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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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der berühmte Thaer. Die Prinzipien, die dieser einzuführen
trachtete, hatten nicht die Zustimmung unseres Geist von Beeren,
vielmehr machte letztrer seinem Unmuth in einer kleinen Brochüre
Luft, die den Titel führte: "die preußische Landwirthschaft ohne
Theer." Alles lachte. Der kleine Tückebold hatte sich aber
diesmal verrechnet und es erschien eine Gegenschrift unter dem
Titel: "die preußische Landwirthschaft ohne Geist." Solchem
Reparti war er nicht gewachsen und er gab die Fortsetzung des
Kampfes auf.

Sein bester weil treffendster Streich, war vielleicht der fol-
gende. Wir hatten ein Kienraupenjahr und die Forsthaiden der
Mark befanden sich in einem allertraurigsten Zustande. Die Pots-
damer Regierung sah sich deshalb veranlaßt eine Verfügung zu
treffen, in der sie mittheilte wie den Raupen am besten beizu-
kommen und weiterer Schaden zu vermeiden sei. Die Verfügung
schmeckte freilich etwas nach "grünem Tisch" und war unpraktisch.
Geist antwortete wenige Tage später: "Probatum est! Ich bin
in den Wald gegangen, habe den Kienraupen das Rescript einer
Königl. Regierung vorgelesen und siehe da, die Raupen haben sich
sämmtlich todt gelacht."

Solche Repliken gingen alsbald von Mund zu Mund und
machten ihn beim Landvolk, auch wohl bei manchem Gutsbesitzer
beliebt, die, um solcher Abfertigungen und Verhöhnungen willen,
gern vergaßen, was sonst wohl gegen den "tollen Geist" zu sagen
war. Denn der Landmann unterhält eine natürliche Feindschaft
gegen den Städter, dessen überhebliches Wesen ihn verdrießt und
dessen Erlassen und Gesetzen er mißtraut. "Der Städter weiß
nichts vom Land," das ist ein Satz, der sich von Vater auf Sohn
vererbt.

Bis in sein hohes Mannesalter blieb Geist v. Beeren un-
verheirathet und führte ein wüstes, sittenloses Leben. Er hielt
einen völligen Harem um sich her. Von seiner "Favoritin" hatte
er einen Sohn, der des Vaters würdig war und zwei Mal das
ganze Gehöft anzündete und in Asche legte. Geist v. Beeren indeß
nahm keinen Anstoß daran, vielleicht weil er sein Abbild darin
sah, und ging damit um diesen Sohn zu adoptiren. Dazu ge-

Fontane, Wanderungen. IV. 20

der berühmte Thaer. Die Prinzipien, die dieſer einzuführen
trachtete, hatten nicht die Zuſtimmung unſeres Geiſt von Beeren,
vielmehr machte letztrer ſeinem Unmuth in einer kleinen Brochüre
Luft, die den Titel führte: „die preußiſche Landwirthſchaft ohne
Theer.“ Alles lachte. Der kleine Tückebold hatte ſich aber
diesmal verrechnet und es erſchien eine Gegenſchrift unter dem
Titel: „die preußiſche Landwirthſchaft ohne Geiſt.“ Solchem
Reparti war er nicht gewachſen und er gab die Fortſetzung des
Kampfes auf.

Sein beſter weil treffendſter Streich, war vielleicht der fol-
gende. Wir hatten ein Kienraupenjahr und die Forſthaiden der
Mark befanden ſich in einem allertraurigſten Zuſtande. Die Pots-
damer Regierung ſah ſich deshalb veranlaßt eine Verfügung zu
treffen, in der ſie mittheilte wie den Raupen am beſten beizu-
kommen und weiterer Schaden zu vermeiden ſei. Die Verfügung
ſchmeckte freilich etwas nach „grünem Tiſch“ und war unpraktiſch.
Geiſt antwortete wenige Tage ſpäter: „Probatum est! Ich bin
in den Wald gegangen, habe den Kienraupen das Reſcript einer
Königl. Regierung vorgeleſen und ſiehe da, die Raupen haben ſich
ſämmtlich todt gelacht.“

