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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Vorwürfe machen. Ich kann mir nicht klar werden darüber. Das
Ganze ist nicht weniger sonderbar, als wenn ich jetzt plötzlich bei
Euch sein würde. Was man nur bei meinem Regimente davon
denkt! Auf alle Fälle wär' ich noch vor das preußische Kriegs-
gericht gekommen. Es wär' aber doch besser gewesen, ich hätte
Euch wenigstens wieder gesehen.

Ich bin verurtheilt worden nach dem Artikel 207, der wört-
lich lautet: Est puni de mort tout ennemi, qui s'introduit
deguise dans une place de guerre etc.
Man hat keine mildernde
Umstände anerkannt.

Ich nehme jetzt Abschied von Euch, meine lieben Eltern. Es
ist mir recht traurig zu Muthe. Ich weiß, daß Ihr mir verzeihen
werdet. Es wäre so schön, wenn wir uns wiedersähen! Wenn
ich aus dieser Lage gerettet worden wäre, ich hätte mich bemüht,
mich stets dankbar gegen Euch zu bezeugen. Es wird mir so
schwer um's Herz, daß ich so weit von Euch auf so traurige Weise
aus dem Leben scheiden muß. Dieser Brief ist wahrscheinlich der
letzte, den Ihr von mir empfangt. Grüße alle Bekannte, Stich,
Wilhelm, Wally und Anna. Es ist mir so schmerzlich, wenn ich
Eure Bilder in dem Medaillon betrachte!

Ich danke Euch, für alles Gute und alle Liebe, die Ihr mir
bewiesen habt. Tröstet Euch, meine lieben Eltern. Ich habe noch
2 Briefe von Mama; ich lese sie oft; es giebt mir Trost. Nach
dem Kriege werdet Ihr das Medaillon erhalten. Ich weiß noch,
lieber Papa, als Du es mir gabst, sagtest Du: "Es sollte mir
ein Talisman sein." Ich habe stets eine große Anhänglichkeit
daran gehabt. Mama soll es behalten. Lebt wohl, lieber Papa
und Mama, vergebt mir. Tröstet Euch. Seid gegrüßt von
Eurem Sohn

Alexander Anderssen."

Kurz vor seinem Tode schrieb er noch Folgendes:

"Liebe Eltern! Das Urtheil wird morgen, Sonnabend den
29., vollstreckt. Es ist jetzt die Nacht vom 28. zum 29. Ich
habe vor drei Stunden einen Brief an Euch geschrieben; der
Kommissar der Republik hat ihn abgeholt. Ich danke Euch noch-
mals für Eure große Liebe zu mir. Herrn v. S. habe ich gebeten,

Vorwürfe machen. Ich kann mir nicht klar werden darüber. Das
Ganze iſt nicht weniger ſonderbar, als wenn ich jetzt plötzlich bei
Euch ſein würde. Was man nur bei meinem Regimente davon
denkt! Auf alle Fälle wär’ ich noch vor das preußiſche Kriegs-
gericht gekommen. Es wär’ aber doch beſſer geweſen, ich hätte
Euch wenigſtens wieder geſehen.

Ich bin verurtheilt worden nach dem Artikel 207, der wört-
lich lautet: Est puni de mort tout ennemi, qui s’introduit
déguisé dans une place de guerre etc.
Man hat keine mildernde
Umſtände anerkannt.

Ich nehme jetzt Abſchied von Euch, meine lieben Eltern. Es
iſt mir recht traurig zu Muthe. Ich weiß, daß Ihr mir verzeihen
werdet. Es wäre ſo ſchön, wenn wir uns wiederſähen! Wenn
ich aus dieſer Lage gerettet worden wäre, ich hätte mich bemüht,
mich ſtets dankbar gegen Euch zu bezeugen. Es wird mir ſo
ſchwer um’s Herz, daß ich ſo weit von Euch auf ſo traurige Weiſe
aus dem Leben ſcheiden muß. Dieſer Brief iſt wahrſcheinlich der
letzte, den Ihr von mir empfangt. Grüße alle Bekannte, Stich,
Wilhelm, Wally und Anna. Es iſt mir ſo ſchmerzlich, wenn ich
Eure Bilder in dem Medaillon betrachte!

