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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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humoristischen Gedichte, nachdem er diese Zudringlichen zuvor be-
schrieben, schließt denn auch mit dem Anruf an Fortuna:

Send', o Göttin, naht ein solcher Schwall,
Uns zum Schutze Regen her in Bächen!
Thürm' ein Wetter auf mit Blitz und Knall,
Oder laß ein Wagenrad zerbrechen.

Es erinnert dies an ähnliche Niedlichkeiten Mörike's, dessen
Humor freilich um vieles mächtiger war.

Unter den classischen Dichtern war ihm neben Homer, Virgil
der liebste; seine Bukolika standen ihm außerordentlich hoch und
mögen sein eigenes Dichten beeinflußt haben. Als der größte
Dichter aller Zeiten aber erschien ihm Shakespeare, den er mit
Passion las und dessen kühne und erhabene Bilder ihn immer
wieder begeisterten.

Die Angriffe, die sein eigenes Dichten erfuhr, machten gar
keinen Eindruck auf ihn, ergötzten ihn vielmehr. Es lag wohl
darin, daß er eine durch und durch bescheidene Natur und niemals
von dem eitlen Vermessen erfüllt war, neben den Heroen jener
Zeit auch nur annähernd als ebenbürtig dastehen zu wollen. Er
wollte wenig sein, aber daß er dies Wenige auch wirklich
war, davon war er fest überzeugt
; er hielt den Beweis
davon, wenn er auf die Natur hinausblickte, gleichsam in
Händen, und diese Ueberzeugung, die nebenher wissen mochte,
daß ein kleines Blättchen vom Lorbeerkranz ihm früher oder
später nothwendig zufallen müsse, nahm seinem Auftreten
jede Empfindlichkeit. Das bekannte gegen ihn gerichtete Goethe-
sche Spottgedicht:

O wie freut es mich, mein Liebchen,
Daß du so natürlich bist,
Unsre Mädchen, unsre Bübchen
Spielen künftig auf dem Mist,
las er seinen Kindern vor und scherzte darüber mit ihnen. Seine
Hochschätzung Goethe's wurde durch diesen Angriff in nichts ge-
mindert, und seine Kinder mußten um dieselbe Zeit, als jenes

humoriſtiſchen Gedichte, nachdem er dieſe Zudringlichen zuvor be-
ſchrieben, ſchließt denn auch mit dem Anruf an Fortuna:

Send’, o Göttin, naht ein ſolcher Schwall,
Uns zum Schutze Regen her in Bächen!
Thürm’ ein Wetter auf mit Blitz und Knall,
Oder laß ein Wagenrad zerbrechen.

Es erinnert dies an ähnliche Niedlichkeiten Mörike’s, deſſen
Humor freilich um vieles mächtiger war.

Unter den claſſiſchen Dichtern war ihm neben Homer, Virgil
der liebſte; ſeine Bukolika ſtanden ihm außerordentlich hoch und
mögen ſein eigenes Dichten beeinflußt haben. Als der größte
Dichter aller Zeiten aber erſchien ihm Shakeſpeare, den er mit
Paſſion las und deſſen kühne und erhabene Bilder ihn immer
wieder begeiſterten.

Die Angriffe, die ſein eigenes Dichten erfuhr, machten gar
keinen Eindruck auf ihn, ergötzten ihn vielmehr. Es lag wohl
darin, daß er eine durch und durch beſcheidene Natur und niemals
von dem eitlen Vermeſſen erfüllt war, neben den Heroen jener
Zeit auch nur annähernd als ebenbürtig daſtehen zu wollen. Er
wollte wenig ſein, aber daß er dies Wenige auch wirklich
war, davon war er feſt überzeugt
; er hielt den Beweis
davon, wenn er auf die Natur hinausblickte, gleichſam in
Händen, und dieſe Ueberzeugung, die nebenher wiſſen mochte,
daß ein kleines Blättchen vom Lorbeerkranz ihm früher oder
ſpäter nothwendig zufallen müſſe, nahm ſeinem Auftreten
jede Empfindlichkeit. Das bekannte gegen ihn gerichtete Goethe-
ſche Spottgedicht:

O wie freut es mich, mein Liebchen,
Daß du ſo natürlich biſt,
Unſre Mädchen, unſre Bübchen
Spielen künftig auf dem Miſt,
las er ſeinen Kindern vor und ſcherzte darüber mit ihnen. Seine
Hochſchätzung Goethe’s wurde durch dieſen Angriff in nichts ge-
mindert, und ſeine Kinder mußten um dieſelbe Zeit, als jenes

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[224/0240] humoriſtiſchen Gedichte, nachdem er dieſe Zudringlichen zuvor be- ſchrieben, ſchließt denn auch mit dem Anruf an Fortuna: Send’, o Göttin, naht ein ſolcher Schwall, Uns zum Schutze Regen her in Bächen! Thürm’ ein Wetter auf mit Blitz und Knall, Oder laß ein Wagenrad zerbrechen. Es erinnert dies an ähnliche Niedlichkeiten Mörike’s, deſſen Humor freilich um vieles mächtiger war. Unter den claſſiſchen Dichtern war ihm neben Homer, Virgil der liebſte; ſeine Bukolika ſtanden ihm außerordentlich hoch und mögen ſein eigenes Dichten beeinflußt haben. Als der größte Dichter aller Zeiten aber erſchien ihm Shakeſpeare, den er mit Paſſion las und deſſen kühne und erhabene Bilder ihn immer wieder begeiſterten. Die Angriffe, die ſein eigenes Dichten erfuhr, machten gar keinen Eindruck auf ihn, ergötzten ihn vielmehr. Es lag wohl darin, daß er eine durch und durch beſcheidene Natur und niemals von dem eitlen Vermeſſen erfüllt war, neben den Heroen jener Zeit auch nur annähernd als ebenbürtig daſtehen zu wollen. Er wollte wenig ſein, aber daß er dies Wenige auch wirklich war, davon war er feſt überzeugt; er hielt den Beweis davon, wenn er auf die Natur hinausblickte, gleichſam in Händen, und dieſe Ueberzeugung, die nebenher wiſſen mochte, daß ein kleines Blättchen vom Lorbeerkranz ihm früher oder ſpäter nothwendig zufallen müſſe, nahm ſeinem Auftreten jede Empfindlichkeit. Das bekannte gegen ihn gerichtete Goethe- ſche Spottgedicht: O wie freut es mich, mein Liebchen, Daß du ſo natürlich biſt, Unſre Mädchen, unſre Bübchen Spielen künftig auf dem Miſt, las er ſeinen Kindern vor und ſcherzte darüber mit ihnen. Seine Hochſchätzung Goethe’s wurde durch dieſen Angriff in nichts ge- mindert, und ſeine Kinder mußten um dieſelbe Zeit, als jenes

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/240>, abgerufen am 28.11.2024.