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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Die Fahrt nach Friedrichsfelde, wenn man zu den "West-
endern" zählt, erfordert freilich einen Entschluß. Es ist eine Reise
und durch die ganze Steinmasse des alten und neuen Berlins hin
sich muthig durchzuschlagen, um dann schließlich in einem fuchs-
rothen Omnibus mit Hauderer-Traditionen die Fahrt zu Ende zu
führen, ist nicht jedermanns Sache. Wer es aber an einem grauen
Tage wagen will, wo die Sonne nicht sticht und der Staub nicht
wirbelt, der wird seine Mühe reichlich belohnt finden. Er wird
auch überrascht sein durch das reiche Stück Geschichte, das ihm an
diesem Ort entgegentritt.

Wir erzählen davon.


Friedrichsfelde bis 1700.

Friedrichsfelde war bis zum Jahre 1700 gar kein Friedrichs-
felde, sondern führte statt dessen den poetischen, an Idyll und
Schäferspiele mahnenden Namen Rosenfelde. Und doch griff
dieser Name bis auf Zeiten zurück (erstes Vorkommen 1288), wo
hierlandes an alles Andere eher gedacht wurde, als an Schäfer-
spiele. Kaum Schäfer mocht' es damals geben.

1319, im letzten Regierungsjahre des Markgrafen Waldemar,
wurden die Rathmannen von Berlin und Cölln die Herren des
schon damals ansehnlichen Besitzes und beinahe drei Jahrhunderte
lang trug es die alte Patrizierfamilie der Rykes von den Rath-
mannen zu Lehn. 1590, so scheint es, wurde das Gut dann
landesherrlich, wenigstens zu größrem Theile, bis es unter dem
Großen Kurfürsten in den Besitz Joachim Ernst von Grumb-
kow's
*) und 1695 in den Benjamin Raule's kam.

*) Joachim Ernst v. Grumbkow starb in der Nähe von Wesel (im
Reisewagen) auf einer Reise des Hofes nach Cleve, am zweiten Weihnachts-
feiertage 1690. Der Hofpoet Besser sprach in seinem an die Wittwe gerich-
teten Trauergedicht "von dem zwar nicht seligen, aber doch sanften Tod"
des Hingeschiedenen. Grumbkow hatte nämlich am Abend vorher zu viel ge-
trunken. Pöllnitz in seinen Memoiren sagt von ihm: "Er liebte die großen
Unternehmungen und war kühn in ihrer Ausführung. Man würde seinen
Charakter großartig haben nennen können, wenn ihm die Beförderung seiner
Familie weniger am Herzen gelegen hätte, für die er große Schätze mit Leich-
9*

Die Fahrt nach Friedrichsfelde, wenn man zu den „Weſt-
endern“ zählt, erfordert freilich einen Entſchluß. Es iſt eine Reiſe
und durch die ganze Steinmaſſe des alten und neuen Berlins hin
ſich muthig durchzuſchlagen, um dann ſchließlich in einem fuchs-
rothen Omnibus mit Hauderer-Traditionen die Fahrt zu Ende zu
führen, iſt nicht jedermanns Sache. Wer es aber an einem grauen
Tage wagen will, wo die Sonne nicht ſticht und der Staub nicht
wirbelt, der wird ſeine Mühe reichlich belohnt finden. Er wird
auch überraſcht ſein durch das reiche Stück Geſchichte, das ihm an
dieſem Ort entgegentritt.

Wir erzählen davon.


Friedrichsfelde bis 1700.

Friedrichsfelde war bis zum Jahre 1700 gar kein Friedrichs-
felde, ſondern führte ſtatt deſſen den poetiſchen, an Idyll und
Schäferſpiele mahnenden Namen Roſenfelde. Und doch griff
dieſer Name bis auf Zeiten zurück (erſtes Vorkommen 1288), wo
hierlandes an alles Andere eher gedacht wurde, als an Schäfer-
ſpiele. Kaum Schäfer mocht’ es damals geben.

