dem Gott Israels zum Hohn .... Ein berühmter Günther will lieber der Venus zu Ehren, als zum Ruhm des Kreuzes singen; aber die Reime Hans Sachsens machen alle Werke Gün- thers zu Schanden, weil doch so manche Seele daran seelig glau- ben kann."
So weit er selbst. Man muß es ihm lassen, daß er seine Sache gut zu führen weiß; bescheiden und bewußt -- jedes an rechter Stelle. Dabei kann einem aufmerksamen Leser nicht ent- gehen, daß er in dieser Rechenschaftsablegung alle die Punkte in den Vordergrund stellt, über die die Meinungen auseinander gehen können. Er war eben ein christlicher "Improvisator," ja, in allen Ehren sei es gesagt, eine Art von Psychographendichter und ließ die Feder laufen. Wir kommen an anderer Stelle darauf zurück.
Alles, was wir aus ihm citirt haben, ist einer Vorrede ent- nommen, die er im Jahre 1750 schrieb. Er war damals 25 Jahr alt, predigte seit sechs Jahren und war im Amte seit drei, hatte Frau und Kind und konnt auf eine literarische Thätigkeit zurückblicken, die bereits damals über 200 Lieder umfaßte, mehrere davon über 200 Strophen lang. Eine Productionskraft, die wohl kein an- derer deutscher Dichter aufzuweisen hat, auch nicht die Meister- sänger, an deren Dichtungsart die didaktische Weise Woltersdorf's am meisten erinnert.
Seine poetische Thätigkeit war übrigens im Großen und Ganzen mit 1750 abgeschlossen. Es waren ihm noch elf Lebens- jahre beschieden, aber die Muhen und Sorgen des Amtes wurden doch so übermächtig, daß selbst sein lebendiger Strom versiegte. Er trat 1755 an die Spitze des nach dem Halleschen Vorbild errichteten Bunzlauer Waisenhauses und wirkte daran noch eine Zeitlang in Segen, bis sein schwacher Körper unter der Last zu- sammenbrach. Sein Biograph schreibt: "Man darf sagen, er hatte sich im Dienst des Herrn verzehrt."
Der 17. December 1761 war sein letzter Tag. Die Schmer- zen nahmen zu, seine Klagen ab. Als seine Frau mit einem sei- ner Kinder weinend am Bette stand, sagte er mit Glaubensfreudig- keit: "Wenn Du keinen anderen Kummer hast, als diesen!" Und dann lag er still. Abends aber redete er viel, jedoch so leise, daß
dem Gott Iſraels zum Hohn .... Ein berühmter Günther will lieber der Venus zu Ehren, als zum Ruhm des Kreuzes ſingen; aber die Reime Hans Sachſens machen alle Werke Gün- thers zu Schanden, weil doch ſo manche Seele daran ſeelig glau- ben kann.“
So weit er ſelbſt. Man muß es ihm laſſen, daß er ſeine Sache gut zu führen weiß; beſcheiden und bewußt — jedes an rechter Stelle. Dabei kann einem aufmerkſamen Leſer nicht ent- gehen, daß er in dieſer Rechenſchaftsablegung alle die Punkte in den Vordergrund ſtellt, über die die Meinungen auseinander gehen können. Er war eben ein chriſtlicher „Improviſator,“ ja, in allen Ehren ſei es geſagt, eine Art von Pſychographendichter und ließ die Feder laufen. Wir kommen an anderer Stelle darauf zurück.
Alles, was wir aus ihm citirt haben, iſt einer Vorrede ent- nommen, die er im Jahre 1750 ſchrieb. Er war damals 25 Jahr alt, predigte ſeit ſechs Jahren und war im Amte ſeit drei, hatte Frau und Kind und konnt auf eine literariſche Thätigkeit zurückblicken, die bereits damals über 200 Lieder umfaßte, mehrere davon über 200 Strophen lang. Eine Productionskraft, die wohl kein an- derer deutſcher Dichter aufzuweiſen hat, auch nicht die Meiſter- ſänger, an deren Dichtungsart die didaktiſche Weiſe Woltersdorf’s am meiſten erinnert.