Solche Repliken gingen alsbald von Mund zu Mund und
machten ihn beim Landvolk, auch wohl bei manchem Gutsbeſitzer
beliebt, die, um ſolcher Abfertigungen und Verhöhnungen willen,
gern vergaßen, was ſonſt wohl gegen den „tollen Geiſt“ zu ſagen
war. Denn der Landmann unterhält eine natürliche Feindſchaft
gegen den Städter, deſſen überhebliches Weſen ihn verdrießt und
deſſen Erlaſſen und Geſetzen er mißtraut. „Der Städter weiß
nichts vom Land,“ das iſt ein Satz, der ſich von Vater auf Sohn
vererbt.

Bis in ſein hohes Mannesalter blieb Geiſt v. Beeren un-
verheirathet und führte ein wüſtes, ſittenloſes Leben. Er hielt
einen völligen Harem um ſich her. Von ſeiner „Favoritin“ hatte
er einen Sohn, der des Vaters würdig war und zwei Mal das
ganze Gehöft anzündete und in Aſche legte. Geiſt v. Beeren indeß
nahm keinen Anſtoß daran, vielleicht weil er ſein Abbild darin
ſah, und ging damit um dieſen Sohn zu adoptiren. Dazu ge-

Fontane, Wanderungen. IV. 20
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[305/0321] der berühmte Thaer. Die Prinzipien, die dieſer einzuführen trachtete, hatten nicht die Zuſtimmung unſeres Geiſt von Beeren, vielmehr machte letztrer ſeinem Unmuth in einer kleinen Brochüre Luft, die den Titel führte: „die preußiſche Landwirthſchaft ohne Theer.“ Alles lachte. Der kleine Tückebold hatte ſich aber diesmal verrechnet und es erſchien eine Gegenſchrift unter dem Titel: „die preußiſche Landwirthſchaft ohne Geiſt.“ Solchem Reparti war er nicht gewachſen und er gab die Fortſetzung des Kampfes auf. Sein beſter weil treffendſter Streich, war vielleicht der fol- gende. Wir hatten ein Kienraupenjahr und die Forſthaiden der Mark befanden ſich in einem allertraurigſten Zuſtande. Die Pots- damer Regierung ſah ſich deshalb veranlaßt eine Verfügung zu treffen, in der ſie mittheilte wie den Raupen am beſten beizu- kommen und weiterer Schaden zu vermeiden ſei. Die Verfügung ſchmeckte freilich etwas nach „grünem Tiſch“ und war unpraktiſch. Geiſt antwortete wenige Tage ſpäter: „Probatum est! Ich bin in den Wald gegangen, habe den Kienraupen das Reſcript einer Königl. Regierung vorgeleſen und ſiehe da, die Raupen haben ſich ſämmtlich todt gelacht.“ Solche Repliken gingen alsbald von Mund zu Mund und machten ihn beim Landvolk, auch wohl bei manchem Gutsbeſitzer beliebt, die, um ſolcher Abfertigungen und Verhöhnungen willen, gern vergaßen, was ſonſt wohl gegen den „tollen Geiſt“ zu ſagen war. Denn der Landmann unterhält eine natürliche Feindſchaft gegen den Städter, deſſen überhebliches Weſen ihn verdrießt und deſſen Erlaſſen und Geſetzen er mißtraut. „Der Städter weiß nichts vom Land,“ das iſt ein Satz, der ſich von Vater auf Sohn vererbt. Bis in ſein hohes Mannesalter blieb Geiſt v. Beeren un- verheirathet und führte ein wüſtes, ſittenloſes Leben. Er hielt einen völligen Harem um ſich her. Von ſeiner „Favoritin“ hatte er einen Sohn, der des Vaters würdig war und zwei Mal das ganze Gehöft anzündete und in Aſche legte. Geiſt v. Beeren indeß nahm keinen Anſtoß daran, vielleicht weil er ſein Abbild darin ſah, und ging damit um dieſen Sohn zu adoptiren. Dazu ge- Fontane, Wanderungen. IV. 20

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/321>, abgerufen am 24.11.2024.