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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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von der Art, wie man ihnen auf Weinbergen und Wirthschafts-
höfen als Eingang in Sprit- oder Eiskeller begegnet.

Es war also mit nur geringen Erwartungen, daß ich die
Kirche betrat. Aber freilich auch dies Wenige sollte kaum erfüllt
werden. An der einen Wand hingen ein paar Todtenkronen und
Immortellenkränze, während über dem Altar ein Abendmahlsbild
paradirte, darauf Judas um kein Haar breit schlimmer aussah
als die zwölf andern, Christus mit eingerechnet. Ich übersah
rasch, daß hier wenig zu machen sei, wollt' aber das Meine ge-
than haben und sagte: "Sie wissen doch, daß es früher eine
Löschebrandsche Kirche war und daß viele Löschebrands hier be-
graben wurden?"

"Ich habe davon gehört, unser alter Emeritus ..."

"Und da wundert es mich, hier nichts als kahle Wände zu
finden. Einer aus der Familie war mit Feldmarschall Illo ver-
schwägert, ein andrer fiel bei Fehrbellin, und ein dritter soll sich
gegen die Türken ausgezeichnet und dem Kuprili die große Pro-
phetenfahne mit eigner Hand entrissen haben. Ich nenne nur
diese drei. Nach meinen Erfahrungen nun auf diesem Gebiete
geht man in unsren märkischen Familien über solche Dinge nicht
gleichgültig fort, und wenn auch selbstverständlich die großen Ge-
schichtsbücher nicht Zeit und Platz haben, ein Aufhebens davon zu
machen, so thuen es doch die Kirchen und Krypten überall da, wo
solche Schwertmagen und Kriegsgurgeln zu Hause waren. Und
da gibt es denn immer allerlei Fahnenfetzen und zerbröckelte Feld-
marschallsstäbe, Kettenkugeln und Stulpstiefel, und unter Um-
ständen auch wohl rostige Degen, mit denen ein Bruder den
andern über den Haufen gestochen. Ist denn garnicht so was
hier? Es ist doch eigentlich genable für eine berühmte alte Fa-
milie, wenn all dergleichen bei Todten und Lebendigen fehlt. Es
darf nicht fehlen. Es muß dergleichen geben."

"Und es hat auch dergleichen gegeben. Hier in dieser Kirche.
Wenn ich sage "dergleichen", so mein' ich nicht Degen mit Bruder-
mord, denn ich will mir nichts an den Hals reden. Aber Grab-
steine mit Inschriften und Engelsköpfen, und einen kupfernen
Sarg mit einem Kuckfenster oben, all das und manch andres noch
war da. Darüber ist kein Zweifel.

von der Art, wie man ihnen auf Weinbergen und Wirthſchafts-
höfen als Eingang in Sprit- oder Eiskeller begegnet.

Es war alſo mit nur geringen Erwartungen, daß ich die
Kirche betrat. Aber freilich auch dies Wenige ſollte kaum erfüllt
werden. An der einen Wand hingen ein paar Todtenkronen und
Immortellenkränze, während über dem Altar ein Abendmahlsbild
paradirte, darauf Judas um kein Haar breit ſchlimmer ausſah
als die zwölf andern, Chriſtus mit eingerechnet. Ich überſah
raſch, daß hier wenig zu machen ſei, wollt’ aber das Meine ge-
than haben und ſagte: „Sie wiſſen doch, daß es früher eine
Löſchebrandſche Kirche war und daß viele Löſchebrands hier be-
graben wurden?“

