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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Die Stadt bietet nichts. Das Probsteigebäude, das noch vor
einigen fünfzig Jahren bewohnt war, ist seitdem abgebrochen und selbst
der Garten, in dessen Gängen er muthmaßlich das "Befiehl Du
Deine Wege" dichtete, liegt, wüst geworden, ohne Zaun und Ein-
fassung zwischen zwei Nachbargärten.

Die Stadt bietet nichts mehr, wohl aber die Kirche. Dicht
unter seinem Bildniß, dessen ich bereits ausführlicher erwähnte,
sehen wir eine Steintafel in die Wand des Seitenschiffes einge-
lassen, die folgende Inschrift trägt: Maria Elisabeth -- Pauli
Gerhardt's, damaligen Probstes allhier zu Mittenwalde und Anna
Maria Bertholds erstgebohrnes, herzliebes Töchterlein, so zur
Welt kommen d. 19. Mai Anno 1656 und wieder abgeschieden
d. 14. Januar Anno 1657 -- hat allhier ihr Ruhebettlein und
dieses Täfflein von ihren lieben Eltern. Genesis 47. V. 9. "Wenig
und böse ist die Zeit meines Lebens." Ein grüner Kranz faßt
die Inschrift ein und Engelsköpfe schmücken die vier Ecken.

Neben Bildniß und Stein ist die Sakristeithür. In der
Sakristei selbst finden wir das alte Mittenwalder Kirchenbuch,
ein großes, nach Art der Bilderbibeln in Leder gebundenes Buch,
etwa dreihundert Jahr alt. Die Registrirungen in diesem Buch
aus der Zeit von 1651 bis Neujahr 1657 rühren alle von Paul
Gerhardt selber her. Seine Handschrift ist fest, dabei voll
Schwung und Schönheit. Seine Aufzeichnungen schließen mit dem
28. December 1656.

Bild und Stein und Buch, sie mahnen an sein Wandeln
und Wirken an dieser Stätte; fehlten aber auch diese Dinge, die
seinen Namen oder die Züge seiner Hand tragen, die Kirche selber
-- im Großen und Ganzen dieselbe geblieben -- sie würde da-
stehn zu seinem ehrenden Gedächtniß, der protestantischen Welt
mehr eine Paul Gerhardts- als eine Sankt Moritz-Kirche. Wenig
Modernes hat sich seit zweihundert Jahren hinzugesellt und wohin
das Auge sich wenden mag, sein Auge hat darauf geruht.

Veränderungen sollen vorgenommen werden; mögen sie mit
Pietät geschehen.


Die Stadt bietet nichts. Das Probſteigebäude, das noch vor
einigen fünfzig Jahren bewohnt war, iſt ſeitdem abgebrochen und ſelbſt
der Garten, in deſſen Gängen er muthmaßlich das „Befiehl Du
Deine Wege“ dichtete, liegt, wüſt geworden, ohne Zaun und Ein-
faſſung zwiſchen zwei Nachbargärten.

Die Stadt bietet nichts mehr, wohl aber die Kirche. Dicht
unter ſeinem Bildniß, deſſen ich bereits ausführlicher erwähnte,
ſehen wir eine Steintafel in die Wand des Seitenſchiffes einge-
laſſen, die folgende Inſchrift trägt: Maria Eliſabeth — Pauli
Gerhardt’s, damaligen Probſtes allhier zu Mittenwalde und Anna
Maria Bertholds erſtgebohrnes, herzliebes Töchterlein, ſo zur
Welt kommen d. 19. Mai Anno 1656 und wieder abgeſchieden
d. 14. Januar Anno 1657 — hat allhier ihr Ruhebettlein und
dieſes Täfflein von ihren lieben Eltern. Geneſis 47. V. 9. „Wenig
und böſe iſt die Zeit meines Lebens.“ Ein grüner Kranz faßt
die Inſchrift ein und Engelsköpfe ſchmücken die vier Ecken.

