſſer ſchwebt, ſitzen wir jetzt auf einer Art Moos- oder Erdbank und blicken auf die weite Waſſerfläche hinaus, die, leiſe brandend, ihre Wellchen bis unter unſre Füße ſchickt. Der See gleicht hier einem Haff und ſo oft die Wellen zurückrinnen, blinken die weißen Muſcheln, die das bewegte Waſſer an’s Ufer geworfen.
Es freut das Herz ſo an der Müggel zu ſitzen und die leiſe Muſik von Wald und Waſſer um ſich her, die Stunden zu ver- träumen. Die Sonne ſinkt und das Bild, das beim erſten An- blick, aller eigenthümlichen Schönheit unerachtet, eine gewiſſe Mono- tonie zeigte, gewinnt mehr und mehr Gewalt über uns und ſpinnt uns in den alten Müggel-Zauber ein. Die Kähne mit ihrer weißen Kalkſteinladung, deren aufgeſchichtete Blöcke das Kajüten- dach in ein kleines Kaſtell verwandeln, ziehen geräuſchlos vorüber, die Dächer des gegenüberliegenden Rahnsdorf glühen noch einmal auf und der See ſelber wechſelt von Minute zu Minute ſeine Stimmung und ſeine Farbe. Aber mit halbem Auge nur ver- folgen wir das Farbenſpiel; unſer Auge richtet ſich immer wieder nach rechts hin, wo die Müggelberge ſteil aufſteigen und ihre wach- ſenden Schatten bis weit in den See hineinwerfen. Ein dünner Nebel zieht um den Berg und wenn es dann und wann aufblitzt, fahren wir zuſammen und blicken nach der Prinzeſſin aus, der zweiten Prinzeſſin dieſer Gegenden, von der es heißt, ſie käm’ allabendlich mit vier goldfarbenen Pferden von den Müggelbergen herab, um
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oder drei Schläfer, und mit nichts ausgeſtattet, als mit etwas
niedergelegenem Stroh. Das iſt Alles, was die Gaſtlichkeit der
„Dependance“ der Müggelbude bietet. Und doch muß es hier ein
wunderbares Schlafen ſein, wenn in Winternächten die glitzernden
Sterne durch die halbhandbreiten Ritzen in dies Schlafgemach
hineinblicken und der See, als woll’ er ſich warm ſchlagen, ſeine
Wellen bis an die hoch aufgezimmerte Bettlade treibt. Schade
nur, die Schifferknechte, die hier einen Unterſchlupf ſuchen und
finden, ſind wohl die letzten ſich dieſes Zaubers zu freun.
Die Müggelbunde ſteht hoch, ihr zu Füßen aber zieht ſich
ein Sandgürtel, der nach vorn hin aufs Neue ſteil abfallend, den
See in ſeiner ganzen Ausdehnung umzirkt. Auf dieſem Sand-
gürtel nehmen wir Platz und eine knorrige Kiefer im Rücken,
deren vorgebeugter Schirm ſchon halb über dem Waſſer ſchwebt,
ſitzen wir jetzt auf einer Art Moos- oder Erdbank und blicken auf
die weite Waſſerfläche hinaus, die, leiſe brandend, ihre Wellchen
bis unter unſre Füße ſchickt. Der See gleicht hier einem Haff
und ſo oft die Wellen zurückrinnen, blinken die weißen Muſcheln,
die das bewegte Waſſer an’s Ufer geworfen.
Es freut das Herz ſo an der Müggel zu ſitzen und die leiſe
Muſik von Wald und Waſſer um ſich her, die Stunden zu ver-
träumen. Die Sonne ſinkt und das Bild, das beim erſten An-
blick, aller eigenthümlichen Schönheit unerachtet, eine gewiſſe Mono-
tonie zeigte, gewinnt mehr und mehr Gewalt über uns und ſpinnt
uns in den alten Müggel-Zauber ein. Die Kähne mit ihrer
weißen Kalkſteinladung, deren aufgeſchichtete Blöcke das Kajüten-
dach in ein kleines Kaſtell verwandeln, ziehen geräuſchlos vorüber,
die Dächer des gegenüberliegenden Rahnsdorf glühen noch einmal
auf und der See ſelber wechſelt von Minute zu Minute ſeine
Stimmung und ſeine Farbe. Aber mit halbem Auge nur ver-
folgen wir das Farbenſpiel; unſer Auge richtet ſich immer wieder
nach rechts hin, wo die Müggelberge ſteil aufſteigen und ihre wach-
ſenden Schatten bis weit in den See hineinwerfen. Ein dünner
Nebel zieht um den Berg und wenn es dann und wann aufblitzt,
fahren wir zuſammen und blicken nach der Prinzeſſin aus, der zweiten
Prinzeſſin dieſer Gegenden, von der es heißt, ſie käm’ allabendlich
mit vier goldfarbenen Pferden von den Müggelbergen herab, um
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/132>, abgerufen am 24.11.2024.
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