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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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lang zogen sich Werft und Haselbüsche, die den Bienen im
April schon eine bevorzugte Nahrung boten; im Mai dann
begannen sommerlang die Wiesen zu blühn, bis endlich, von Monat
August an, die weiten Haidekrautstrecken -- gelegentlicher weißer
Kleefelder ganz zu geschweigen -- eine fast nicht auszunutzende
Bezugs- und Nahrungsquelle schufen.

Und wirklich, die daraus resultirenden Erträge waren zu Zeiten
sehr bedeutend, und das Dorf, das fast aus lauter Zeidlern und
Beutnern bestand, erfreute sich, trotz seiner Ackerarmuth, einer
gewissen Wohlhabenheit. Der Schulzenhof hatte 99 Stöcke und
so im Verhältniß bis zum Büdner und Tagelöhner herab. Ein
Stock entsprach in guten Jahren einem Eimer Honig und den
Eimer zu 10 Quart gerechnet, hätte der Schulzenhof in guten
Jahren 990 Quart Honig gewonnen.

Von dieser Höhe nun ist Kienbaum freilich längst herabge-
stiegen. Der Bienenconvent tagt nicht mehr inmitten des Dorfs
und der Schulzenhof, der es sonst bis auf 99 Körbe brachte, be-
gnügt sich jetzt mit 9. Der gewonnene Honig hat längst aufge-
hört ein Handelsartikel zu sein und spielt nur noch die Rolle
des Surrogats. Er vertritt die Butter, die (beinah mehr noch
als der Zucker) in einem armen Sand- und Haidedorfe, das seinen
Viehstand schwer über eine Schafheerde hinaus bringt, begreiflicher-
weise zu den Luxusartikeln zählt.

Das alte Wahrzeichen Kienbaum's ist hin und seine Bienen-
herrlichkeit nicht minder, aber an die letztre erinnert noch man-
cherlei. Die Lokalität ist eben im Wesentlichen dieselbe geblieben.
Noch steht der Wald, noch blüht das Haidekraut roth über die
Haide hin und noch schlängelt sich die Löcknitz durch üppige Wiesen,
deren größte und bunteste bis diesen Tag den Namen der Zei-
delwiese
führt. Vielleicht, daß auch dies bald anders wird.
Aber wenn auch Nam' und Sache ganz hinschwinden sollte, das

Brücken, die den bequemen Wald- und Wiesenweg vom rechten auf's linke
und dann wieder vom linken auf's rechte Ufer führen. Selbst die Namen
werden poetisch: Alt-Buchhorst und Liebenberg, Klein-Wall und Gottesbrück
und der Werl- und Mölln-See dazwischen. Unmittelbar dahinter aber beginnt
wieder die Prosa und schon die nächste große Wasserfläche heißt "der Dämeritz".

lang zogen ſich Werft und Haſelbüſche, die den Bienen im
April ſchon eine bevorzugte Nahrung boten; im Mai dann
begannen ſommerlang die Wieſen zu blühn, bis endlich, von Monat
Auguſt an, die weiten Haidekrautſtrecken — gelegentlicher weißer
Kleefelder ganz zu geſchweigen — eine faſt nicht auszunutzende
Bezugs- und Nahrungsquelle ſchufen.

Und wirklich, die daraus reſultirenden Erträge waren zu Zeiten
ſehr bedeutend, und das Dorf, das faſt aus lauter Zeidlern und
Beutnern beſtand, erfreute ſich, trotz ſeiner Ackerarmuth, einer
gewiſſen Wohlhabenheit. Der Schulzenhof hatte 99 Stöcke und
ſo im Verhältniß bis zum Büdner und Tagelöhner herab. Ein
Stock entſprach in guten Jahren einem Eimer Honig und den
Eimer zu 10 Quart gerechnet, hätte der Schulzenhof in guten
Jahren 990 Quart Honig gewonnen.

Von dieſer Höhe nun iſt Kienbaum freilich längſt herabge-
ſtiegen. Der Bienenconvent tagt nicht mehr inmitten des Dorfs
und der Schulzenhof, der es ſonſt bis auf 99 Körbe brachte, be-
gnügt ſich jetzt mit 9. Der gewonnene Honig hat längſt aufge-
hört ein Handelsartikel zu ſein und ſpielt nur noch die Rolle
des Surrogats. Er vertritt die Butter, die (beinah mehr noch
als der Zucker) in einem armen Sand- und Haidedorfe, das ſeinen
Viehſtand ſchwer über eine Schafheerde hinaus bringt, begreiflicher-
weiſe zu den Luxusartikeln zählt.