Neben Bildniß und Stein iſt die Sakriſteithür. In der
Sakriſtei ſelbſt finden wir das alte Mittenwalder Kirchenbuch,
ein großes, nach Art der Bilderbibeln in Leder gebundenes Buch,
etwa dreihundert Jahr alt. Die Regiſtrirungen in dieſem Buch
aus der Zeit von 1651 bis Neujahr 1657 rühren alle von Paul
Gerhardt ſelber her. Seine Handſchrift iſt feſt, dabei voll
Schwung und Schönheit. Seine Aufzeichnungen ſchließen mit dem
28. December 1656.

Bild und Stein und Buch, ſie mahnen an ſein Wandeln
und Wirken an dieſer Stätte; fehlten aber auch dieſe Dinge, die
ſeinen Namen oder die Züge ſeiner Hand tragen, die Kirche ſelber
— im Großen und Ganzen dieſelbe geblieben — ſie würde da-
ſtehn zu ſeinem ehrenden Gedächtniß, der proteſtantiſchen Welt
mehr eine Paul Gerhardts- als eine Sankt Moritz-Kirche. Wenig
Modernes hat ſich ſeit zweihundert Jahren hinzugeſellt und wohin
das Auge ſich wenden mag, ſein Auge hat darauf geruht.

Veränderungen ſollen vorgenommen werden; mögen ſie mit
Pietät geſchehen.


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[278/0294] Die Stadt bietet nichts. Das Probſteigebäude, das noch vor einigen fünfzig Jahren bewohnt war, iſt ſeitdem abgebrochen und ſelbſt der Garten, in deſſen Gängen er muthmaßlich das „Befiehl Du Deine Wege“ dichtete, liegt, wüſt geworden, ohne Zaun und Ein- faſſung zwiſchen zwei Nachbargärten. Die Stadt bietet nichts mehr, wohl aber die Kirche. Dicht unter ſeinem Bildniß, deſſen ich bereits ausführlicher erwähnte, ſehen wir eine Steintafel in die Wand des Seitenſchiffes einge- laſſen, die folgende Inſchrift trägt: Maria Eliſabeth — Pauli Gerhardt’s, damaligen Probſtes allhier zu Mittenwalde und Anna Maria Bertholds erſtgebohrnes, herzliebes Töchterlein, ſo zur Welt kommen d. 19. Mai Anno 1656 und wieder abgeſchieden d. 14. Januar Anno 1657 — hat allhier ihr Ruhebettlein und dieſes Täfflein von ihren lieben Eltern. Geneſis 47. V. 9. „Wenig und böſe iſt die Zeit meines Lebens.“ Ein grüner Kranz faßt die Inſchrift ein und Engelsköpfe ſchmücken die vier Ecken. Neben Bildniß und Stein iſt die Sakriſteithür. In der Sakriſtei ſelbſt finden wir das alte Mittenwalder Kirchenbuch, ein großes, nach Art der Bilderbibeln in Leder gebundenes Buch, etwa dreihundert Jahr alt. Die Regiſtrirungen in dieſem Buch aus der Zeit von 1651 bis Neujahr 1657 rühren alle von Paul Gerhardt ſelber her. Seine Handſchrift iſt feſt, dabei voll Schwung und Schönheit. Seine Aufzeichnungen ſchließen mit dem 28. December 1656. Bild und Stein und Buch, ſie mahnen an ſein Wandeln und Wirken an dieſer Stätte; fehlten aber auch dieſe Dinge, die ſeinen Namen oder die Züge ſeiner Hand tragen, die Kirche ſelber — im Großen und Ganzen dieſelbe geblieben — ſie würde da- ſtehn zu ſeinem ehrenden Gedächtniß, der proteſtantiſchen Welt mehr eine Paul Gerhardts- als eine Sankt Moritz-Kirche. Wenig Modernes hat ſich ſeit zweihundert Jahren hinzugeſellt und wohin das Auge ſich wenden mag, ſein Auge hat darauf geruht. Veränderungen ſollen vorgenommen werden; mögen ſie mit Pietät geſchehen.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/294>, abgerufen am 22.11.2024.