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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Spottgedicht erschienen war, Goethe'sche Lieder und Balladen aus-
wendig lernen.


Bis hierher hat uns, auch da noch wo wir aus ihm citirten,
der Mensch beschäftigt; wir wenden uns nun dem Dichter zu.
War er ein solcher überhaupt? Gewiß, und trotz einer starken
prosaischen Beimischung, weit mehr als gemeinhin geglaubt wird.
Der Ton, in dem man ihn anerkannte, pflegte dem zu gleichen,
in dem in Vor-Claus-Grothschen Tagen von unseren plattdeutschen
Dichtern, zumal auch von unserem Altmärkischen Landsmann
Bornemann gesprochen wurde. In den Dichtungen des Einen
wie des Anderen vermißte man Idealität und ließ um eben
deshalb beide nur als Dichter-Abarten gelten, als heitere, derbe,
humoristische Erzählertalente, die zufällig in Reim statt in Prosa
erzählten.

Es liegt darin, auch namentlich in dem Zusammenwerfen
Schmidt's von Werneuchen mit den plattdeutschen Dichtern der
alten Schule, viel Wahres und Richtiges; viel Wahres, in das
sich nur insoweit eine gewisse Unbilligkeit gegen unseren Wer-
neuchener Deskriptiv-Poeten mit einmischt, als er anderer Klänge
wie die sind, die zumeist aus ihm citirt werden, sehr wohl fähig
war. Die unbestreitbare Popularität der Zeilen:

Die Tafel ist gedeckt,
Wo nun der Schüsseln Duft die Lebensgeister weckt;
Schweinbraten, ach, nach dir, nach euch, geback'ne Pflaumen,
Sehnt sich die Braut schon längst! ihr glänzen beide Daumen --
ich sage, die Popularität dieser und ähnlicher Zeilen hat unser
Dichter mit dem besseren Theil seines Ruhmes bezahlen müssen.
Dieser Aufsatz soll kein literar-historischer sein, er würde sich sonst
die Aufgabe stellen, eine gewisse Verwandtschaft Schmidt's von
Werneuchen mit der späteren Platen'schen und namentlich Freili-
grath'schen Schule nachzuweisen.

Schmidt von Werneuchen handhabte Vers und Reim mit
großer Leichtigkeit und zählte zu den productivsten Lyrikern jener
Epoche. Man muß freilich hinzusetzen, er that des Guten zu viel.

Fontane, Wanderungen. IV. 15

Spottgedicht erſchienen war, Goethe’ſche Lieder und Balladen aus-
wendig lernen.


Bis hierher hat uns, auch da noch wo wir aus ihm citirten,
der Menſch beſchäftigt; wir wenden uns nun dem Dichter zu.
War er ein ſolcher überhaupt? Gewiß, und trotz einer ſtarken
proſaiſchen Beimiſchung, weit mehr als gemeinhin geglaubt wird.
Der Ton, in dem man ihn anerkannte, pflegte dem zu gleichen,
in dem in Vor-Claus-Grothſchen Tagen von unſeren plattdeutſchen
Dichtern, zumal auch von unſerem Altmärkiſchen Landsmann
Bornemann geſprochen wurde. In den Dichtungen des Einen
wie des Anderen vermißte man Idealität und ließ um eben
deshalb beide nur als Dichter-Abarten gelten, als heitere, derbe,
humoriſtiſche Erzählertalente, die zufällig in Reim ſtatt in Proſa
erzählten.

Es liegt darin, auch namentlich in dem Zuſammenwerfen
Schmidt’s von Werneuchen mit den plattdeutſchen Dichtern der
alten Schule, viel Wahres und Richtiges; viel Wahres, in das
ſich nur inſoweit eine gewiſſe Unbilligkeit gegen unſeren Wer-
neuchener Deſkriptiv-Poeten mit einmiſcht, als er anderer Klänge
wie die ſind, die zumeiſt aus ihm citirt werden, ſehr wohl fähig
war. Die unbeſtreitbare Popularität der Zeilen:

Die Tafel iſt gedeckt,
Wo nun der Schüſſeln Duft die Lebensgeiſter weckt;
Schweinbraten, ach, nach dir, nach euch, geback’ne Pflaumen,
Sehnt ſich die Braut ſchon längſt! ihr glänzen beide Daumen —
ich ſage, die Popularität dieſer und ähnlicher Zeilen hat unſer
Dichter mit dem beſſeren Theil ſeines Ruhmes bezahlen müſſen.
Dieſer Aufſatz ſoll kein literar-hiſtoriſcher ſein, er würde ſich ſonſt
die Aufgabe ſtellen, eine gewiſſe Verwandtſchaft Schmidt’s von
Werneuchen mit der ſpäteren Platen’ſchen und namentlich Freili-
grath’ſchen Schule nachzuweiſen.

Schmidt von Werneuchen handhabte Vers und Reim mit
großer Leichtigkeit und zählte zu den productivſten Lyrikern jener
Epoche. Man muß freilich hinzuſetzen, er that des Guten zu viel.

Fontane, Wanderungen. IV. 15
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[225/0241] Spottgedicht erſchienen war, Goethe’ſche Lieder und Balladen aus- wendig lernen. Bis hierher hat uns, auch da noch wo wir aus ihm citirten, der Menſch beſchäftigt; wir wenden uns nun dem Dichter zu. War er ein ſolcher überhaupt? Gewiß, und trotz einer ſtarken proſaiſchen Beimiſchung, weit mehr als gemeinhin geglaubt wird. Der Ton, in dem man ihn anerkannte, pflegte dem zu gleichen, in dem in Vor-Claus-Grothſchen Tagen von unſeren plattdeutſchen Dichtern, zumal auch von unſerem Altmärkiſchen Landsmann Bornemann geſprochen wurde. In den Dichtungen des Einen wie des Anderen vermißte man Idealität und ließ um eben deshalb beide nur als Dichter-Abarten gelten, als heitere, derbe, humoriſtiſche Erzählertalente, die zufällig in Reim ſtatt in Proſa erzählten. Es liegt darin, auch namentlich in dem Zuſammenwerfen Schmidt’s von Werneuchen mit den plattdeutſchen Dichtern der alten Schule, viel Wahres und Richtiges; viel Wahres, in das ſich nur inſoweit eine gewiſſe Unbilligkeit gegen unſeren Wer- neuchener Deſkriptiv-Poeten mit einmiſcht, als er anderer Klänge wie die ſind, die zumeiſt aus ihm citirt werden, ſehr wohl fähig war. Die unbeſtreitbare Popularität der Zeilen: Die Tafel iſt gedeckt, Wo nun der Schüſſeln Duft die Lebensgeiſter weckt; Schweinbraten, ach, nach dir, nach euch, geback’ne Pflaumen, Sehnt ſich die Braut ſchon längſt! ihr glänzen beide Daumen — ich ſage, die Popularität dieſer und ähnlicher Zeilen hat unſer Dichter mit dem beſſeren Theil ſeines Ruhmes bezahlen müſſen. Dieſer Aufſatz ſoll kein literar-hiſtoriſcher ſein, er würde ſich ſonſt die Aufgabe ſtellen, eine gewiſſe Verwandtſchaft Schmidt’s von Werneuchen mit der ſpäteren Platen’ſchen und namentlich Freili- grath’ſchen Schule nachzuweiſen. Schmidt von Werneuchen handhabte Vers und Reim mit großer Leichtigkeit und zählte zu den productivſten Lyrikern jener Epoche. Man muß freilich hinzuſetzen, er that des Guten zu viel. Fontane, Wanderungen. IV. 15

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/241>, abgerufen am 14.05.2024.