„Ich habe davon gehört, unſer alter Emeritus …“

„Und da wundert es mich, hier nichts als kahle Wände zu
finden. Einer aus der Familie war mit Feldmarſchall Illo ver-
ſchwägert, ein andrer fiel bei Fehrbellin, und ein dritter ſoll ſich
gegen die Türken ausgezeichnet und dem Kuprili die große Pro-
phetenfahne mit eigner Hand entriſſen haben. Ich nenne nur
dieſe drei. Nach meinen Erfahrungen nun auf dieſem Gebiete
geht man in unſren märkiſchen Familien über ſolche Dinge nicht
gleichgültig fort, und wenn auch ſelbſtverſtändlich die großen Ge-
ſchichtsbücher nicht Zeit und Platz haben, ein Aufhebens davon zu
machen, ſo thuen es doch die Kirchen und Krypten überall da, wo
ſolche Schwertmagen und Kriegsgurgeln zu Hauſe waren. Und
da gibt es denn immer allerlei Fahnenfetzen und zerbröckelte Feld-
marſchallsſtäbe, Kettenkugeln und Stulpſtiefel, und unter Um-
ſtänden auch wohl roſtige Degen, mit denen ein Bruder den
andern über den Haufen geſtochen. Iſt denn garnicht ſo was
hier? Es iſt doch eigentlich gênable für eine berühmte alte Fa-
milie, wenn all dergleichen bei Todten und Lebendigen fehlt. Es
darf nicht fehlen. Es muß dergleichen geben.“

„Und es hat auch dergleichen gegeben. Hier in dieſer Kirche.
Wenn ich ſage „dergleichen“, ſo mein’ ich nicht Degen mit Bruder-
mord, denn ich will mir nichts an den Hals reden. Aber Grab-
ſteine mit Inſchriften und Engelsköpfen, und einen kupfernen
Sarg mit einem Kuckfenſter oben, all das und manch andres noch
war da. Darüber iſt kein Zweifel.

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[30/0046] von der Art, wie man ihnen auf Weinbergen und Wirthſchafts- höfen als Eingang in Sprit- oder Eiskeller begegnet. Es war alſo mit nur geringen Erwartungen, daß ich die Kirche betrat. Aber freilich auch dies Wenige ſollte kaum erfüllt werden. An der einen Wand hingen ein paar Todtenkronen und Immortellenkränze, während über dem Altar ein Abendmahlsbild paradirte, darauf Judas um kein Haar breit ſchlimmer ausſah als die zwölf andern, Chriſtus mit eingerechnet. Ich überſah raſch, daß hier wenig zu machen ſei, wollt’ aber das Meine ge- than haben und ſagte: „Sie wiſſen doch, daß es früher eine Löſchebrandſche Kirche war und daß viele Löſchebrands hier be- graben wurden?“ „Ich habe davon gehört, unſer alter Emeritus …“ „Und da wundert es mich, hier nichts als kahle Wände zu finden. Einer aus der Familie war mit Feldmarſchall Illo ver- ſchwägert, ein andrer fiel bei Fehrbellin, und ein dritter ſoll ſich gegen die Türken ausgezeichnet und dem Kuprili die große Pro- phetenfahne mit eigner Hand entriſſen haben. Ich nenne nur dieſe drei. Nach meinen Erfahrungen nun auf dieſem Gebiete geht man in unſren märkiſchen Familien über ſolche Dinge nicht gleichgültig fort, und wenn auch ſelbſtverſtändlich die großen Ge- ſchichtsbücher nicht Zeit und Platz haben, ein Aufhebens davon zu machen, ſo thuen es doch die Kirchen und Krypten überall da, wo ſolche Schwertmagen und Kriegsgurgeln zu Hauſe waren. Und da gibt es denn immer allerlei Fahnenfetzen und zerbröckelte Feld- marſchallsſtäbe, Kettenkugeln und Stulpſtiefel, und unter Um- ſtänden auch wohl roſtige Degen, mit denen ein Bruder den andern über den Haufen geſtochen. Iſt denn garnicht ſo was hier? Es iſt doch eigentlich gênable für eine berühmte alte Fa- milie, wenn all dergleichen bei Todten und Lebendigen fehlt. Es darf nicht fehlen. Es muß dergleichen geben.“ „Und es hat auch dergleichen gegeben. Hier in dieſer Kirche. Wenn ich ſage „dergleichen“, ſo mein’ ich nicht Degen mit Bruder- mord, denn ich will mir nichts an den Hals reden. Aber Grab- ſteine mit Inſchriften und Engelsköpfen, und einen kupfernen Sarg mit einem Kuckfenſter oben, all das und manch andres noch war da. Darüber iſt kein Zweifel.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/46>, abgerufen am 21.11.2024.