Ich hatt als Kind eine Tanne lieb, Die groß und einsam übrig blieb An flachem Wiesensaume.
Laufkäfer hasten durchs Gesträuch In ihren goldnen Panzerröckchen, Die Bienen hängen Zweig um Zweig Sich an der Edelhaide Glöckchen; Die Kräuter blühn; der Haideduft Steigt in die blaue Sommerluft. Th. Storm.
Am Ausgange der Liebenberger Haide, zur Linken des Flüßchens Loecknitz, das hier die Grenze zwischen dem Lande Lebus und dem Nieder-Barnim zieht, liegt das Dorf Kienbaum.
Seinen Namen hat es, allgemeiner Annahme nach, von einem Kienbaum, der ehedem inmitten des Dorfes stand und bis in die früheste Zeit deutscher Colonisirung zurückreichte. Man ließ ihn damals bei der Ausrodung der Waldstelle stehn und während der Baum selber immer neue Jahresringe anlegte, legten sich neue Häuser und Hütten um den ursprünglichen Ansiedlungs-Kern herum. Jahrhunderte lang hielt man ihn als Pathen, der dem Dorfe den Namen gegeben, in besonderen Ehren und kaum 40 Jahre mögen vergangen sein, daß er umgehauen wurde. Das ganze Dorf sträubte sich dagegen, aber die selbstsüchtige Beharr- lichkeit des Hofbesitzers, auf dessen Grundstück die "Kiehne" stand, blieb doch Sieger und so fiel denn schließlich das Wahrzeichen des
Kienbaum.
Ich hatt als Kind eine Tanne lieb, Die groß und einſam übrig blieb An flachem Wieſenſaume.
Laufkäfer haſten durchs Geſträuch In ihren goldnen Panzerröckchen, Die Bienen hängen Zweig um Zweig Sich an der Edelhaide Glöckchen; Die Kräuter blühn; der Haideduft Steigt in die blaue Sommerluft. Th. Storm.
Am Ausgange der Liebenberger Haide, zur Linken des Flüßchens Loecknitz, das hier die Grenze zwiſchen dem Lande Lebus und dem Nieder-Barnim zieht, liegt das Dorf Kienbaum.
Seinen Namen hat es, allgemeiner Annahme nach, von einem Kienbaum, der ehedem inmitten des Dorfes ſtand und bis in die früheſte Zeit deutſcher Coloniſirung zurückreichte. Man ließ ihn damals bei der Ausrodung der Waldſtelle ſtehn und während der Baum ſelber immer neue Jahresringe anlegte, legten ſich neue Häuſer und Hütten um den urſprünglichen Anſiedlungs-Kern herum. Jahrhunderte lang hielt man ihn als Pathen, der dem Dorfe den Namen gegeben, in beſonderen Ehren und kaum 40 Jahre mögen vergangen ſein, daß er umgehauen wurde. Das ganze Dorf ſträubte ſich dagegen, aber die ſelbſtſüchtige Beharr- lichkeit des Hofbeſitzers, auf deſſen Grundſtück die „Kiehne“ ſtand, blieb doch Sieger und ſo fiel denn ſchließlich das Wahrzeichen des
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Kienbaum.
Ich hatt als Kind eine Tanne lieb,
Die groß und einſam übrig blieb
An flachem Wieſenſaume.
Laufkäfer haſten durchs Geſträuch
In ihren goldnen Panzerröckchen,
Die Bienen hängen Zweig um Zweig
Sich an der Edelhaide Glöckchen;
Die Kräuter blühn; der Haideduft
Steigt in die blaue Sommerluft.
Th. Storm.
Am Ausgange der Liebenberger Haide, zur Linken des Flüßchens
Loecknitz, das hier die Grenze zwiſchen dem Lande Lebus und dem
Nieder-Barnim zieht, liegt das Dorf Kienbaum.
Seinen Namen hat es, allgemeiner Annahme nach, von einem
Kienbaum, der ehedem inmitten des Dorfes ſtand und bis in
die früheſte Zeit deutſcher Coloniſirung zurückreichte. Man ließ
ihn damals bei der Ausrodung der Waldſtelle ſtehn und während
der Baum ſelber immer neue Jahresringe anlegte, legten ſich neue
Häuſer und Hütten um den urſprünglichen Anſiedlungs-Kern
herum. Jahrhunderte lang hielt man ihn als Pathen, der dem
Dorfe den Namen gegeben, in beſonderen Ehren und kaum 40
Jahre mögen vergangen ſein, daß er umgehauen wurde. Das
ganze Dorf ſträubte ſich dagegen, aber die ſelbſtſüchtige Beharr-
lichkeit des Hofbeſitzers, auf deſſen Grundſtück die „Kiehne“ ſtand,
blieb doch Sieger und ſo fiel denn ſchließlich das Wahrzeichen des
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. [242]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/258>, abgerufen am 22.11.2024.
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