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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Friedrichsfelde.
1.
Und nahe hör' ich, wie ein rauschend Wehr,
Die Stadt, die völkerwimmelnde, ertosen.

Braut von Messina.


Gegrüßet seid mir, edle Herrn,
Gegrüßt ihr, schöne Damen!

Göthe.

Wen ein Sommer-Nachmittag ausnahmsweise vor die Thore der
östlichen Stadttheile, beispielsweise nach Friedrichsfelde führt, dem
werden sich daselbst in Landschaft und Genre die gefälligsten
und in ihrer heitern Anmuth vielleicht auch unerwartetsten Bilder
erschließen. Friedrichsfelde darf als das Charlottenburg des Ost-
ends gelten und allsonntäglich wandern Hunderte von Residenz-
lern hinaus, um sich "Unter den Eichen" daselbst zu divertiren.
Es sind meist Vorstadt-Berliner, jener Schicht entsprossen, wo die
Steifheit aufhört und der Cynismus noch nicht anfängt, ein leicht-
lebiges Völkchen, das alles gelten läßt, nur nicht die Spielver-
derberei, ein wenig eitel, ein wenig kokett, aber immer munter
und harmlos. Wie das lacht und glücklich ist im Schweiße seines
Angesichts! Jetzt "Bäumchen, Bäumchen verwechselt euch," jetzt
Anschlag, jetzt Zeck, jetzt Ringelreihn und Gänsedieb, bis endlich
unter den weitschattigen Parkbäumen sich Alles lagert und auf
umgestülpten Körben und Kobern die Mahlzeit nimmt.

Friedrichsfelde.
1.
Und nahe hör’ ich, wie ein rauſchend Wehr,
Die Stadt, die völkerwimmelnde, ertoſen.

Braut von Meſſina.


Gegrüßet ſeid mir, edle Herrn,
Gegrüßt ihr, ſchöne Damen!

Göthe.

Wen ein Sommer-Nachmittag ausnahmsweiſe vor die Thore der
öſtlichen Stadttheile, beiſpielsweiſe nach Friedrichsfelde führt, dem
werden ſich daſelbſt in Landſchaft und Genre die gefälligſten
und in ihrer heitern Anmuth vielleicht auch unerwartetſten Bilder
erſchließen. Friedrichsfelde darf als das Charlottenburg des Oſt-
ends gelten und allſonntäglich wandern Hunderte von Reſidenz-
lern hinaus, um ſich „Unter den Eichen“ daſelbſt zu divertiren.
Es ſind meiſt Vorſtadt-Berliner, jener Schicht entſproſſen, wo die
Steifheit aufhört und der Cynismus noch nicht anfängt, ein leicht-
lebiges Völkchen, das alles gelten läßt, nur nicht die Spielver-
derberei, ein wenig eitel, ein wenig kokett, aber immer munter
und harmlos. Wie das lacht und glücklich iſt im Schweiße ſeines
Angeſichts! Jetzt „Bäumchen, Bäumchen verwechſelt euch,“ jetzt
Anſchlag, jetzt Zeck, jetzt Ringelreihn und Gänſedieb, bis endlich
unter den weitſchattigen Parkbäumen ſich Alles lagert und auf
umgeſtülpten Körben und Kobern die Mahlzeit nimmt.

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[[130]/0146] Friedrichsfelde. 1. Und nahe hör’ ich, wie ein rauſchend Wehr, Die Stadt, die völkerwimmelnde, ertoſen. Braut von Meſſina. Gegrüßet ſeid mir, edle Herrn, Gegrüßt ihr, ſchöne Damen! Göthe. Wen ein Sommer-Nachmittag ausnahmsweiſe vor die Thore der öſtlichen Stadttheile, beiſpielsweiſe nach Friedrichsfelde führt, dem werden ſich daſelbſt in Landſchaft und Genre die gefälligſten und in ihrer heitern Anmuth vielleicht auch unerwartetſten Bilder erſchließen. Friedrichsfelde darf als das Charlottenburg des Oſt- ends gelten und allſonntäglich wandern Hunderte von Reſidenz- lern hinaus, um ſich „Unter den Eichen“ daſelbſt zu divertiren. Es ſind meiſt Vorſtadt-Berliner, jener Schicht entſproſſen, wo die Steifheit aufhört und der Cynismus noch nicht anfängt, ein leicht- lebiges Völkchen, das alles gelten läßt, nur nicht die Spielver- derberei, ein wenig eitel, ein wenig kokett, aber immer munter und harmlos. Wie das lacht und glücklich iſt im Schweiße ſeines Angeſichts! Jetzt „Bäumchen, Bäumchen verwechſelt euch,“ jetzt Anſchlag, jetzt Zeck, jetzt Ringelreihn und Gänſedieb, bis endlich unter den weitſchattigen Parkbäumen ſich Alles lagert und auf umgeſtülpten Körben und Kobern die Mahlzeit nimmt.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. [130]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/146>, abgerufen am 24.11.2024.