1319, im letzten Regierungsjahre des Markgrafen Waldemar,
wurden die Rathmannen von Berlin und Cölln die Herren des
ſchon damals anſehnlichen Beſitzes und beinahe drei Jahrhunderte
lang trug es die alte Patrizierfamilie der Rykes von den Rath-
mannen zu Lehn. 1590, ſo ſcheint es, wurde das Gut dann
landesherrlich, wenigſtens zu größrem Theile, bis es unter dem
Großen Kurfürſten in den Beſitz Joachim Ernſt von Grumb-
kow’s
*) und 1695 in den Benjamin Raule’s kam.

*) Joachim Ernſt v. Grumbkow ſtarb in der Nähe von Weſel (im
Reiſewagen) auf einer Reiſe des Hofes nach Cleve, am zweiten Weihnachts-
feiertage 1690. Der Hofpoet Beſſer ſprach in ſeinem an die Wittwe gerich-
teten Trauergedicht „von dem zwar nicht ſeligen, aber doch ſanften Tod“
des Hingeſchiedenen. Grumbkow hatte nämlich am Abend vorher zu viel ge-
trunken. Pöllnitz in ſeinen Memoiren ſagt von ihm: „Er liebte die großen
Unternehmungen und war kühn in ihrer Ausführung. Man würde ſeinen
Charakter großartig haben nennen können, wenn ihm die Beförderung ſeiner
Familie weniger am Herzen gelegen hätte, für die er große Schätze mit Leich-
9*
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[131/0147] Die Fahrt nach Friedrichsfelde, wenn man zu den „Weſt- endern“ zählt, erfordert freilich einen Entſchluß. Es iſt eine Reiſe und durch die ganze Steinmaſſe des alten und neuen Berlins hin ſich muthig durchzuſchlagen, um dann ſchließlich in einem fuchs- rothen Omnibus mit Hauderer-Traditionen die Fahrt zu Ende zu führen, iſt nicht jedermanns Sache. Wer es aber an einem grauen Tage wagen will, wo die Sonne nicht ſticht und der Staub nicht wirbelt, der wird ſeine Mühe reichlich belohnt finden. Er wird auch überraſcht ſein durch das reiche Stück Geſchichte, das ihm an dieſem Ort entgegentritt. Wir erzählen davon. Friedrichsfelde bis 1700. Friedrichsfelde war bis zum Jahre 1700 gar kein Friedrichs- felde, ſondern führte ſtatt deſſen den poetiſchen, an Idyll und Schäferſpiele mahnenden Namen Roſenfelde. Und doch griff dieſer Name bis auf Zeiten zurück (erſtes Vorkommen 1288), wo hierlandes an alles Andere eher gedacht wurde, als an Schäfer- ſpiele. Kaum Schäfer mocht’ es damals geben. 1319, im letzten Regierungsjahre des Markgrafen Waldemar, wurden die Rathmannen von Berlin und Cölln die Herren des ſchon damals anſehnlichen Beſitzes und beinahe drei Jahrhunderte lang trug es die alte Patrizierfamilie der Rykes von den Rath- mannen zu Lehn. 1590, ſo ſcheint es, wurde das Gut dann landesherrlich, wenigſtens zu größrem Theile, bis es unter dem Großen Kurfürſten in den Beſitz Joachim Ernſt von Grumb- kow’s *) und 1695 in den Benjamin Raule’s kam. *) Joachim Ernſt v. Grumbkow ſtarb in der Nähe von Weſel (im Reiſewagen) auf einer Reiſe des Hofes nach Cleve, am zweiten Weihnachts- feiertage 1690. Der Hofpoet Beſſer ſprach in ſeinem an die Wittwe gerich- teten Trauergedicht „von dem zwar nicht ſeligen, aber doch ſanften Tod“ des Hingeſchiedenen. Grumbkow hatte nämlich am Abend vorher zu viel ge- trunken. Pöllnitz in ſeinen Memoiren ſagt von ihm: „Er liebte die großen Unternehmungen und war kühn in ihrer Ausführung. Man würde ſeinen Charakter großartig haben nennen können, wenn ihm die Beförderung ſeiner Familie weniger am Herzen gelegen hätte, für die er große Schätze mit Leich- 9*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/147>, abgerufen am 24.11.2024.