Augenblick an das wirkliche Lebendigsein dieser seiner Figuren glaubte. So kam es, daß er in dieser Dichtungsart beständig den bekannten einen Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen that und uns statt erschütternder Gestalten bloße Karrikaturen vorführte. Um wenigstens eine Belagsstelle für dies mein Urtheil zu citiren, laß ich hier die erste Strophe der Spuk-Ballade "Graf Königs- mark und sein Verwalter" folgen:
Graf Königsmark hatt' irgendwo In Sachsen an der Saale Ein Gut, wohin er gern entfloh Der höfischen Kabale. Die Wirthschaft dort besorgt ein treuer Verständiger und frommer Meier.
Dies genüge. Dieselbe Ballade weist übrigens viel schlimmere Strophen auf. Keine Dichtungsart vielleicht kann die Verwechs- lung von Einfach-natürlichem mit Hausbacken-pro- saischem so wenig ertragen wie die Ballade.
Schmidt von Werneuchen war kein Sonettist und noch weni- ger ein Minstrel, der es verstanden hätte, bei den Festmahlen alter Häuptlinge die heroischen Sagen des Clan's zu singen, aber er war ein Naturbeobachter und Naturbeschreiber trotz einem. Nicht die Geßner'sche Idylle war seine Stärke, bei den Niederländern schien er in die Schule gegangen zu sein, und wenn Friedrich Wilhelm I. einmal ausrufen durfte: "ich hab' ein treu-Holländisch Herz," so durfte Schmidt von Werneuchen sagen: "ich hab ein gut-Hollländisch Aug'." Und wirklich, jetzt, wo man es liebt, die Künstler dadurch zu charakterisiren, daß man sie mit hervorragenden Erscheinungen einer verwandten Kunst vergleicht, möcht' es gestattet sein, Schmidt von Werneuchen einen märkischen Adrian von Ostade zu nennen. Beide haben in "Bauernhochzeiten" excellirt.
Aber diese "Bauernhochzeiten" unsers märkischen Poeten waren doch, der Gesammtheit seines Schaffens gegenüber, nur die Staf- fage; er konnte ein Genremaler sein, wenn ihm der Sinn danach stand, vor Allem indeß war er ein Landschafter, oft freilich nur ein grober Realist der die Natur rein äußerlich abschrieb, oft aber auch ein feinfühliger Künstler, der sich auf die leisesten land- schaftlichen Stimmungen, auf den Ton und alle seine Nüancen ver-
15*
Augenblick an das wirkliche Lebendigſein dieſer ſeiner Figuren glaubte. So kam es, daß er in dieſer Dichtungsart beſtändig den bekannten einen Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen that und uns ſtatt erſchütternder Geſtalten bloße Karrikaturen vorführte. Um wenigſtens eine Belagsſtelle für dies mein Urtheil zu citiren, laß ich hier die erſte Strophe der Spuk-Ballade „Graf Königs- mark und ſein Verwalter“ folgen:
Graf Königsmark hatt’ irgendwo In Sachſen an der Saale Ein Gut, wohin er gern entfloh Der höfiſchen Kabale. Die Wirthſchaft dort beſorgt ein treuer Verſtändiger und frommer Meier.
Dies genüge. Dieſelbe Ballade weiſt übrigens viel ſchlimmere Strophen auf. Keine Dichtungsart vielleicht kann die Verwechs- lung von Einfach-natürlichem mit Hausbacken-pro- ſaiſchem ſo wenig ertragen wie die Ballade.
