Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882."Nu, besser is es schon, denn schlechter is nich möglich. Und "Und alle zehn Schritt 'nen Edelmann." "Ach, lieber Herr, ein Edelmann is gar nicht so schlimm. Ich "Ich hab' immer gefunden, der Bauer ist überall derselbe. "Is schon richtig. Aber doch alles mit'n Unterschied. Un "Hören Sie, Moll, ich bin zwar selber ein Märker, aber ich "I, freilich hab' ich Recht. Es is alles pauvre hier und Unter solchen Gesprächen waren wir bis in Rauen selbst In der Kirche, die für das Fest geputzt und gesäubert wurde, "Wir haben gar nichts als den alten Grabstein vorm Altar. "Ein Bischof? Hören Sie ..." "Ja, warum soll es kein Bischof gewesen sein? Es waren „Nu, beſſer is es ſchon, denn ſchlechter is nich möglich. Und „Und alle zehn Schritt ’nen Edelmann.“ „Ach, lieber Herr, ein Edelmann is gar nicht ſo ſchlimm. Ich „Ich hab’ immer gefunden, der Bauer iſt überall derſelbe. „Is ſchon richtig. Aber doch alles mit’n Unterſchied. Un „Hören Sie, Moll, ich bin zwar ſelber ein Märker, aber ich „I, freilich hab’ ich Recht. Es is alles pauvre hier und Unter ſolchen Geſprächen waren wir bis in Rauen ſelbſt In der Kirche, die für das Feſt geputzt und geſäubert wurde, „Wir haben gar nichts als den alten Grabſtein vorm Altar. „Ein Biſchof? Hören Sie …“ „Ja, warum ſoll es kein Biſchof geweſen ſein? Es waren <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0036" n="20"/> <p>„Nu, beſſer is es ſchon, denn ſchlechter is nich möglich. Und<lb/> das macht alles der Charakter. Der Charakter is immer die<lb/> Hauptſache. Sehen Sie, bei uns gibt es lauter orntliche Menſchen.“</p><lb/> <p>„Und alle zehn Schritt ’nen Edelmann.“</p><lb/> <p>„Ach, lieber Herr, ein Edelmann is gar nicht ſo ſchlimm. Ich<lb/> bin auch für Freiheit; aber was ſo’n richtiger Edelmann is, na,<lb/> viel thut er woll freilich auch nich, aber er thut doch immer <hi rendition="#g">was</hi><lb/> Und der Bauer is auch janz anders bei uns.“</p><lb/> <p>„Ich hab’ immer gefunden, der Bauer iſt überall derſelbe.<lb/> Der Bauer iſt überall hart.“</p><lb/> <p>„Is ſchon richtig. Aber doch alles mit’n Unterſchied. Un<lb/> warum is er hier ſo hart, ich meine ſo ſchlimm-hart? Weil er<lb/> ſelber nichts hat. Es is ja die reine Hungerleiderei. Sehen Sie<lb/> ſich doch dieſen Weg und dieſe Schonung an. Der reine gelbe<lb/> Sand. Und wo der reine gelbe Sand is, is auch immer der<lb/> reine gelbe Neid. Und gönnt keiner dem andern was. Und von<lb/> was geben oder helfen ſteht nu ſchon garnichts drin.“</p><lb/> <p>„Hören Sie, Moll, ich bin zwar ſelber ein Märker, aber ich<lb/> glaube wahrhaftig, Sie haben ein bischen Recht.“</p><lb/> <p>„I, freilich hab’ ich Recht. Es is alles pauvre hier und<lb/> von’s Pauvre-ſein is noch nie nich was Gutes gekommen.“</p><lb/> <p>Unter ſolchen Geſprächen waren wir bis in Rauen ſelbſt<lb/> hineingefahren. Auch dieſes, wie der Hügelabhang draußen, zeigte<lb/> den Bergwerkscharakter; alle Häuſer ſahen rußig und ſchmucklos<lb/> aus, und nur eine modiſche Petroleumlampe mit blauem Ständer<lb/> und weißer Milchglasglocke war überall als einziges Zierſtück in<lb/> die Fenſter geſtellt.