jener Epoche behaupten, daß die Regierenden zu den Besitzenden gehörten und daß die Besitzenden wiederum in der Regierung saßen. Die Mit- glieder des geheimen Rathes scheinen durchgängig im Wohlstande gewesen zu sein. Der Wege zu solchem gab es, abgesehen von Geburt und Heirath, verschiedene: Ausstattung mit heimgefallenen Lehngütern seitens des Kurfürsten, sogenannte Dotationen; in andern Fällen bedeutender Kriegsgewinn (wie denn beispielsweise dem General v. Schöning eine auf 40,000 Thaler Lösegeld zu veranschlagende Anzahl gefangener Juden zufiel) und endlich Ver- einigung mehrerer Aemter in einer Person. So bezog Fuchs, als Oberpostdirektor, eine jährliche Zulage zu seinem anderweitigen Gehalt und außerdem den zwanzigsten Theil aller in Berlin auf- kommenden Postgelder. Aus eben diesen Erträgen war es, daß er in den Besitz von Malchow gelangte."
So F. v. Salpius. Und noch eingehender dann an anderer Stelle: "Der höhere Staatsdienst, und zwar aus den vorange- führten Gründen, war ein mehr lohnender Beruf als jetzt, und die Geheimräthe vergaßen über den staatlichen Interessen nicht die ihrigen. Dazu gewährte der Fürsten- und Staatsdienst ein größeres Ansehen als heutzutage, wo der Ehrgeiz auch anderweitig sein Feld der Bethätigung findet. Aber mit der Wahrnehmung des eigenen Vortheils ging doch immer zugleich auch die strengste Pflichter- füllung Hand in Hand. Sie lebten, wie der Große Churfürst selbst, der Ueberzeugung, daß sie vor allem zur Erhaltung der Machtstellung des Staates das Ihrige beizutragen hätten. Neben diesem Zuge springt vor allem ihre Vielseitigkeit und Findigkeit ins Auge. Dieselbe beruhte zum Theil auf der verhältnißmäßigen Einfachheit der damaligen Zustände, nicht minder aber auf ihrer persönlichen Vorbildung, Spannkraft und Beweglichkeit. Die Mitglieder des geheimen Raths hatten schon als Jünglinge auf Reisen mannigfache Kenntnisse gesammelt; im Staatsdienste tum- melten sie sich bald hier bald dort, arbeiteten sich bald in dieses, bald in jenes Fach ein. Das bewahrte sie vor jeder geistigen Verkümmerung, sie blieben stets frisch und erfreuten sich fast immer eines guten Humors. Hierfür sprechen ihre lebens- vollen, mit anschaulichen Bildern durchwobenen amtlichen Berichte und Reden, welche den Charakter der Ursprünglichkeit, oft den der
jener Epoche behaupten, daß die Regierenden zu den Beſitzenden gehörten und daß die Beſitzenden wiederum in der Regierung ſaßen. Die Mit- glieder des geheimen Rathes ſcheinen durchgängig im Wohlſtande geweſen zu ſein. Der Wege zu ſolchem gab es, abgeſehen von Geburt und Heirath, verſchiedene: Ausſtattung mit heimgefallenen Lehngütern ſeitens des Kurfürſten, ſogenannte Dotationen; in andern Fällen bedeutender Kriegsgewinn (wie denn beiſpielsweiſe dem General v. Schöning eine auf 40,000 Thaler Löſegeld zu veranſchlagende Anzahl gefangener Juden zufiel) und endlich Ver- einigung mehrerer Aemter in einer Perſon. So bezog Fuchs, als Oberpoſtdirektor, eine jährliche Zulage zu ſeinem anderweitigen Gehalt und außerdem den zwanzigſten Theil aller in Berlin auf- kommenden Poſtgelder. Aus eben dieſen Erträgen war es, daß er in den Beſitz von Malchow gelangte.“