Schmidt von Werneuchen war kein Sonettiſt und noch weni- ger ein Minſtrel, der es verſtanden hätte, bei den Feſtmahlen alter Häuptlinge die heroiſchen Sagen des Clan’s zu ſingen, aber er war ein Naturbeobachter und Naturbeſchreiber trotz einem. Nicht die Geßner’ſche Idylle war ſeine Stärke, bei den Niederländern ſchien er in die Schule gegangen zu ſein, und wenn Friedrich Wilhelm I. einmal ausrufen durfte: „ich hab’ ein treu-Holländiſch Herz,“ ſo durfte Schmidt von Werneuchen ſagen: „ich hab ein gut-Hollländiſch Aug’.“ Und wirklich, jetzt, wo man es liebt, die Künſtler dadurch zu charakteriſiren, daß man ſie mit hervorragenden Erſcheinungen einer verwandten Kunſt vergleicht, möcht’ es geſtattet ſein, Schmidt von Werneuchen einen märkiſchen Adrian von Oſtade zu nennen. Beide haben in „Bauernhochzeiten“ excellirt.
Aber dieſe „Bauernhochzeiten“ unſers märkiſchen Poeten waren doch, der Geſammtheit ſeines Schaffens gegenüber, nur die Staf- fage; er konnte ein Genremaler ſein, wenn ihm der Sinn danach ſtand, vor Allem indeß war er ein Landſchafter, oft freilich nur ein grober Realiſt der die Natur rein äußerlich abſchrieb, oft aber auch ein feinfühliger Künſtler, der ſich auf die leiſeſten land- ſchaftlichen Stimmungen, auf den Ton und alle ſeine Nüancen ver-
15*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0243"n="227"/>
Augenblick an das wirkliche Lebendigſein dieſer ſeiner Figuren<lb/>
glaubte. So kam es, daß er in dieſer Dichtungsart beſtändig den<lb/>
bekannten <hirendition="#g">einen</hi> Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen that<lb/>
und uns ſtatt erſchütternder Geſtalten bloße Karrikaturen vorführte.<lb/>
Um wenigſtens <hirendition="#g">eine</hi> Belagsſtelle für dies mein Urtheil zu citiren,<lb/>
laß ich hier die erſte Strophe der Spuk-Ballade „Graf Königs-<lb/>
mark und ſein Verwalter“ folgen:<lb/><lgtype="poem"><l>Graf Königsmark hatt’ irgendwo</l><lb/><l>In <choice><sic>Sachſeu</sic><corr>Sachſen</corr></choice> an der Saale</l><lb/><l>Ein Gut, wohin er gern entfloh</l><lb/><l>Der höfiſchen Kabale.</l><lb/><l>Die Wirthſchaft dort beſorgt ein treuer</l><lb/><l>Verſtändiger und frommer Meier.</l></lg><lb/>
Dies genüge. Dieſelbe Ballade weiſt übrigens viel ſchlimmere<lb/>
Strophen auf. Keine Dichtungsart vielleicht kann die <hirendition="#g">Verwechs-<lb/>
lung von Einfach-natürlichem mit Hausbacken-pro-<lb/>ſaiſchem</hi>ſo wenig ertragen wie die Ballade.</p><lb/><p>Schmidt von Werneuchen war kein Sonettiſt und noch weni-<lb/>
ger ein Minſtrel, der es verſtanden hätte, bei den Feſtmahlen<lb/>
alter Häuptlinge die heroiſchen Sagen des Clan’s zu ſingen, aber<lb/>
er war ein Naturbeobachter und Naturbeſchreiber trotz einem.<lb/>
Nicht die Geßner’ſche Idylle war ſeine Stärke, bei den Niederländern<lb/>ſchien er in die Schule gegangen zu ſein, und wenn Friedrich<lb/>
Wilhelm <hirendition="#aq">I.</hi> einmal ausrufen durfte: „ich hab’ ein treu-Holländiſch<lb/>
Herz,“ſo durfte Schmidt von Werneuchen ſagen: „ich hab ein<lb/>
gut-Hollländiſch Aug’.“ Und wirklich, jetzt, wo man es liebt, die<lb/>
Künſtler dadurch zu charakteriſiren, daß man ſie mit hervorragenden<lb/>