</p><lb/> <p>In der Kirche, die für das Feſt geputzt und geſäubert wurde,<lb/> trafen wir einen Ortsangeſeſſenen, an den ich mich alsbald mit<lb/> der Frage wandte: „was die Rauen’ſche Kirche denn wohl habe?“</p><lb/> <p>„Wir haben gar nichts als den alten Grabſtein vorm Altar.<lb/> Alles was in Schnörkelbuchſtaben daraufſtand, iſt weggetreten;<lb/> aber die Rauener ſagen, es wär ein Biſchof geweſen. Und ich<lb/> denke mir, es wird wohl ein Biſchof geweſen ſein.“</p><lb/> <p>„Ein Biſchof? Hören Sie …“</p><lb/> <p>„Ja, warum ſoll es kein Biſchof geweſen ſein? Es waren<lb/> ihrer ja ſo viele. Welche liegen in Fürſtenwalde, welche liegen in<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [20/0036]
„Nu, beſſer is es ſchon, denn ſchlechter is nich möglich. Und
das macht alles der Charakter. Der Charakter is immer die
Hauptſache. Sehen Sie, bei uns gibt es lauter orntliche Menſchen.“
„Und alle zehn Schritt ’nen Edelmann.“
„Ach, lieber Herr, ein Edelmann is gar nicht ſo ſchlimm. Ich
bin auch für Freiheit; aber was ſo’n richtiger Edelmann is, na,
viel thut er woll freilich auch nich, aber er thut doch immer was
Und der Bauer is auch janz anders bei uns.“
„Ich hab’ immer gefunden, der Bauer iſt überall derſelbe.
Der Bauer iſt überall hart.“
„Is ſchon richtig. Aber doch alles mit’n Unterſchied. Un
warum is er hier ſo hart, ich meine ſo ſchlimm-hart? Weil er
ſelber nichts hat. Es is ja die reine Hungerleiderei. Sehen Sie
ſich doch dieſen Weg und dieſe Schonung an. Der reine gelbe
Sand. Und wo der reine gelbe Sand is, is auch immer der
reine gelbe Neid. Und gönnt keiner dem andern was. Und von
was geben oder helfen ſteht nu ſchon garnichts drin.“
„Hören Sie, Moll, ich bin zwar ſelber ein Märker, aber ich
glaube wahrhaftig, Sie haben ein bischen Recht.“
„I, freilich hab’ ich Recht. Es is alles pauvre hier und
von’s Pauvre-ſein is noch nie nich was Gutes gekommen.“
Unter ſolchen Geſprächen waren wir bis in Rauen ſelbſt
hineingefahren. Auch dieſes, wie der Hügelabhang draußen, zeigte
den Bergwerkscharakter; alle Häuſer ſahen rußig und ſchmucklos
aus, und nur eine modiſche Petroleumlampe mit blauem Ständer
und weißer Milchglasglocke war überall als einziges Zierſtück in
die Fenſter geſtellt.
In der Kirche, die für das Feſt geputzt und geſäubert wurde,
trafen wir einen Ortsangeſeſſenen, an den ich mich alsbald mit
der Frage wandte: „was die Rauen’ſche Kirche denn wohl habe?“
„Wir haben gar nichts als den alten Grabſtein vorm Altar.
Alles was in Schnörkelbuchſtaben daraufſtand, iſt weggetreten;
aber die Rauener ſagen, es wär ein Biſchof geweſen. Und ich
denke mir, es wird wohl ein Biſchof geweſen ſein.“
„Ein Biſchof? Hören Sie …“
„Ja, warum ſoll es kein Biſchof geweſen ſein? Es waren
ihrer ja ſo viele. Welche liegen in Fürſtenwalde, welche liegen in
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeFontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |