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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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wurde, starb bald, und die Kränkungen, die das Auftreten Allborns
im Geleite hatte, zehrten immer mehr an Gesundheit und Leben
seiner nur zart gearteten Frau. Nicht frohe Tage waren diese
Mittenwalder Tage, selbst äußere Noth gesellte sich, und als der
auch jetzt noch in seinem Glauben und Hoffen unerschüttert Blei-
bende jenes Vertrauenslied anstimmte, das von Strophe zu Strophe
die Worte wiederholt: "Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb'
in Ewigkeit" da war das Herz der sonst frommen Frau bereits klein
und ängstlich genug geworden, um sich mißgestimmt und bitter fast
von einer Glaubenskraft abzuwenden, die weit über die Kraft ihres
eigenen schwachen Herzens hinausging. Tiefe Schwermuth ergriff
sie. Paul Gerhardt selbst aber, in jener Freudigkeit der Seele,
wie sie das Vorgefühl eines nahen Sieges und endlicher Erhö-
rung leiht, schlug seine Bibel auf und las die Worte des Psal-
misten: "Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn: er
wird's wohl machen". Und einem Funken gleich fiel das Wort
in seine Brust. Er mußte freier aufathmen, die Stube ward ihm
zu eng, und auf- und abschreitend in den Gängen des alten Probstei-
gartens, entquollen ihm die ersten Strophen zu jenem großen
Trostes- und Vertrauensliede: "Befiehl Du Deine Wege".

Bewegt aber auch erhoben ging er in das Haus zurück, em-
pfand er sich doch als Träger einer Botschaft, der kein Herz wider-
stehen könne. Und siehe da, an der schwermüthigen Stimmung
seiner Frau erprobte das Lied zum ersten Male seine wunderbare
Kraft. Alles Leid floß hin in Thränen, alle Trübsal wurde Licht,
und eh' noch der Rausch gehobenster Empfindung vorüber war,
war auch schon die Hülfe da -- ein Abgesandter, ein Brief, der
den Mittenwalder Probst als Diaconus an die Berliner Nicolai-
kirche berief. Er reichte seiner Hausfrau das Schreiben und sagte
ruhig: "Siehe wie Gott sorget. Befiehl dem Herrn Deine
Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohl machen
."

Paul Gerhardt verließ Mittenwalde im Juli 1657. Dem
weitern Gange seines Lebens folgen wir an dieser Stelle nicht,
aber die Frage drängt sich auf: was ist der Stadt, in der einige
seiner schönsten Lieder entstanden, aus der Zeit seines Lebens und
Wirkens erhalten geblieben? sind noch Plätze da, die von ihm er-
zählen, und welche sind es?

wurde, ſtarb bald, und die Kränkungen, die das Auftreten Allborns
im Geleite hatte, zehrten immer mehr an Geſundheit und Leben
ſeiner nur zart gearteten Frau. Nicht frohe Tage waren dieſe
Mittenwalder Tage, ſelbſt äußere Noth geſellte ſich, und als der
auch jetzt noch in ſeinem Glauben und Hoffen unerſchüttert Blei-
bende jenes Vertrauenslied anſtimmte, das von Strophe zu Strophe
die Worte wiederholt: „Alles Ding währt ſeine Zeit, Gottes Lieb’
in Ewigkeit“ da war das Herz der ſonſt frommen Frau bereits klein
und ängſtlich genug geworden, um ſich mißgeſtimmt und bitter faſt
von einer Glaubenskraft abzuwenden, die weit über die Kraft ihres
eigenen ſchwachen Herzens hinausging. Tiefe Schwermuth ergriff
ſie. Paul Gerhardt ſelbſt aber, in jener Freudigkeit der Seele,
wie ſie das Vorgefühl eines nahen Sieges und endlicher Erhö-
rung leiht, ſchlug ſeine Bibel auf und las die Worte des Pſal-
miſten: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn: er
wird’s wohl machen“. Und einem Funken gleich fiel das Wort
in ſeine Bruſt. Er mußte freier aufathmen, die Stube ward ihm
zu eng, und auf- und abſchreitend in den Gängen des alten Probſtei-
gartens, entquollen ihm die erſten Strophen zu jenem großen
Troſtes- und Vertrauensliede: „Befiehl Du Deine Wege“.

Bewegt aber auch erhoben ging er in das Haus zurück, em-
pfand er ſich doch als Träger einer Botſchaft, der kein Herz wider-
ſtehen könne. Und ſiehe da, an der ſchwermüthigen Stimmung
ſeiner Frau erprobte das Lied zum erſten Male ſeine wunderbare
Kraft. Alles Leid floß hin in Thränen, alle Trübſal wurde Licht,
und eh’ noch der Rauſch gehobenſter Empfindung vorüber war,
war auch ſchon die Hülfe da — ein Abgeſandter, ein Brief, der
den Mittenwalder Probſt als Diaconus an die Berliner Nicolai-
kirche berief. Er reichte ſeiner Hausfrau das Schreiben und ſagte
ruhig: „Siehe wie Gott ſorget. Befiehl dem Herrn Deine
Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen
.“

Paul Gerhardt verließ Mittenwalde im Juli 1657. Dem
weitern Gange ſeines Lebens folgen wir an dieſer Stelle nicht,
aber die Frage drängt ſich auf: was iſt der Stadt, in der einige
ſeiner ſchönſten Lieder entſtanden, aus der Zeit ſeines Lebens und
Wirkens erhalten geblieben? ſind noch Plätze da, die von ihm er-
zählen, und welche ſind es?

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[277/0293] wurde, ſtarb bald, und die Kränkungen, die das Auftreten Allborns im Geleite hatte, zehrten immer mehr an Geſundheit und Leben ſeiner nur zart gearteten Frau. Nicht frohe Tage waren dieſe Mittenwalder Tage, ſelbſt äußere Noth geſellte ſich, und als der auch jetzt noch in ſeinem Glauben und Hoffen unerſchüttert Blei- bende jenes Vertrauenslied anſtimmte, das von Strophe zu Strophe die Worte wiederholt: „Alles Ding währt ſeine Zeit, Gottes Lieb’ in Ewigkeit“ da war das Herz der ſonſt frommen Frau bereits klein und ängſtlich genug geworden, um ſich mißgeſtimmt und bitter faſt von einer Glaubenskraft abzuwenden, die weit über die Kraft ihres eigenen ſchwachen Herzens hinausging. Tiefe Schwermuth ergriff ſie. Paul Gerhardt ſelbſt aber, in jener Freudigkeit der Seele, wie ſie das Vorgefühl eines nahen Sieges und endlicher Erhö- rung leiht, ſchlug ſeine Bibel auf und las die Worte des Pſal- miſten: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn: er wird’s wohl machen“. Und einem Funken gleich fiel das Wort in ſeine Bruſt. Er mußte freier aufathmen, die Stube ward ihm zu eng, und auf- und abſchreitend in den Gängen des alten Probſtei- gartens, entquollen ihm die erſten Strophen zu jenem großen Troſtes- und Vertrauensliede: „Befiehl Du Deine Wege“. Bewegt aber auch erhoben ging er in das Haus zurück, em- pfand er ſich doch als Träger einer Botſchaft, der kein Herz wider- ſtehen könne. Und ſiehe da, an der ſchwermüthigen Stimmung ſeiner Frau erprobte das Lied zum erſten Male ſeine wunderbare Kraft. Alles Leid floß hin in Thränen, alle Trübſal wurde Licht, und eh’ noch der Rauſch gehobenſter Empfindung vorüber war, war auch ſchon die Hülfe da — ein Abgeſandter, ein Brief, der den Mittenwalder Probſt als Diaconus an die Berliner Nicolai- kirche berief. Er reichte ſeiner Hausfrau das Schreiben und ſagte ruhig: „Siehe wie Gott ſorget. Befiehl dem Herrn Deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen.“ Paul Gerhardt verließ Mittenwalde im Juli 1657. Dem weitern Gange ſeines Lebens folgen wir an dieſer Stelle nicht, aber die Frage drängt ſich auf: was iſt der Stadt, in der einige ſeiner ſchönſten Lieder entſtanden, aus der Zeit ſeines Lebens und Wirkens erhalten geblieben? ſind noch Plätze da, die von ihm er- zählen, und welche ſind es?

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/293>, abgerufen am 22.11.2024.