Ich danke Euch, für alles Gute und alle Liebe, die Ihr mir
bewieſen habt. Tröſtet Euch, meine lieben Eltern. Ich habe noch
2 Briefe von Mama; ich leſe ſie oft; es giebt mir Troſt. Nach
dem Kriege werdet Ihr das Medaillon erhalten. Ich weiß noch,
lieber Papa, als Du es mir gabſt, ſagteſt Du: „Es ſollte mir
ein Talisman ſein.“ Ich habe ſtets eine große Anhänglichkeit
daran gehabt. Mama ſoll es behalten. Lebt wohl, lieber Papa
und Mama, vergebt mir. Tröſtet Euch. Seid gegrüßt von
Eurem Sohn

Alexander Anderſſen.“

Kurz vor ſeinem Tode ſchrieb er noch Folgendes:

„Liebe Eltern! Das Urtheil wird morgen, Sonnabend den
29., vollſtreckt. Es iſt jetzt die Nacht vom 28. zum 29. Ich
habe vor drei Stunden einen Brief an Euch geſchrieben; der
Kommiſſar der Republik hat ihn abgeholt. Ich danke Euch noch-
mals für Eure große Liebe zu mir. Herrn v. S. habe ich gebeten,

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[126/0142] Vorwürfe machen. Ich kann mir nicht klar werden darüber. Das Ganze iſt nicht weniger ſonderbar, als wenn ich jetzt plötzlich bei Euch ſein würde. Was man nur bei meinem Regimente davon denkt! Auf alle Fälle wär’ ich noch vor das preußiſche Kriegs- gericht gekommen. Es wär’ aber doch beſſer geweſen, ich hätte Euch wenigſtens wieder geſehen. Ich bin verurtheilt worden nach dem Artikel 207, der wört- lich lautet: Est puni de mort tout ennemi, qui s’introduit déguisé dans une place de guerre etc. Man hat keine mildernde Umſtände anerkannt. Ich nehme jetzt Abſchied von Euch, meine lieben Eltern. Es iſt mir recht traurig zu Muthe. Ich weiß, daß Ihr mir verzeihen werdet. Es wäre ſo ſchön, wenn wir uns wiederſähen! Wenn ich aus dieſer Lage gerettet worden wäre, ich hätte mich bemüht, mich ſtets dankbar gegen Euch zu bezeugen. Es wird mir ſo ſchwer um’s Herz, daß ich ſo weit von Euch auf ſo traurige Weiſe aus dem Leben ſcheiden muß. Dieſer Brief iſt wahrſcheinlich der letzte, den Ihr von mir empfangt. Grüße alle Bekannte, Stich, Wilhelm, Wally und Anna. Es iſt mir ſo ſchmerzlich, wenn ich Eure Bilder in dem Medaillon betrachte! Ich danke Euch, für alles Gute und alle Liebe, die Ihr mir bewieſen habt. Tröſtet Euch, meine lieben Eltern. Ich habe noch 2 Briefe von Mama; ich leſe ſie oft; es giebt mir Troſt. Nach dem Kriege werdet Ihr das Medaillon erhalten. Ich weiß noch, lieber Papa, als Du es mir gabſt, ſagteſt Du: „Es ſollte mir ein Talisman ſein.“ Ich habe ſtets eine große Anhänglichkeit daran gehabt. Mama ſoll es behalten. Lebt wohl, lieber Papa und Mama, vergebt mir. Tröſtet Euch. Seid gegrüßt von Eurem Sohn Alexander Anderſſen.“ Kurz vor ſeinem Tode ſchrieb er noch Folgendes: „Liebe Eltern! Das Urtheil wird morgen, Sonnabend den 29., vollſtreckt. Es iſt jetzt die Nacht vom 28. zum 29. Ich habe vor drei Stunden einen Brief an Euch geſchrieben; der Kommiſſar der Republik hat ihn abgeholt. Ich danke Euch noch- mals für Eure große Liebe zu mir. Herrn v. S. habe ich gebeten,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/142>, abgerufen am 24.11.2024.