Seine poetiſche Thätigkeit war übrigens im Großen und Ganzen mit 1750 abgeſchloſſen. Es waren ihm noch elf Lebens- jahre beſchieden, aber die Muhen und Sorgen des Amtes wurden doch ſo übermächtig, daß ſelbſt ſein lebendiger Strom verſiegte. Er trat 1755 an die Spitze des nach dem Halleſchen Vorbild errichteten Bunzlauer Waiſenhauſes und wirkte daran noch eine Zeitlang in Segen, bis ſein ſchwacher Körper unter der Laſt zu- ſammenbrach. Sein Biograph ſchreibt: „Man darf ſagen, er hatte ſich im Dienſt des Herrn verzehrt.“
Der 17. December 1761 war ſein letzter Tag. Die Schmer- zen nahmen zu, ſeine Klagen ab. Als ſeine Frau mit einem ſei- ner Kinder weinend am Bette ſtand, ſagte er mit Glaubensfreudig- keit: „Wenn Du keinen anderen Kummer haſt, als dieſen!“ Und dann lag er ſtill. Abends aber redete er viel, jedoch ſo leiſe, daß
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thers zu Schanden, weil doch ſo manche Seele daran ſeelig glau-
ben kann.“
So weit er ſelbſt. Man muß es ihm laſſen, daß er ſeine
Sache gut zu führen weiß; beſcheiden und bewußt — jedes an
rechter Stelle. Dabei kann einem aufmerkſamen Leſer nicht ent-
gehen, daß er in dieſer Rechenſchaftsablegung alle die Punkte in
den Vordergrund ſtellt, über die die Meinungen auseinander
gehen können. Er war eben ein chriſtlicher „Improviſator,“ ja,
in allen Ehren ſei es geſagt, eine Art von Pſychographendichter
und ließ die Feder laufen. Wir kommen an anderer Stelle darauf
zurück.
Alles, was wir aus ihm citirt haben, iſt einer Vorrede ent-
nommen, die er im Jahre 1750 ſchrieb. Er war damals 25 Jahr
alt, predigte ſeit ſechs Jahren und war im Amte ſeit drei, hatte Frau
und Kind und konnt auf eine literariſche Thätigkeit zurückblicken,
die bereits damals über 200 Lieder umfaßte, mehrere davon über
200 Strophen lang. Eine Productionskraft, die wohl kein an-
derer deutſcher Dichter aufzuweiſen hat, auch nicht die Meiſter-
ſänger, an deren Dichtungsart die didaktiſche Weiſe Woltersdorf’s
am meiſten erinnert.
Seine poetiſche Thätigkeit war übrigens im Großen und
Ganzen mit 1750 abgeſchloſſen. Es waren ihm noch elf Lebens-
jahre beſchieden, aber die Muhen und Sorgen des Amtes wurden
doch ſo übermächtig, daß ſelbſt ſein lebendiger Strom verſiegte.
Er trat 1755 an die Spitze des nach dem Halleſchen Vorbild
errichteten Bunzlauer Waiſenhauſes und wirkte daran noch eine
Zeitlang in Segen, bis ſein ſchwacher Körper unter der Laſt zu-
ſammenbrach. Sein Biograph ſchreibt: „Man darf ſagen, er hatte
ſich im Dienſt des Herrn verzehrt.“
Der 17. December 1761 war ſein letzter Tag. Die Schmer-
zen nahmen zu, ſeine Klagen ab. Als ſeine Frau mit einem ſei-
ner Kinder weinend am Bette ſtand, ſagte er mit Glaubensfreudig-
keit: „Wenn Du keinen anderen Kummer haſt, als dieſen!“ Und
dann lag er ſtill. Abends aber redete er viel, jedoch ſo leiſe, daß
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/174>, abgerufen am 21.11.2024.
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