Hervorkehrung dessen, was man Standes-Vorurtheile nennt, auch nur einen Augenblick verletzt zu haben. Es war ihr eben einfach die Gabe geworden, in Liebe den Glauben zu wecken: "in Allem lebt Gottes Wille, und wie es ist, ist es am besten."
So die Mittheilungen solcher, die die Gräfin noch persönlich gekannt haben. Aber Eines vermiss' ich darin: ein Hervorheben dessen, was ihr, ich will nicht sagen ausschließlich oder auch nur vorzugsweis, aber doch jedenfalls mitwirkend ihren Einfluß sicherte. Dies war ihr Katholicismus. Zunächst ihr Katho- licismus als einfache Thatsache.
Wer ein Auge für diese Dinge hat, dem kann es nicht ent- gehen, daß der Katholicismus, all seiner vielleicht berechtigten Klagen und Anklagen unerachtet, eine nach mehr als einer Seite hin bevorzugte Stellung unter uns einnimmt, und zwar am ent- schiedensten in dem Gesellschafts-Bruchtheile, der sich die "Gesell- schaft" nennt. Es geht dies so weit, daß Leute, die sonst nichts bedeuten, einfach dadurch ein gewisses Ansehen gewinnen, daß sie Katholiken sind. Wie gering ihre sonstige Stellung sein mag, sie werden einer Art Religions-Aristokratie zugerechnet, einer Ge- nossenschaft, die Vorrechte hat und von der es nicht blos fest- steht, daß sie gewisse Dinge besser kennt und weiß als wir, sondern der es, in Folge dieses Besserwissens, auch zukommt, in eben diesen Dingen den Ton anzugeben. Also zu herrschen.
Unserer Gräfin Herrschaft aber verdoppelte sich und wurd' erst recht eigentlich was sie war, aus der weit über die bloße Thatsächlichkeit ihres Katholicismus hinausgehenden schönen und klugen Bethätigung desselben. Sie war eine strenge Katholikin für sich, in der Berührung mit der Außenwelt jedoch, insonderheit mit der ihr in gewissem Sinne wenigstens unterstellten Gemeinde betonte sie stets nur das, was beiden Confessionen das Gemein- schaftliche war, und übte die hohe Kunst einer Religionsäußerung, die der eignen Ueberzeugung nichts vergab und die der andern nicht kränkte. Sie hatte dies am sächsischen Hofe gelernt und zeigte sich beflissen, diesem Vorbilde schöner Toleranz in allen Stücken nachzuahmen. Es geschah dies in einer ganzen Reihe von Gutthaten und kleinen Stiftungen, am erkennbarsten in dem einem Neubau gleichkommenden Umbau der Lutherischen Groebener Kirche,
Hervorkehrung deſſen, was man Standes-Vorurtheile nennt, auch nur einen Augenblick verletzt zu haben. Es war ihr eben einfach die Gabe geworden, in Liebe den Glauben zu wecken: „in Allem lebt Gottes Wille, und wie es iſt, iſt es am beſten.“
So die Mittheilungen ſolcher, die die Gräfin noch perſönlich gekannt haben. Aber Eines vermiſſ’ ich darin: ein Hervorheben deſſen, was ihr, ich will nicht ſagen ausſchließlich oder auch nur vorzugsweis, aber doch jedenfalls mitwirkend ihren Einfluß ſicherte. Dies war ihr Katholicismus. Zunächſt ihr Katho- licismus als einfache Thatſache.
Wer ein Auge für dieſe Dinge hat, dem kann es nicht ent- gehen, daß der Katholicismus, all ſeiner vielleicht berechtigten Klagen und Anklagen unerachtet, eine nach mehr als einer Seite hin bevorzugte Stellung unter uns einnimmt, und zwar am ent- ſchiedenſten in dem Geſellſchafts-Bruchtheile, der ſich die „Geſell- ſchaft“ nennt. Es geht dies ſo weit, daß Leute, die ſonſt nichts bedeuten, einfach dadurch ein gewiſſes Anſehen gewinnen, daß ſie Katholiken ſind. Wie gering ihre ſonſtige Stellung ſein mag, ſie werden einer Art Religions-Ariſtokratie zugerechnet, einer Ge- noſſenſchaft, die Vorrechte hat und von der es nicht blos feſt- ſteht, daß ſie gewiſſe Dinge beſſer kennt und weiß als wir, ſondern der es, in Folge dieſes Beſſerwiſſens, auch zukommt, in eben dieſen Dingen den Ton anzugeben. Alſo zu herrſchen.
