Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.an einen schlesischen Vetter, einen Sohn des vorgenannten Ernst Dieser Ernst Wilhelm von Schlabrendorf nun, ein jüngerer *) Einer dieser Söhne (der dritte) Gustav Graf Schlabrendorf, geboren
1750, preußischer Kammerherr und Stiftsherr zu Magdeburg, ist der durch seine Schriften, insonderheit auch durch seine Pariser Schicksale während der Revolutionszeit berühmt gewordene Graf Schlabrendorf. Er war ein Anhänger der Girondisten, weshalb er sich, in den Schreckenstagen, auf Antrag Robes- pierre's eingekerkert sah. An dem Tage wo der Karren vorfuhr, um ihn und andere Verurtheilte zum Schaffot abzuholen, fehlten ihm seine Stiefel, worauf hin er erklärte: "man könne doch am Ende verlangen in Stiefeln guillotinirt zu werden." Es hatte das seine Wirkung, und der Scherge, der in Folge dieser Bemerkung in eine gute Laune gekommen war, antwortete: "eh bien; demain matin." Am andern Morgen aber, wo des Grafen Name nicht mehr auf der Liste stand, wurd' er vergessen und bald danach, nach dem inzwischen erfolgten Sturze Robespierre's, in Freiheit gesetzt. Unter Napoleon, obwohl dieser von Schlabrendorfs scharfer Kritik über ihn hörte, blieb er "als Son- derling" unangefochten. Er war Philosoph und Philanthrop und verwendete seine nicht unbedeutenden Einkünfte zu wohlthätigen Zwecken, besonders für seine Landsleute. Nach den Befreiungskriegen (er blieb immer in Paris) em- pfing er das eiserne Kreuz. Er starb daselbst am 22. August 1824. In Groeben befand sich ein Portrait von ihm, Kniestück, das um seiner storren Frisur und seiner Glotzaugen willen das Entsetzen aller Kinder war, die des Bildes daselbst ansichtig wurden. Es kam später fort und befindet sich jetzt auf dem Kalkreuthschen bei Landsberg a. W. gelegenen Schloß Hohenwalde. an einen ſchleſiſchen Vetter, einen Sohn des vorgenannten Ernſt Dieſer Ernſt Wilhelm von Schlabrendorf nun, ein jüngerer *) Einer dieſer Söhne (der dritte) Guſtav Graf Schlabrendorf, geboren
1750, preußiſcher Kammerherr und Stiftsherr zu Magdeburg, iſt der durch ſeine Schriften, inſonderheit auch durch ſeine Pariſer Schickſale während der Revolutionszeit berühmt gewordene Graf Schlabrendorf. Er war ein Anhänger der Girondiſten, weshalb er ſich, in den Schreckenstagen, auf Antrag Robes- pierre’s eingekerkert ſah. An dem Tage wo der Karren vorfuhr, um ihn und andere Verurtheilte zum Schaffot abzuholen, fehlten ihm ſeine Stiefel, worauf hin er erklärte: „man könne doch am Ende verlangen in Stiefeln guillotinirt zu werden.“ Es hatte das ſeine Wirkung, und der Scherge, der in Folge dieſer Bemerkung in eine gute Laune gekommen war, antwortete: „eh bien; demain matin.“ Am andern Morgen aber, wo des Grafen Name nicht mehr auf der Liſte ſtand, wurd’ er vergeſſen und bald danach, nach dem inzwiſchen erfolgten Sturze Robespierre’s, in Freiheit geſetzt. Unter Napoleon, obwohl dieſer von Schlabrendorfs ſcharfer Kritik über ihn hörte, blieb er „als Son- derling“ unangefochten. Er war Philoſoph und Philanthrop und verwendete ſeine nicht unbedeutenden Einkünfte zu wohlthätigen Zwecken, beſonders für ſeine Landsleute. Nach den Befreiungskriegen (er blieb immer in Paris) em- pfing er das eiſerne Kreuz. Er ſtarb daſelbſt am 22. Auguſt 1824. In Groeben befand ſich ein Portrait von ihm, Knieſtück, das um ſeiner ſtorren Friſur und ſeiner Glotzaugen willen das Entſetzen aller Kinder war, die des Bildes daſelbſt anſichtig wurden. Es kam ſpäter fort und befindet ſich jetzt auf dem Kalkreuthſchen bei Landsberg a. W. gelegenen Schloß Hohenwalde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0386" n="370"/> an einen ſchleſiſchen Vetter, einen Sohn des vorgenannten <hi rendition="#g">Ernſt<lb/> Wilhelm</hi> v. Schlabrendorf abzutreten.</p><lb/> <p>Dieſer <hi rendition="#g">Ernſt Wilhelm</hi> von Schlabrendorf nun, ein jüngerer<lb/> Bruder Guſtav Albrechts, hatte ſich, während dieſer in der Armee<lb/> von Stufe zu Stufe ſtieg, im Staatsdienſte zu der hohen Stel-<lb/> lung eines dirigirenden Miniſters von Schleſien emporgeſchwungen<lb/> und blieb in dieſer bis zu ſeinem 1770 erfolgenden Tode. Von<lb/> ſeinen fünf Söhnen<note place="foot" n="*)">Einer dieſer Söhne (der dritte) <hi rendition="#g">Guſtav</hi> Graf Schlabrendorf, geboren<lb/> 1750, preußiſcher Kammerherr und Stiftsherr zu Magdeburg, iſt der durch<lb/> ſeine Schriften, inſonderheit auch durch ſeine Pariſer Schickſale während der<lb/> Revolutionszeit berühmt gewordene Graf Schlabrendorf. Er war ein Anhänger<lb/> der Girondiſten, weshalb er ſich, in den Schreckenstagen, auf Antrag Robes-<lb/> pierre’s eingekerkert ſah. An dem Tage wo der Karren vorfuhr, um ihn und<lb/> andere Verurtheilte zum Schaffot abzuholen, fehlten ihm ſeine Stiefel, worauf<lb/> hin er erklärte: „man könne doch am Ende verlangen in Stiefeln guillotinirt<lb/> zu werden.