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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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stand. Er war nicht immer der gereimte Prosaiker, der mit Freud'
und Behagen niederschreiben konnte:

Die Küchlein ziepen;
Nestvögel piepen
Im Fliedergrün,
Und Frauen zieh'n
Mit Milch in Kiepen
Barfüßig hin
Zur Städterin --
er konnte sich auch sehr wesentlich über diese Spielereien, über dies
rein äußerlich Beschreibende erheben, und trotz eines leisen An-
klangs an Bürger's "Pfarrerstochter zu Taubenhayn" zähl' ich
doch beispielsweise folgende Strophe zu den gelungensten Schilderungen
einer herbstlichen Landschafts-Stimmung:

Es sauste der Herbstwind durch Felder und Busch,
Der Regen die Blätter vom Schlehdorn wusch,
Es flohen die Schwalben von dannen,
Es zogen die Störche weit über das Meer,
Da ward es im Lande öd und leer
Und die traurigen Tage begannen.

Am vorzüglichsten war er da, wo er in classischer Einfach-
heit und in nie zu bekrittelnder Aechtheit die märkische Natur
beschrieb und den Ton schlichter Gemüthlichkeit traf ohne in
Trivialität oder Sentimentalität zu verfallen
. Unter
seinen früheren Sachen finden sich nicht wenige, die diesen
Charakter tragen, und wer sich der Arbeit unterziehen wollte, die
Spreu vom Weizen zu sondern, der würd' im Stande sein, dem
Publicum ein Büchelchen zu bieten, das die gäng und geben An-
sichten über den Dorfpoeten von Werneuchen sehr wesentlich modi-
ficiren würde. Ich gebe nur eine solche Stelle und zwar aus dem
schon früher erwähnten Gedichte: "An das Dorf Fahrland," jenes
Dorf in dem er geboren war.

Ach, ich kenne dich noch, als hätt' ich dich gestern verlassen,
Kenne das hangende Pfarrhaus noch mit verwittertem Rohrdach,
Kenne die Balken des Giebels, wo längst der Regen den Kalk schon
Losgewaschen, die Thür mit großen Nägeln beschlagen,

ſtand. Er war nicht immer der gereimte Proſaiker, der mit Freud’
und Behagen niederſchreiben konnte:

Die Küchlein ziepen;
Neſtvögel piepen
Im Fliedergrün,
Und Frauen zieh’n
Mit Milch in Kiepen
Barfüßig hin
Zur Städterin —
er konnte ſich auch ſehr weſentlich über dieſe Spielereien, über dies
rein äußerlich Beſchreibende erheben, und trotz eines leiſen An-
klangs an Bürger’s „Pfarrerstochter zu Taubenhayn“ zähl’ ich
doch beiſpielsweiſe folgende Strophe zu den gelungenſten Schilderungen
einer herbſtlichen Landſchafts-Stimmung:

Es ſauſte der Herbſtwind durch Felder und Buſch,
Der Regen die Blätter vom Schlehdorn wuſch,
Es flohen die Schwalben von dannen,
Es zogen die Störche weit über das Meer,
Da ward es im Lande öd und leer
Und die traurigen Tage begannen.

Am vorzüglichſten war er da, wo er in claſſiſcher Einfach-
heit und in nie zu bekrittelnder Aechtheit die märkiſche Natur
beſchrieb und den Ton ſchlichter Gemüthlichkeit traf ohne in
Trivialität oder Sentimentalität zu verfallen
. Unter
ſeinen früheren Sachen finden ſich nicht wenige, die dieſen
Charakter tragen, und wer ſich der Arbeit unterziehen wollte, die
Spreu vom Weizen zu ſondern, der würd’ im Stande ſein, dem
Publicum ein Büchelchen zu bieten, das die gäng und geben An-
ſichten über den Dorfpoeten von Werneuchen ſehr weſentlich modi-
ficiren würde. Ich gebe nur eine ſolche Stelle und zwar aus dem
ſchon früher erwähnten Gedichte: „An das Dorf Fahrland,“ jenes
Dorf in dem er geboren war.

Ach, ich kenne dich noch, als hätt’ ich dich geſtern verlaſſen,
Kenne das hangende Pfarrhaus noch mit verwittertem Rohrdach,
Kenne die Balken des Giebels, wo längſt der Regen den Kalk ſchon
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[228/0244] ſtand. Er war nicht immer der gereimte Proſaiker, der mit Freud’ und Behagen niederſchreiben konnte: Die Küchlein ziepen; Neſtvögel piepen Im Fliedergrün, Und Frauen zieh’n Mit Milch in Kiepen Barfüßig hin Zur Städterin — er konnte ſich auch ſehr weſentlich über dieſe Spielereien, über dies rein äußerlich Beſchreibende erheben, und trotz eines leiſen An- klangs an Bürger’s „Pfarrerstochter zu Taubenhayn“ zähl’ ich doch beiſpielsweiſe folgende Strophe zu den gelungenſten Schilderungen einer herbſtlichen Landſchafts-Stimmung: Es ſauſte der Herbſtwind durch Felder und Buſch, Der Regen die Blätter vom Schlehdorn wuſch, Es flohen die Schwalben von dannen, Es zogen die Störche weit über das Meer, Da ward es im Lande öd und leer Und die traurigen Tage begannen. Am vorzüglichſten war er da, wo er in claſſiſcher Einfach- heit und in nie zu bekrittelnder Aechtheit die märkiſche Natur beſchrieb und den Ton ſchlichter Gemüthlichkeit traf ohne in Trivialität oder Sentimentalität zu verfallen. Unter ſeinen früheren Sachen finden ſich nicht wenige, die dieſen Charakter tragen, und wer ſich der Arbeit unterziehen wollte, die Spreu vom Weizen zu ſondern, der würd’ im Stande ſein, dem Publicum ein Büchelchen zu bieten, das die gäng und geben An- ſichten über den Dorfpoeten von Werneuchen ſehr weſentlich modi- ficiren würde. Ich gebe nur eine ſolche Stelle und zwar aus dem ſchon früher erwähnten Gedichte: „An das Dorf Fahrland,“ jenes Dorf in dem er geboren war. Ach, ich kenne dich noch, als hätt’ ich dich geſtern verlaſſen, Kenne das hangende Pfarrhaus noch mit verwittertem Rohrdach, Kenne die Balken des Giebels, wo längſt der Regen den Kalk ſchon Losgewaſchen, die Thür mit großen Nägeln beſchlagen,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/244>, abgerufen am 14.05.2024.