Streit ruhen zu lassen und ging an die Gerichte. Als Geist eine Vorladung empfing, ließ er den Brückensteg ohne Weiteres ab- tragen und auf einen Holzwagen setzen und erschien nun damit vorm Kammergericht in Berlin, die Räthe desselben allergehorsamst er- suchend, sich durch Ocular-Inspection von der Richtigkeit seiner Aussagen und der Haltbarkeit des Brückenstegs überzeugen zu wollen.
Einen viel lebhafteren Groll unterhielt er gegen Alles, was sich "Regierung" oder "Behörde" nannte und mit der Miene der Autorität gegen ihn auftreten wollte. Die alte Registratur des Kammergerichts, das er in seinen Eingaben gelegentlich "hoch- preisliches Jammergericht" anzureden liebte, soll davon zu erzählen wissen. Seine Fehden mit dem Pupillen-Collegium, dessen Namen er nicht müde ward in der wunderlichsten Weise zu kürzen oder zu verunstalten, sind theils allgemeiner bekannt geworden, theis liegen sie jenseit aller Mittheilungsmöglichkeit -- wiewohl man dem humoristischen Uebermuth gegenüber, der sich in allen seinen Schnurren ausspricht, eigentlich jedes Anstandsbedenken auf- geben und der derben Laune sich freuen sollte.
Neben dem Pupillen-Collegium hatte Niemand mehr als die Potsdamer Regierung unter seinen Sarkasmen zu leiden. Jede Schwäche, jedes Versehen fand einen unerbittlichen Kritiker in ihm. Bei Abschätzung des Gutes waren Werth und Ertragsfähigkeit desselben zu hoch oder zu niedrig taxirt worden und die Regierung, den Streit endlich zu schlichten, schickte eine Untersuchungs- und Begutachtungs-Commission. Die Zeit, Mitte December, war allerdings nicht allzu günstig gewählt, und Geist faßte nunmehr in seinem nächsten Schreiben an die Regierung alles was er zu sagen hatte in folgendem Reim zusammen:
Gerechter Gott des Himmels und der Erden, Was soll aus Deiner heiligen Justitia werden? Die Erde ist bedeckt mit Eis und Schnee, Da untersuchen sie die Bonite! O weh, o weh, o weh! --
Unter den Personen, gegen die seine Spöttereien sich richteten, war unter andern auch der Reformator unserer Landwirthschaft,
Streit ruhen zu laſſen und ging an die Gerichte. Als Geiſt eine Vorladung empfing, ließ er den Brückenſteg ohne Weiteres ab- tragen und auf einen Holzwagen ſetzen und erſchien nun damit vorm Kammergericht in Berlin, die Räthe deſſelben allergehorſamſt er- ſuchend, ſich durch Ocular-Inſpection von der Richtigkeit ſeiner Ausſagen und der Haltbarkeit des Brückenſtegs überzeugen zu wollen.
Einen viel lebhafteren Groll unterhielt er gegen Alles, was ſich „Regierung“ oder „Behörde“ nannte und mit der Miene der Autorität gegen ihn auftreten wollte. Die alte Regiſtratur des Kammergerichts, das er in ſeinen Eingaben gelegentlich „hoch- preisliches Jammergericht“ anzureden liebte, ſoll davon zu erzählen wiſſen. Seine Fehden mit dem Pupillen-Collegium, deſſen Namen er nicht müde ward in der wunderlichſten Weiſe zu kürzen oder zu verunſtalten, ſind theils allgemeiner bekannt geworden, theis liegen ſie jenſeit aller Mittheilungsmöglichkeit — wiewohl man dem humoriſtiſchen Uebermuth gegenüber, der ſich in allen ſeinen Schnurren ausſpricht, eigentlich jedes Anſtandsbedenken auf- geben und der derben Laune ſich freuen ſollte.
Neben dem Pupillen-Collegium hatte Niemand mehr als die Potsdamer Regierung unter ſeinen Sarkasmen zu leiden. Jede Schwäche, jedes Verſehen fand einen unerbittlichen Kritiker in ihm. Bei Abſchätzung des Gutes waren Werth und Ertragsfähigkeit deſſelben zu hoch oder zu niedrig taxirt worden und die Regierung, den Streit endlich zu ſchlichten, ſchickte eine Unterſuchungs- und Begutachtungs-Commiſſion. Die Zeit, Mitte December, war allerdings nicht allzu günſtig gewählt, und Geiſt faßte nunmehr in ſeinem nächſten Schreiben an die Regierung alles was er zu ſagen hatte in folgendem Reim zuſammen:
Gerechter Gott des Himmels und der Erden, Was ſoll aus Deiner heiligen Juſtitia werden? Die Erde iſt bedeckt mit Eis und Schnee, Da unterſuchen ſie die Bonité! O weh, o weh, o weh! —
Unter den Perſonen, gegen die ſeine Spöttereien ſich richteten, war unter andern auch der Reformator unſerer Landwirthſchaft,
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Streit ruhen zu laſſen und ging an die Gerichte. Als Geiſt eine
Vorladung empfing, ließ er den Brückenſteg ohne Weiteres ab-
tragen und auf einen Holzwagen ſetzen und erſchien nun damit vorm
Kammergericht in Berlin, die Räthe deſſelben allergehorſamſt er-
ſuchend, ſich durch Ocular-Inſpection von der Richtigkeit ſeiner
Ausſagen und der Haltbarkeit des Brückenſtegs überzeugen zu
wollen.
Einen viel lebhafteren Groll unterhielt er gegen Alles, was
ſich „Regierung“ oder „Behörde“ nannte und mit der Miene der
Autorität gegen ihn auftreten wollte. Die alte Regiſtratur des
Kammergerichts, das er in ſeinen Eingaben gelegentlich „hoch-
preisliches Jammergericht“ anzureden liebte, ſoll davon zu erzählen
wiſſen. Seine Fehden mit dem Pupillen-Collegium, deſſen
Namen er nicht müde ward in der wunderlichſten Weiſe zu kürzen
oder zu verunſtalten, ſind theils allgemeiner bekannt geworden,
theis liegen ſie jenſeit aller Mittheilungsmöglichkeit — wiewohl
man dem humoriſtiſchen Uebermuth gegenüber, der ſich in allen
ſeinen Schnurren ausſpricht, eigentlich jedes Anſtandsbedenken auf-
geben und der derben Laune ſich freuen ſollte.
Neben dem Pupillen-Collegium hatte Niemand mehr als die
Potsdamer Regierung unter ſeinen Sarkasmen zu leiden. Jede
Schwäche, jedes Verſehen fand einen unerbittlichen Kritiker in ihm.
Bei Abſchätzung des Gutes waren Werth und Ertragsfähigkeit
deſſelben zu hoch oder zu niedrig taxirt worden und die Regierung,
den Streit endlich zu ſchlichten, ſchickte eine Unterſuchungs- und
Begutachtungs-Commiſſion. Die Zeit, Mitte December, war
allerdings nicht allzu günſtig gewählt, und Geiſt faßte nunmehr
in ſeinem nächſten Schreiben an die Regierung alles was er zu
ſagen hatte in folgendem Reim zuſammen:
Gerechter Gott des Himmels und der Erden,
Was ſoll aus Deiner heiligen Juſtitia werden?
Die Erde iſt bedeckt mit Eis und Schnee,
Da unterſuchen ſie die Bonité!
O weh, o weh, o weh! —
Unter den Perſonen, gegen die ſeine Spöttereien ſich richteten,
war unter andern auch der Reformator unſerer Landwirthſchaft,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/320>, abgerufen am 24.11.2024.
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