“ Es hatte das ſeine Wirkung, und der Scherge, der in Folge<lb/> dieſer Bemerkung in eine gute Laune gekommen war, antwortete: <hi rendition="#aq">„eh bien;<lb/> demain matin.“</hi> Am andern Morgen aber, wo des Grafen Name nicht mehr<lb/> auf der Liſte ſtand, wurd’ er vergeſſen und bald danach, nach dem inzwiſchen<lb/> erfolgten Sturze Robespierre’s, in Freiheit geſetzt. Unter Napoleon, obwohl<lb/> dieſer von Schlabrendorfs ſcharfer Kritik über ihn hörte, blieb er „als Son-<lb/> derling“ unangefochten. Er war Philoſoph und Philanthrop und verwendete<lb/> ſeine nicht unbedeutenden Einkünfte zu wohlthätigen Zwecken, beſonders für<lb/> ſeine Landsleute. Nach den Befreiungskriegen (er blieb immer in Paris) em-<lb/> pfing er das eiſerne Kreuz. Er ſtarb daſelbſt am 22. Auguſt 1824. In<lb/> Groeben befand ſich ein Portrait von ihm, Knieſtück, das um ſeiner ſtorren<lb/> Friſur und ſeiner Glotzaugen willen das Entſetzen aller Kinder war, die des<lb/> Bildes daſelbſt anſichtig wurden. Es kam ſpäter fort und befindet ſich jetzt<lb/> auf dem Kalkreuthſchen bei Landsberg a. W. gelegenen Schloß Hohenwalde.</note> ſtellten ſich die vier älteſten um nichts<lb/> günſtiger zu der Beſitzergreifungs-Frage von Groeben als ihre<lb/> drei Guſtav Albrechtſchen Vettern und nur der jüngſte, dem, wie<lb/> wir in der Folge ſehen werden, ein gewiſſer romantiſcher Zug<lb/> innewohnte, zeigte ſofort eine Neigung, das alt-ſchlabrendorfſche<lb/> Familien-Gut auch bei den Schlabrendorfs erhalten zu ſehn. Und<lb/> ſo bracht’ er es käuflich an ſich.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [370/0386]
an einen ſchleſiſchen Vetter, einen Sohn des vorgenannten Ernſt
Wilhelm v. Schlabrendorf abzutreten.
Dieſer Ernſt Wilhelm von Schlabrendorf nun, ein jüngerer
Bruder Guſtav Albrechts, hatte ſich, während dieſer in der Armee
von Stufe zu Stufe ſtieg, im Staatsdienſte zu der hohen Stel-
lung eines dirigirenden Miniſters von Schleſien emporgeſchwungen
und blieb in dieſer bis zu ſeinem 1770 erfolgenden Tode. Von
ſeinen fünf Söhnen *) ſtellten ſich die vier älteſten um nichts
günſtiger zu der Beſitzergreifungs-Frage von Groeben als ihre
drei Guſtav Albrechtſchen Vettern und nur der jüngſte, dem, wie
wir in der Folge ſehen werden, ein gewiſſer romantiſcher Zug
innewohnte, zeigte ſofort eine Neigung, das alt-ſchlabrendorfſche
Familien-Gut auch bei den Schlabrendorfs erhalten zu ſehn. Und
ſo bracht’ er es käuflich an ſich.
*) Einer dieſer Söhne (der dritte) Guſtav Graf Schlabrendorf, geboren
1750, preußiſcher Kammerherr und Stiftsherr zu Magdeburg, iſt der durch
ſeine Schriften, inſonderheit auch durch ſeine Pariſer Schickſale während der
Revolutionszeit berühmt gewordene Graf Schlabrendorf. Er war ein Anhänger
der Girondiſten, weshalb er ſich, in den Schreckenstagen, auf Antrag Robes-
pierre’s eingekerkert ſah. An dem Tage wo der Karren vorfuhr, um ihn und
andere Verurtheilte zum Schaffot abzuholen, fehlten ihm ſeine Stiefel, worauf
hin er erklärte: „man könne doch am Ende verlangen in Stiefeln guillotinirt
zu werden.“ Es hatte das ſeine Wirkung, und der Scherge, der in Folge
dieſer Bemerkung in eine gute Laune gekommen war, antwortete: „eh bien;
demain matin.“ Am andern Morgen aber, wo des Grafen Name nicht mehr
auf der Liſte ſtand, wurd’ er vergeſſen und bald danach, nach dem inzwiſchen
erfolgten Sturze Robespierre’s, in Freiheit geſetzt. Unter Napoleon, obwohl
dieſer von Schlabrendorfs ſcharfer Kritik über ihn hörte, blieb er „als Son-
derling“ unangefochten. Er war Philoſoph und Philanthrop und verwendete
ſeine nicht unbedeutenden Einkünfte zu wohlthätigen Zwecken, beſonders für
ſeine Landsleute. Nach den Befreiungskriegen (er blieb immer in Paris) em-
pfing er das eiſerne Kreuz. Er ſtarb daſelbſt am 22. Auguſt 1824. In
Groeben befand ſich ein Portrait von ihm, Knieſtück, das um ſeiner ſtorren
Friſur und ſeiner Glotzaugen willen das Entſetzen aller Kinder war, die des
Bildes daſelbſt anſichtig wurden. Es kam ſpäter fort und befindet ſich jetzt
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