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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Ein andrer Zug ihres Charakters war ihre Gleichgültigkeit
gegen irdischen Besitz, ja fast ihre Verachtung desselben, und noch
ihre letzten Lebensjahre gaben einen glänzenden Beweis davon. In
derselben Stunde fast, in der seitens des Herrn v. Jagow die
Kaufsumme für Groeben und Siethen an sie gezahlt worden war,
erschien ein Anverwandter vor ihr, um ihr seine Verlegenheiten
zu schildern. Verlegenheiten, die nicht klein waren und un-
gefähr wenigstens an die Höhe der eben empfangenen großen
Summe heranreichten. Einen Augenblick zögerte sie, weil die
Plötzlichkeit und Berechnetheit des Ueberfalls ihr eine nur zu be-
greifliche Mißstimmung bereitete, dann aber holte sie mit nervöser
Hast alle die kaum erst in ihren Taschen untergebrachten Päckchen
aus eben diesen Taschen wieder hervor und schob sie hastig und
stoßweise dem fast eben so verdutzt wie glückselig und verhimmelnd
Dastehenden zu, der aus jeder dieser Bewegungen entnehmen
mußte, daß sie das Geld aber freilich auch den Empfänger so bald
wie möglich los zu sein wünsche.

Hieran knüpf' ich noch, was ich den Aufzeichnungen einer
schon an anderer Stelle citirten Kaiserswerther Schwester ent-
nehmen konnte: "Mit Frau von Scharnhorst zu verkehren oder sie
zu kennen, ohne sie zu lieben, wäre für jeden Menschen unmöglich
gewesen. Wenn eins unserer Kinder erkrankte, bestand sie darauf,
die Nachtwachen mit uns zu theilen. Ein andermal, als Fräulein
Johanna noch spät am Abend nach einem eine Stunde Wegs ent-
fernten Dorfe gerufen wurde, wollte sie die Tochter bei so später
Stunde den einsamen Weg nicht machen lassen, und als diese
hinwiederum nicht abließ, auf die Hilfe hinzuweisen, die zu bringen
ihre Pflicht sei, ging die Mutter selbst, aller Tagesmüdigkeit un-
erachtet.

"Unter dem vielen, was ihr oblag, war auch das Oekono-
mische, die gesammte Wirthschaftsführung, und es zählte mitunter
zu den allerschwierigsten Aufgaben, alle Kranken und sonstigen
Hausinsassen aus ihrer, der Frau v. Scharnhorst Küche, mit zu
versorgen. Als ich dann später selbst das Wirthschaftliche lernte,
schien es mir mitunter, als verführe sie zu peinlich und accurat und
mache mir die Lehrzeit schwerer als nöthig. Aber später hab' ich

Ein andrer Zug ihres Charakters war ihre Gleichgültigkeit
gegen irdiſchen Beſitz, ja faſt ihre Verachtung deſſelben, und noch
ihre letzten Lebensjahre gaben einen glänzenden Beweis davon. In
derſelben Stunde faſt, in der ſeitens des Herrn v. Jagow die
Kaufſumme für Groeben und Siethen an ſie gezahlt worden war,
erſchien ein Anverwandter vor ihr, um ihr ſeine Verlegenheiten
zu ſchildern. Verlegenheiten, die nicht klein waren und un-
gefähr wenigſtens an die Höhe der eben empfangenen großen
Summe heranreichten. Einen Augenblick zögerte ſie, weil die
Plötzlichkeit und Berechnetheit des Ueberfalls ihr eine nur zu be-
greifliche Mißſtimmung bereitete, dann aber holte ſie mit nervöſer
Haſt alle die kaum erſt in ihren Taſchen untergebrachten Päckchen
aus eben dieſen Taſchen wieder hervor und ſchob ſie haſtig und
ſtoßweiſe dem faſt eben ſo verdutzt wie glückſelig und verhimmelnd
Daſtehenden zu, der aus jeder dieſer Bewegungen entnehmen
mußte, daß ſie das Geld aber freilich auch den Empfänger ſo bald
wie möglich los zu ſein wünſche.