So F. v. Salpius. Und noch eingehender dann an anderer Stelle: „Der höhere Staatsdienſt, und zwar aus den vorange- führten Gründen, war ein mehr lohnender Beruf als jetzt, und die Geheimräthe vergaßen über den ſtaatlichen Intereſſen nicht die ihrigen. Dazu gewährte der Fürſten- und Staatsdienſt ein größeres Anſehen als heutzutage, wo der Ehrgeiz auch anderweitig ſein Feld der Bethätigung findet. Aber mit der Wahrnehmung des eigenen Vortheils ging doch immer zugleich auch die ſtrengſte Pflichter- füllung Hand in Hand. Sie lebten, wie der Große Churfürſt ſelbſt, der Ueberzeugung, daß ſie vor allem zur Erhaltung der Machtſtellung des Staates das Ihrige beizutragen hätten. Neben dieſem Zuge ſpringt vor allem ihre Vielſeitigkeit und Findigkeit ins Auge. Dieſelbe beruhte zum Theil auf der verhältnißmäßigen Einfachheit der damaligen Zuſtände, nicht minder aber auf ihrer perſönlichen Vorbildung, Spannkraft und Beweglichkeit. Die Mitglieder des geheimen Raths hatten ſchon als Jünglinge auf Reiſen mannigfache Kenntniſſe geſammelt; im Staatsdienſte tum- melten ſie ſich bald hier bald dort, arbeiteten ſich bald in dieſes, bald in jenes Fach ein. Das bewahrte ſie vor jeder geiſtigen Verkümmerung, ſie blieben ſtets friſch und erfreuten ſich faſt immer eines guten Humors. Hierfür ſprechen ihre lebens- vollen, mit anſchaulichen Bildern durchwobenen amtlichen Berichte und Reden, welche den Charakter der Urſprünglichkeit, oft den der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0256"n="240"/>
jener Epoche behaupten, daß die Regierenden zu den Beſitzenden gehörten<lb/>
und daß die Beſitzenden wiederum in der Regierung ſaßen. Die Mit-<lb/>
glieder des geheimen Rathes ſcheinen durchgängig im Wohlſtande<lb/>
geweſen zu ſein. Der Wege zu ſolchem gab es, abgeſehen von<lb/>
Geburt und Heirath, verſchiedene: Ausſtattung mit heimgefallenen<lb/>
Lehngütern ſeitens des Kurfürſten, ſogenannte Dotationen; in<lb/>
andern Fällen bedeutender Kriegsgewinn (wie denn beiſpielsweiſe<lb/>
dem General v. Schöning eine auf 40,000 Thaler <hirendition="#g">Löſegeld</hi> zu<lb/>
veranſchlagende Anzahl gefangener Juden zufiel) und endlich Ver-<lb/>
einigung mehrerer Aemter in einer Perſon. So bezog <hirendition="#g">Fuchs</hi>,<lb/>
als Oberpoſtdirektor, eine jährliche Zulage zu ſeinem anderweitigen<lb/>
Gehalt und außerdem den zwanzigſten Theil aller in Berlin auf-<lb/>
kommenden Poſtgelder. Aus eben dieſen Erträgen war es, daß er<lb/>
in den Beſitz von Malchow gelangte.“</p><lb/><p>So F. v. Salpius. Und noch eingehender dann an anderer<lb/>
Stelle: „Der höhere Staatsdienſt, und zwar aus den vorange-<lb/>
führten Gründen, war ein mehr lohnender Beruf als <hirendition="#g">jetzt</hi>, und<lb/>
die Geheimräthe vergaßen über den ſtaatlichen Intereſſen nicht die<lb/>
ihrigen. Dazu gewährte der Fürſten- und Staatsdienſt ein größeres<lb/>
Anſehen als heutzutage, wo der Ehrgeiz auch anderweitig ſein Feld<lb/>
der Bethätigung findet. Aber mit der Wahrnehmung des eigenen<lb/>
Vortheils ging doch immer zugleich auch die ſtrengſte Pflichter-<lb/>
füllung Hand in Hand. Sie lebten, wie der Große Churfürſt<lb/>ſelbſt, der Ueberzeugung, daß ſie vor allem zur Erhaltung der<lb/>
Machtſtellung des Staates das Ihrige beizutragen hätten. Neben<lb/>
dieſem Zuge ſpringt vor allem ihre Vielſeitigkeit und Findigkeit<lb/>