Unſerer Gräfin Herrſchaft aber verdoppelte ſich und wurd’ erſt recht eigentlich was ſie war, aus der weit über die bloße Thatſächlichkeit ihres Katholicismus hinausgehenden ſchönen und klugen Bethätigung deſſelben. Sie war eine ſtrenge Katholikin für ſich, in der Berührung mit der Außenwelt jedoch, inſonderheit mit der ihr in gewiſſem Sinne wenigſtens unterſtellten Gemeinde betonte ſie ſtets nur das, was beiden Confeſſionen das Gemein- ſchaftliche war, und übte die hohe Kunſt einer Religionsäußerung, die der eignen Ueberzeugung nichts vergab und die der andern nicht kränkte. Sie hatte dies am ſächſiſchen Hofe gelernt und zeigte ſich befliſſen, dieſem Vorbilde ſchöner Toleranz in allen Stücken nachzuahmen. Es geſchah dies in einer ganzen Reihe von Gutthaten und kleinen Stiftungen, am erkennbarſten in dem einem Neubau gleichkommenden Umbau der Lutheriſchen Groebener Kirche,
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Hervorkehrung deſſen, was man Standes-Vorurtheile nennt, auch
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lebt Gottes Wille, und wie es iſt, iſt es am beſten.“
So die Mittheilungen ſolcher, die die Gräfin noch perſönlich
gekannt haben. Aber Eines vermiſſ’ ich darin: ein Hervorheben
deſſen, was ihr, ich will nicht ſagen ausſchließlich oder auch nur
vorzugsweis, aber doch jedenfalls mitwirkend ihren Einfluß
ſicherte. Dies war ihr Katholicismus. Zunächſt ihr Katho-
licismus als einfache Thatſache.
Wer ein Auge für dieſe Dinge hat, dem kann es nicht ent-
gehen, daß der Katholicismus, all ſeiner vielleicht berechtigten
Klagen und Anklagen unerachtet, eine nach mehr als einer Seite
hin bevorzugte Stellung unter uns einnimmt, und zwar am ent-
ſchiedenſten in dem Geſellſchafts-Bruchtheile, der ſich die „Geſell-
ſchaft“ nennt. Es geht dies ſo weit, daß Leute, die ſonſt nichts
bedeuten, einfach dadurch ein gewiſſes Anſehen gewinnen, daß ſie
Katholiken ſind. Wie gering ihre ſonſtige Stellung ſein mag, ſie
werden einer Art Religions-Ariſtokratie zugerechnet, einer Ge-
noſſenſchaft, die Vorrechte hat und von der es nicht blos feſt-
ſteht, daß ſie gewiſſe Dinge beſſer kennt und weiß als wir, ſondern
der es, in Folge dieſes Beſſerwiſſens, auch zukommt, in eben
dieſen Dingen den Ton anzugeben. Alſo zu herrſchen.
Unſerer Gräfin Herrſchaft aber verdoppelte ſich und wurd’
erſt recht eigentlich was ſie war, aus der weit über die bloße
Thatſächlichkeit ihres Katholicismus hinausgehenden ſchönen und
klugen Bethätigung deſſelben. Sie war eine ſtrenge Katholikin
für ſich, in der Berührung mit der Außenwelt jedoch, inſonderheit
mit der ihr in gewiſſem Sinne wenigſtens unterſtellten Gemeinde
betonte ſie ſtets nur das, was beiden Confeſſionen das Gemein-
ſchaftliche war, und übte die hohe Kunſt einer Religionsäußerung,
die der eignen Ueberzeugung nichts vergab und die der andern
nicht kränkte. Sie hatte dies am ſächſiſchen Hofe gelernt und
zeigte ſich befliſſen, dieſem Vorbilde ſchöner Toleranz in allen
Stücken nachzuahmen. Es geſchah dies in einer ganzen Reihe von
Gutthaten und kleinen Stiftungen, am erkennbarſten in dem einem
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/398>, abgerufen am 22.11.2024.
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