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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Das war das Vergnügen an der Fahrt, viel vergnüglicher als
die Vergnügungslokale, die mit ihren grasgrünen Staketenzäunen
halbverschneit am Wege lagen.

Endlich hielten wir am Ende des Dorfes und der Um-
spannungs-Moment war nun für mich da: Schusters Rappen mußt'
aus dem Stall. Er war's auch zufrieden, und willig und guter
Dinge zog ich "fürbaß," unangefochten von der Oede der Land-
schaft. Aus den Schneemassen, die die Felder zu beiden Seiten
deckten, wuchsen nur ein paar vertrocknete Grashalme auf und
zitterten im Winde, während die Chaussee-Pappeln wie nach oben
gekehrte Riesenbesen dastanden. Aber so trist und öde die Land-
schaft war, so voller Leben war die große Straße darauf ich
ging, denn in langer Reihe folgten sich die Gespanne, die
von den benachbarten Seeen her hochaufgethürmte Eismassen zur
Stadt fuhren.

"Nach Malchow?" fragt' ich, um mich des Weges zu ver-
gewissern.

"Joa; 't nächste Dörp."

Und in der That, nicht lange so wurd auch der kurze Laternen-
thurm zwischen den Pappelweiden sichtbar und unter einem Schlag-
baume fort, der hier noch aus den Tagen der Hebestellen her sein
Dasein fristete, hielt ich meinen Einzug.

"Wo wohnt der Lehrer?"

Ein junges Frauenzimmer, an das ich die Frage gerichtet
hatte, trat mit einer für märkische Verhältnisse bemerkenswerthen
Raschheit von der Hausschwelle her auf den Damm und sagte:
"Da; das rothe Haus."

""Gegenüber der Kirche?""

"Ja."

Und damit schloß unser Gespräch. Ich dankte für gütigen
Bescheid und schritt auf das rothe Haus zu, freudig gehoben in
meinem Gemüth und wie Ibykus "des Gottes voll." Nicht ge-
rade von Liedern, aber doch von Hoffnungen und Bildern. Ich
sah schon die verfallene Grufttreppe sammt den drei Särgen vor
mir und las dem alten Minister seine mit ins Grab genommenen
Geheimnisse von der Stirn herunter. Entdeckungen schossen auf
wie die Knospen nach einem Frühlingsregen.

Das war das Vergnügen an der Fahrt, viel vergnüglicher als
die Vergnügungslokale, die mit ihren grasgrünen Staketenzäunen
halbverſchneit am Wege lagen.

Endlich hielten wir am Ende des Dorfes und der Um-
ſpannungs-Moment war nun für mich da: Schuſters Rappen mußt’
aus dem Stall. Er war’s auch zufrieden, und willig und guter
Dinge zog ich „fürbaß,“ unangefochten von der Oede der Land-
ſchaft. Aus den Schneemaſſen, die die Felder zu beiden Seiten
deckten, wuchſen nur ein paar vertrocknete Grashalme auf und
zitterten im Winde, während die Chauſſee-Pappeln wie nach oben
gekehrte Rieſenbeſen daſtanden. Aber ſo triſt und öde die Land-
ſchaft war, ſo voller Leben war die große Straße darauf ich
ging, denn in langer Reihe folgten ſich die Geſpanne, die
von den benachbarten Seeen her hochaufgethürmte Eismaſſen zur
Stadt fuhren.

„Nach Malchow?“ fragt’ ich, um mich des Weges zu ver-
gewiſſern.

„Joa; ’t nächſte Dörp.“

Und in der That, nicht lange ſo wurd auch der kurze Laternen-
thurm zwiſchen den Pappelweiden ſichtbar und unter einem Schlag-
baume fort, der hier noch aus den Tagen der Hebeſtellen her ſein
Daſein friſtete, hielt ich meinen Einzug.

„Wo wohnt der Lehrer?“

Ein junges Frauenzimmer, an das ich die Frage gerichtet
hatte, trat mit einer für märkiſche Verhältniſſe bemerkenswerthen
Raſchheit von der Hausſchwelle her auf den Damm und ſagte:
„Da; das rothe Haus.“

„„Gegenüber der Kirche?““

„Ja.“

Und damit ſchloß unſer Geſpräch. Ich dankte für gütigen
Beſcheid und ſchritt auf das rothe Haus zu, freudig gehoben in
meinem Gemüth und wie Ibykus „des Gottes voll.“ Nicht ge-
rade von Liedern, aber doch von Hoffnungen und Bildern. Ich
ſah ſchon die verfallene Grufttreppe ſammt den drei Särgen vor
mir und las dem alten Miniſter ſeine mit ins Grab genommenen
Geheimniſſe von der Stirn herunter. Entdeckungen ſchoſſen auf
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[233/0249] Das war das Vergnügen an der Fahrt, viel vergnüglicher als die Vergnügungslokale, die mit ihren grasgrünen Staketenzäunen halbverſchneit am Wege lagen. Endlich hielten wir am Ende des Dorfes und der Um- ſpannungs-Moment war nun für mich da: Schuſters Rappen mußt’ aus dem Stall. Er war’s auch zufrieden, und willig und guter Dinge zog ich „fürbaß,“ unangefochten von der Oede der Land- ſchaft. Aus den Schneemaſſen, die die Felder zu beiden Seiten deckten, wuchſen nur ein paar vertrocknete Grashalme auf und zitterten im Winde, während die Chauſſee-Pappeln wie nach oben gekehrte Rieſenbeſen daſtanden. Aber ſo triſt und öde die Land- ſchaft war, ſo voller Leben war die große Straße darauf ich ging, denn in langer Reihe folgten ſich die Geſpanne, die von den benachbarten Seeen her hochaufgethürmte Eismaſſen zur Stadt fuhren. „Nach Malchow?“ fragt’ ich, um mich des Weges zu ver- gewiſſern. „Joa; ’t nächſte Dörp.“ Und in der That, nicht lange ſo wurd auch der kurze Laternen- thurm zwiſchen den Pappelweiden ſichtbar und unter einem Schlag- baume fort, der hier noch aus den Tagen der Hebeſtellen her ſein Daſein friſtete, hielt ich meinen Einzug. „Wo wohnt der Lehrer?“ Ein junges Frauenzimmer, an das ich die Frage gerichtet hatte, trat mit einer für märkiſche Verhältniſſe bemerkenswerthen Raſchheit von der Hausſchwelle her auf den Damm und ſagte: „Da; das rothe Haus.“ „„Gegenüber der Kirche?““ „Ja.“ Und damit ſchloß unſer Geſpräch. Ich dankte für gütigen Beſcheid und ſchritt auf das rothe Haus zu, freudig gehoben in meinem Gemüth und wie Ibykus „des Gottes voll.“ Nicht ge- rade von Liedern, aber doch von Hoffnungen und Bildern. Ich ſah ſchon die verfallene Grufttreppe ſammt den drei Särgen vor mir und las dem alten Miniſter ſeine mit ins Grab genommenen Geheimniſſe von der Stirn herunter. Entdeckungen ſchoſſen auf wie die Knospen nach einem Frühlingsregen.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/249>, abgerufen am 22.11.2024.