Das alte Wahrzeichen Kienbaum’s iſt hin und ſeine Bienen-
herrlichkeit nicht minder, aber an die letztre erinnert noch man-
cherlei. Die Lokalität iſt eben im Weſentlichen dieſelbe geblieben.
Noch ſteht der Wald, noch blüht das Haidekraut roth über die
Haide hin und noch ſchlängelt ſich die Löcknitz durch üppige Wieſen,
deren größte und bunteſte bis dieſen Tag den Namen der Zei-
delwieſe
führt. Vielleicht, daß auch dies bald anders wird.
Aber wenn auch Nam’ und Sache ganz hinſchwinden ſollte, das

Brücken, die den bequemen Wald- und Wieſenweg vom rechten auf’s linke
und dann wieder vom linken auf’s rechte Ufer führen. Selbſt die Namen
werden poetiſch: Alt-Buchhorſt und Liebenberg, Klein-Wall und Gottesbrück
und der Werl- und Mölln-See dazwiſchen. Unmittelbar dahinter aber beginnt
wieder die Proſa und ſchon die nächſte große Waſſerfläche heißt „der Dämeritz“.
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[247/0263] lang zogen ſich Werft und Haſelbüſche, die den Bienen im April ſchon eine bevorzugte Nahrung boten; im Mai dann begannen ſommerlang die Wieſen zu blühn, bis endlich, von Monat Auguſt an, die weiten Haidekrautſtrecken — gelegentlicher weißer Kleefelder ganz zu geſchweigen — eine faſt nicht auszunutzende Bezugs- und Nahrungsquelle ſchufen. Und wirklich, die daraus reſultirenden Erträge waren zu Zeiten ſehr bedeutend, und das Dorf, das faſt aus lauter Zeidlern und Beutnern beſtand, erfreute ſich, trotz ſeiner Ackerarmuth, einer gewiſſen Wohlhabenheit. Der Schulzenhof hatte 99 Stöcke und ſo im Verhältniß bis zum Büdner und Tagelöhner herab. Ein Stock entſprach in guten Jahren einem Eimer Honig und den Eimer zu 10 Quart gerechnet, hätte der Schulzenhof in guten Jahren 990 Quart Honig gewonnen. Von dieſer Höhe nun iſt Kienbaum freilich längſt herabge- ſtiegen. Der Bienenconvent tagt nicht mehr inmitten des Dorfs und der Schulzenhof, der es ſonſt bis auf 99 Körbe brachte, be- gnügt ſich jetzt mit 9. Der gewonnene Honig hat längſt aufge- hört ein Handelsartikel zu ſein und ſpielt nur noch die Rolle des Surrogats. Er vertritt die Butter, die (beinah mehr noch als der Zucker) in einem armen Sand- und Haidedorfe, das ſeinen Viehſtand ſchwer über eine Schafheerde hinaus bringt, begreiflicher- weiſe zu den Luxusartikeln zählt. Das alte Wahrzeichen Kienbaum’s iſt hin und ſeine Bienen- herrlichkeit nicht minder, aber an die letztre erinnert noch man- cherlei. Die Lokalität iſt eben im Weſentlichen dieſelbe geblieben. Noch ſteht der Wald, noch blüht das Haidekraut roth über die Haide hin und noch ſchlängelt ſich die Löcknitz durch üppige Wieſen, deren größte und bunteſte bis dieſen Tag den Namen der Zei- delwieſe führt. Vielleicht, daß auch dies bald anders wird. Aber wenn auch Nam’ und Sache ganz hinſchwinden ſollte, das *) *) Brücken, die den bequemen Wald- und Wieſenweg vom rechten auf’s linke und dann wieder vom linken auf’s rechte Ufer führen. Selbſt die Namen werden poetiſch: Alt-Buchhorſt und Liebenberg, Klein-Wall und Gottesbrück und der Werl- und Mölln-See dazwiſchen. Unmittelbar dahinter aber beginnt wieder die Proſa und ſchon die nächſte große Waſſerfläche heißt „der Dämeritz“.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/263>, abgerufen am 22.11.2024.