Was sonst in Ehren stünde, Nun ist es worden Sünde, Was fang' ich an! Th. Storm.
Zwei Meilen nördlich von Berlin liegt das Dorf Buch, reich an Landschaftsbildern aller Art, aber noch reicher an historischen Erinnerungen. Einer unserer Lustgarten-Omnibusse führt den Reiselustigen über Pankow und Schönhausen bis an die Grenze von Französisch-Buchholtz, etwa halber Weg; wir aber, in jenem stolzen Wandergefühl, das sich nach Strapatzen sehnt, haben den Omnibus verschmäht und treffen erst mit der untergehenden Sonne vor Buch ein.
Gleich der Eintritt in's Dorf ist malerisch. Eine Feldstein- brücke wölbt sich über ein Wässerchen, das schäumend einen Berg- abhang hernieder kommt, die Häuser steigen in leiser Schlängel- linie bergan und nach links hin, als woll' er das Dorf in seinen Arm nehmen, zieht sich, waldartig, ein ausgedehnter Park. Anders nach rechts hin, wo sich Wiesen und Felder dehnen, deren Stille nur von Zeit zu Zeit das Rasseln eines vorüberfahrenden Eisen- bahnzuges unterbricht.
Wir haben die Feldsteinbrücke passirt und die Mitte des Dorfes erreicht. Hier begegnen wir endlich einem seit einer halben Stunde herangesehnten Bilde. Krippen lehnen sich an die Wand, ein Plan- wagen steht zur Seite, drauf ein Spitz die Wache hält, und von über der Thür des Hauses her grüßt uns das Wörtchen "Gasthaus".
Buch.
Was ſonſt in Ehren ſtünde, Nun iſt es worden Sünde, Was fang’ ich an! Th. Storm.
Zwei Meilen nördlich von Berlin liegt das Dorf Buch, reich an Landſchaftsbildern aller Art, aber noch reicher an hiſtoriſchen Erinnerungen. Einer unſerer Luſtgarten-Omnibuſſe führt den Reiſeluſtigen über Pankow und Schönhauſen bis an die Grenze von Franzöſiſch-Buchholtz, etwa halber Weg; wir aber, in jenem ſtolzen Wandergefühl, das ſich nach Strapatzen ſehnt, haben den Omnibus verſchmäht und treffen erſt mit der untergehenden Sonne vor Buch ein.
Gleich der Eintritt in’s Dorf iſt maleriſch. Eine Feldſtein- brücke wölbt ſich über ein Wäſſerchen, das ſchäumend einen Berg- abhang hernieder kommt, die Häuſer ſteigen in leiſer Schlängel- linie bergan und nach links hin, als woll’ er das Dorf in ſeinen Arm nehmen, zieht ſich, waldartig, ein ausgedehnter Park. Anders nach rechts hin, wo ſich Wieſen und Felder dehnen, deren Stille nur von Zeit zu Zeit das Raſſeln eines vorüberfahrenden Eiſen- bahnzuges unterbricht.
Wir haben die Feldſteinbrücke paſſirt und die Mitte des Dorfes erreicht. Hier begegnen wir endlich einem ſeit einer halben Stunde herangeſehnten Bilde. Krippen lehnen ſich an die Wand, ein Plan- wagen ſteht zur Seite, drauf ein Spitz die Wache hält, und von über der Thür des Hauſes her grüßt uns das Wörtchen „Gaſthaus“.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0181"n="[165]"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Buch.</hi></head><lb/><citrendition="#et"><quote>Was ſonſt in Ehren ſtünde,<lb/>
Nun iſt es worden Sünde,<lb/>
Was fang’ ich an!</quote><lb/><bibl><hirendition="#b">Th. Storm.</hi></bibl></cit><lb/><p><hirendition="#in">Z</hi>wei Meilen nördlich von Berlin liegt das Dorf <hirendition="#g">Buch</hi>, reich<lb/>
an Landſchaftsbildern aller Art, aber noch reicher an hiſtoriſchen<lb/>
Erinnerungen. Einer unſerer Luſtgarten-Omnibuſſe führt den<lb/>
Reiſeluſtigen über Pankow und Schönhauſen bis an die Grenze<lb/>
von Franzöſiſch-Buchholtz, etwa halber Weg; <hirendition="#g">wir</hi> aber, in jenem<lb/>ſtolzen Wandergefühl, das ſich nach Strapatzen ſehnt, haben den<lb/>
Omnibus verſchmäht und treffen erſt mit der untergehenden Sonne<lb/>
vor Buch ein.</p><lb/><p>Gleich der Eintritt in’s Dorf iſt maleriſch. Eine Feldſtein-<lb/>
brücke wölbt ſich über ein Wäſſerchen, das ſchäumend einen Berg-<lb/>
abhang hernieder kommt, die Häuſer ſteigen in leiſer Schlängel-<lb/>
linie bergan und nach links hin, als woll’ er das Dorf in ſeinen<lb/>
Arm nehmen, zieht ſich, waldartig, ein ausgedehnter Park. Anders<lb/>
nach rechts hin, wo ſich Wieſen und Felder dehnen, deren Stille<lb/>
nur von Zeit zu Zeit das Raſſeln eines vorüberfahrenden Eiſen-<lb/>
bahnzuges unterbricht.</p><lb/><p>Wir haben die Feldſteinbrücke paſſirt und die Mitte des Dorfes<lb/>
erreicht. Hier begegnen wir endlich einem ſeit einer halben Stunde<lb/>
herangeſehnten Bilde. Krippen lehnen ſich an die Wand, ein Plan-<lb/>
wagen ſteht zur Seite, drauf ein Spitz die Wache hält, und von<lb/>
über der Thür des Hauſes her grüßt uns das Wörtchen „Gaſthaus“.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[165]/0181]
Buch.
Was ſonſt in Ehren ſtünde,
Nun iſt es worden Sünde,
Was fang’ ich an!
Th. Storm.
Zwei Meilen nördlich von Berlin liegt das Dorf Buch, reich
an Landſchaftsbildern aller Art, aber noch reicher an hiſtoriſchen
Erinnerungen. Einer unſerer Luſtgarten-Omnibuſſe führt den
Reiſeluſtigen über Pankow und Schönhauſen bis an die Grenze
von Franzöſiſch-Buchholtz, etwa halber Weg; wir aber, in jenem
ſtolzen Wandergefühl, das ſich nach Strapatzen ſehnt, haben den
Omnibus verſchmäht und treffen erſt mit der untergehenden Sonne
vor Buch ein.
Gleich der Eintritt in’s Dorf iſt maleriſch. Eine Feldſtein-
brücke wölbt ſich über ein Wäſſerchen, das ſchäumend einen Berg-
abhang hernieder kommt, die Häuſer ſteigen in leiſer Schlängel-
linie bergan und nach links hin, als woll’ er das Dorf in ſeinen
Arm nehmen, zieht ſich, waldartig, ein ausgedehnter Park. Anders
nach rechts hin, wo ſich Wieſen und Felder dehnen, deren Stille
nur von Zeit zu Zeit das Raſſeln eines vorüberfahrenden Eiſen-
bahnzuges unterbricht.
Wir haben die Feldſteinbrücke paſſirt und die Mitte des Dorfes
erreicht. Hier begegnen wir endlich einem ſeit einer halben Stunde
herangeſehnten Bilde. Krippen lehnen ſich an die Wand, ein Plan-
wagen ſteht zur Seite, drauf ein Spitz die Wache hält, und von
über der Thür des Hauſes her grüßt uns das Wörtchen „Gaſthaus“.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. [165]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/181>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.