ins Auge. Dieſelbe beruhte zum Theil auf der verhältnißmäßigen<lb/>
Einfachheit der damaligen Zuſtände, nicht minder aber auf ihrer<lb/>
perſönlichen Vorbildung, Spannkraft und Beweglichkeit. Die<lb/>
Mitglieder des geheimen Raths hatten ſchon als Jünglinge auf<lb/>
Reiſen mannigfache Kenntniſſe geſammelt; im Staatsdienſte tum-<lb/>
melten ſie ſich bald hier bald dort, arbeiteten ſich bald in dieſes,<lb/>
bald in jenes Fach ein. Das bewahrte ſie vor jeder geiſtigen<lb/>
Verkümmerung, ſie blieben ſtets friſch und <hirendition="#g">erfreuten ſich faſt<lb/>
immer eines guten Humors</hi>. Hierfür ſprechen ihre lebens-<lb/>
vollen, mit anſchaulichen Bildern durchwobenen amtlichen Berichte<lb/>
und Reden, welche den Charakter der Urſprünglichkeit, oft den der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[240/0256]
jener Epoche behaupten, daß die Regierenden zu den Beſitzenden gehörten
und daß die Beſitzenden wiederum in der Regierung ſaßen. Die Mit-
glieder des geheimen Rathes ſcheinen durchgängig im Wohlſtande
geweſen zu ſein. Der Wege zu ſolchem gab es, abgeſehen von
Geburt und Heirath, verſchiedene: Ausſtattung mit heimgefallenen
Lehngütern ſeitens des Kurfürſten, ſogenannte Dotationen; in
andern Fällen bedeutender Kriegsgewinn (wie denn beiſpielsweiſe
dem General v. Schöning eine auf 40,000 Thaler Löſegeld zu
veranſchlagende Anzahl gefangener Juden zufiel) und endlich Ver-
einigung mehrerer Aemter in einer Perſon. So bezog Fuchs,
als Oberpoſtdirektor, eine jährliche Zulage zu ſeinem anderweitigen
Gehalt und außerdem den zwanzigſten Theil aller in Berlin auf-
kommenden Poſtgelder. Aus eben dieſen Erträgen war es, daß er
in den Beſitz von Malchow gelangte.“
So F. v. Salpius. Und noch eingehender dann an anderer
Stelle: „Der höhere Staatsdienſt, und zwar aus den vorange-
führten Gründen, war ein mehr lohnender Beruf als jetzt, und
die Geheimräthe vergaßen über den ſtaatlichen Intereſſen nicht die
ihrigen. Dazu gewährte der Fürſten- und Staatsdienſt ein größeres
Anſehen als heutzutage, wo der Ehrgeiz auch anderweitig ſein Feld
der Bethätigung findet. Aber mit der Wahrnehmung des eigenen
Vortheils ging doch immer zugleich auch die ſtrengſte Pflichter-
füllung Hand in Hand. Sie lebten, wie der Große Churfürſt
ſelbſt, der Ueberzeugung, daß ſie vor allem zur Erhaltung der
Machtſtellung des Staates das Ihrige beizutragen hätten. Neben
dieſem Zuge ſpringt vor allem ihre Vielſeitigkeit und Findigkeit
ins Auge. Dieſelbe beruhte zum Theil auf der verhältnißmäßigen
Einfachheit der damaligen Zuſtände, nicht minder aber auf ihrer
perſönlichen Vorbildung, Spannkraft und Beweglichkeit. Die
Mitglieder des geheimen Raths hatten ſchon als Jünglinge auf
Reiſen mannigfache Kenntniſſe geſammelt; im Staatsdienſte tum-
melten ſie ſich bald hier bald dort, arbeiteten ſich bald in dieſes,
bald in jenes Fach ein. Das bewahrte ſie vor jeder geiſtigen
Verkümmerung, ſie blieben ſtets friſch und erfreuten ſich faſt
immer eines guten Humors. Hierfür ſprechen ihre lebens-
vollen, mit anſchaulichen Bildern durchwobenen amtlichen Berichte
und Reden, welche den Charakter der Urſprünglichkeit, oft den der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/256>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.