Hieran knüpf’ ich noch, was ich den Aufzeichnungen einer
ſchon an anderer Stelle citirten Kaiſerswerther Schweſter ent-
nehmen konnte: „Mit Frau von Scharnhorſt zu verkehren oder ſie
zu kennen, ohne ſie zu lieben, wäre für jeden Menſchen unmöglich
geweſen. Wenn eins unſerer Kinder erkrankte, beſtand ſie darauf,
die Nachtwachen mit uns zu theilen. Ein andermal, als Fräulein
Johanna noch ſpät am Abend nach einem eine Stunde Wegs ent-
fernten Dorfe gerufen wurde, wollte ſie die Tochter bei ſo ſpäter
Stunde den einſamen Weg nicht machen laſſen, und als dieſe
hinwiederum nicht abließ, auf die Hilfe hinzuweiſen, die zu bringen
ihre Pflicht ſei, ging die Mutter ſelbſt, aller Tagesmüdigkeit un-
erachtet.

„Unter dem vielen, was ihr oblag, war auch das Oekono-
miſche, die geſammte Wirthſchaftsführung, und es zählte mitunter
zu den allerſchwierigſten Aufgaben, alle Kranken und ſonſtigen
Hausinſaſſen aus ihrer, der Frau v. Scharnhorſt Küche, mit zu
verſorgen. Als ich dann ſpäter ſelbſt das Wirthſchaftliche lernte,
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mache mir die Lehrzeit ſchwerer als nöthig. Aber ſpäter hab’ ich

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[394/0410] Ein andrer Zug ihres Charakters war ihre Gleichgültigkeit gegen irdiſchen Beſitz, ja faſt ihre Verachtung deſſelben, und noch ihre letzten Lebensjahre gaben einen glänzenden Beweis davon. In derſelben Stunde faſt, in der ſeitens des Herrn v. Jagow die Kaufſumme für Groeben und Siethen an ſie gezahlt worden war, erſchien ein Anverwandter vor ihr, um ihr ſeine Verlegenheiten zu ſchildern. Verlegenheiten, die nicht klein waren und un- gefähr wenigſtens an die Höhe der eben empfangenen großen Summe heranreichten. Einen Augenblick zögerte ſie, weil die Plötzlichkeit und Berechnetheit des Ueberfalls ihr eine nur zu be- greifliche Mißſtimmung bereitete, dann aber holte ſie mit nervöſer Haſt alle die kaum erſt in ihren Taſchen untergebrachten Päckchen aus eben dieſen Taſchen wieder hervor und ſchob ſie haſtig und ſtoßweiſe dem faſt eben ſo verdutzt wie glückſelig und verhimmelnd Daſtehenden zu, der aus jeder dieſer Bewegungen entnehmen mußte, daß ſie das Geld aber freilich auch den Empfänger ſo bald wie möglich los zu ſein wünſche. Hieran knüpf’ ich noch, was ich den Aufzeichnungen einer ſchon an anderer Stelle citirten Kaiſerswerther Schweſter ent- nehmen konnte: „Mit Frau von Scharnhorſt zu verkehren oder ſie zu kennen, ohne ſie zu lieben, wäre für jeden Menſchen unmöglich geweſen. Wenn eins unſerer Kinder erkrankte, beſtand ſie darauf, die Nachtwachen mit uns zu theilen. Ein andermal, als Fräulein Johanna noch ſpät am Abend nach einem eine Stunde Wegs ent- fernten Dorfe gerufen wurde, wollte ſie die Tochter bei ſo ſpäter Stunde den einſamen Weg nicht machen laſſen, und als dieſe hinwiederum nicht abließ, auf die Hilfe hinzuweiſen, die zu bringen ihre Pflicht ſei, ging die Mutter ſelbſt, aller Tagesmüdigkeit un- erachtet. „Unter dem vielen, was ihr oblag, war auch das Oekono- miſche, die geſammte Wirthſchaftsführung, und es zählte mitunter zu den allerſchwierigſten Aufgaben, alle Kranken und ſonſtigen Hausinſaſſen aus ihrer, der Frau v. Scharnhorſt Küche, mit zu verſorgen. Als ich dann ſpäter ſelbſt das Wirthſchaftliche lernte, ſchien es mir mitunter, als verführe ſie zu peinlich und accurat und mache mir die Lehrzeit ſchwerer als nöthig. Aber ſpäter hab’ ich

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/410>, abgerufen am 22.11.2024.