Erſcheinungen einer verwandten Kunſt vergleicht, möcht’ es geſtattet<lb/>ſein, Schmidt von Werneuchen einen märkiſchen Adrian von Oſtade<lb/>
zu nennen. Beide haben in „Bauernhochzeiten“ excellirt.</p><lb/><p>Aber dieſe „Bauernhochzeiten“ unſers märkiſchen Poeten waren<lb/>
doch, der Geſammtheit ſeines Schaffens gegenüber, nur die <hirendition="#g">Staf-<lb/>
fage</hi>; er konnte ein Genremaler ſein, wenn ihm der Sinn danach<lb/>ſtand, vor Allem indeß war er ein <hirendition="#g">Landſchafter</hi>, oft freilich nur<lb/>
ein grober Realiſt der die Natur rein äußerlich abſchrieb, oft aber<lb/>
auch ein feinfühliger Künſtler, der ſich auf die leiſeſten land-<lb/>ſchaftlichen Stimmungen, auf den Ton und alle ſeine Nüancen ver-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">15*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[227/0243]
Augenblick an das wirkliche Lebendigſein dieſer ſeiner Figuren
glaubte. So kam es, daß er in dieſer Dichtungsart beſtändig den
bekannten einen Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen that
und uns ſtatt erſchütternder Geſtalten bloße Karrikaturen vorführte.
Um wenigſtens eine Belagsſtelle für dies mein Urtheil zu citiren,
laß ich hier die erſte Strophe der Spuk-Ballade „Graf Königs-
mark und ſein Verwalter“ folgen:
Graf Königsmark hatt’ irgendwo
In Sachſen an der Saale
Ein Gut, wohin er gern entfloh
Der höfiſchen Kabale.
Die Wirthſchaft dort beſorgt ein treuer
Verſtändiger und frommer Meier.
Dies genüge. Dieſelbe Ballade weiſt übrigens viel ſchlimmere
Strophen auf. Keine Dichtungsart vielleicht kann die Verwechs-
lung von Einfach-natürlichem mit Hausbacken-pro-
ſaiſchem ſo wenig ertragen wie die Ballade.
Schmidt von Werneuchen war kein Sonettiſt und noch weni-
ger ein Minſtrel, der es verſtanden hätte, bei den Feſtmahlen
alter Häuptlinge die heroiſchen Sagen des Clan’s zu ſingen, aber
er war ein Naturbeobachter und Naturbeſchreiber trotz einem.
Nicht die Geßner’ſche Idylle war ſeine Stärke, bei den Niederländern
ſchien er in die Schule gegangen zu ſein, und wenn Friedrich
Wilhelm I. einmal ausrufen durfte: „ich hab’ ein treu-Holländiſch
Herz,“ ſo durfte Schmidt von Werneuchen ſagen: „ich hab ein
gut-Hollländiſch Aug’.“ Und wirklich, jetzt, wo man es liebt, die
Künſtler dadurch zu charakteriſiren, daß man ſie mit hervorragenden
Erſcheinungen einer verwandten Kunſt vergleicht, möcht’ es geſtattet
ſein, Schmidt von Werneuchen einen märkiſchen Adrian von Oſtade
zu nennen. Beide haben in „Bauernhochzeiten“ excellirt.
Aber dieſe „Bauernhochzeiten“ unſers märkiſchen Poeten waren
doch, der Geſammtheit ſeines Schaffens gegenüber, nur die Staf-
fage; er konnte ein Genremaler ſein, wenn ihm der Sinn danach
ſtand, vor Allem indeß war er ein Landſchafter, oft freilich nur
ein grober Realiſt der die Natur rein äußerlich abſchrieb, oft aber
auch ein feinfühliger Künſtler, der ſich auf die leiſeſten land-
ſchaftlichen Stimmungen, auf den Ton und alle ſeine Nüancen ver-
15*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/243>, abgerufen am 17.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.