diese Vorstadts-Ausspannung ab, um sich daselbst den Fuhrleuten als einer der ihrigen anzuschließen. Es gelang auch über Er- warten, und der Schliebensche, der durch Geld und gute Worte die Polacken leicht zu gewinnen gewußt hatte, war mit unter den Ersten, die bei Tagesanbruch in das eben geöffnete Thor einritten. Unmittelbar hinter dem Thore floß ein breiter und sumpfiger Spree-Graben, und als der Schliebensche des hier seines Dienstes wartenden Thorwächters ansichtig wurde, ritt er an diesen heran und bat ihn, ihm den Sattelgurt etwas fester zu schnallen. Der Thorwächter war auch bereit, eh er aber den Riemen fassen und scharf anziehen konnte, stieß ihn der böse Schnipperling ins Wasser und schoß im selben Augenblick ein Pistol ab. Das war das ver- abredete Zeichen für die bis dahin in einem Kussel-Busch versteckt gehaltenen Reiter, die nun in raschem Trabe das Thor passirten und über die lange Holzbrücke in die Stadt eindrangen. Anfangs versuchten hier die grade bei der Frühsuppe sitzenden Bürger einen Widerstand und schlugen sich tapfer mit dem Reitervolk herum, als ihnen Minckwitz aber zurief: "es gelte dem Bischof und nicht ihnen" ließen sie vom Kampf ab und gaben den Weg nach der bischöflichen Burg hin frei. Freilich ohne daß man auf Minck- witzischer Seite noch irgend einen Vortheil davon gezogen hätte, denn als die Rotte bald danach in die Burg einstürmte, fand sie nur noch das leere Nest. Der Bischof hatte Zeit gefunden seine Flucht zu bewerkstelligen, und nur wenige Dienstleute wurden zu Gefangenen gemacht, darunter Matthias v. Blumenthal, des Bi- schofs Bruder.
Das däuchte nun den Minckwitzischen zu wenig, und wenn es ihnen anfänglich unzweifelhaft nur um die Person des Bi- schofs zu thun gewesen war, so ließ sie jetzt der Aerger alle guten Vorsätze vergessen, und Minckwitz selber ertheilte Befehl oder ge- stattete doch wenigstens, daß das bischöfliche Schloß; die Domkirche, das Rathhaus und das Domherrn-Viertel geplündert werde. Was sich denn auch unverzüglich ins Werk setzte. Selbst die kirchlichen Gefäße, die Patenen und Abendmahlskelche, wurden nicht verschont und das Zerstörungswerk geschah um so gründlicher und rücksichts- loser, als sich unter den Plünderern bereits sehr viele befanden, die Gegner und Verächter der katholischen Kirche waren. Im
dieſe Vorſtadts-Ausſpannung ab, um ſich daſelbſt den Fuhrleuten als einer der ihrigen anzuſchließen. Es gelang auch über Er- warten, und der Schliebenſche, der durch Geld und gute Worte die Polacken leicht zu gewinnen gewußt hatte, war mit unter den Erſten, die bei Tagesanbruch in das eben geöffnete Thor einritten. Unmittelbar hinter dem Thore floß ein breiter und ſumpfiger Spree-Graben, und als der Schliebenſche des hier ſeines Dienſtes wartenden Thorwächters anſichtig wurde, ritt er an dieſen heran und bat ihn, ihm den Sattelgurt etwas feſter zu ſchnallen. Der Thorwächter war auch bereit, eh er aber den Riemen faſſen und ſcharf anziehen konnte, ſtieß ihn der böſe Schnipperling ins Waſſer und ſchoß im ſelben Augenblick ein Piſtol ab. Das war das ver- abredete Zeichen für die bis dahin in einem Kuſſel-Buſch verſteckt gehaltenen Reiter, die nun in raſchem Trabe das Thor paſſirten und über die lange Holzbrücke in die Stadt eindrangen. Anfangs verſuchten hier die grade bei der Frühſuppe ſitzenden Bürger einen Widerſtand und ſchlugen ſich tapfer mit dem Reitervolk herum, als ihnen Minckwitz aber zurief: „es gelte dem Biſchof und nicht ihnen“ ließen ſie vom Kampf ab und gaben den Weg nach der biſchöflichen Burg hin frei. Freilich ohne daß man auf Minck- witziſcher Seite noch irgend einen Vortheil davon gezogen hätte, denn als die Rotte bald danach in die Burg einſtürmte, fand ſie nur noch das leere Neſt. Der Biſchof hatte Zeit gefunden ſeine Flucht zu bewerkſtelligen, und nur wenige Dienſtleute wurden zu Gefangenen gemacht, darunter Matthias v. Blumenthal, des Bi- ſchofs Bruder.
Das däuchte nun den Minckwitziſchen zu wenig, und wenn es ihnen anfänglich unzweifelhaft nur um die Perſon des Bi- ſchofs zu thun geweſen war, ſo ließ ſie jetzt der Aerger alle guten Vorſätze vergeſſen, und Minckwitz ſelber ertheilte Befehl oder ge- ſtattete doch wenigſtens, daß das biſchöfliche Schloß; die Domkirche, das Rathhaus und das Domherrn-Viertel geplündert werde. Was ſich denn auch unverzüglich ins Werk ſetzte. Selbſt die kirchlichen Gefäße, die Patenen und Abendmahlskelche, wurden nicht verſchont und das Zerſtörungswerk geſchah um ſo gründlicher und rückſichts- loſer, als ſich unter den Plünderern bereits ſehr viele befanden, die Gegner und Verächter der katholiſchen Kirche waren. Im
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[47/0063]
dieſe Vorſtadts-Ausſpannung ab, um ſich daſelbſt den Fuhrleuten
als einer der ihrigen anzuſchließen. Es gelang auch über Er-
warten, und der Schliebenſche, der durch Geld und gute Worte die
Polacken leicht zu gewinnen gewußt hatte, war mit unter den
Erſten, die bei Tagesanbruch in das eben geöffnete Thor einritten.
Unmittelbar hinter dem Thore floß ein breiter und ſumpfiger
Spree-Graben, und als der Schliebenſche des hier ſeines Dienſtes
wartenden Thorwächters anſichtig wurde, ritt er an dieſen heran
und bat ihn, ihm den Sattelgurt etwas feſter zu ſchnallen. Der
Thorwächter war auch bereit, eh er aber den Riemen faſſen und
ſcharf anziehen konnte, ſtieß ihn der böſe Schnipperling ins Waſſer
und ſchoß im ſelben Augenblick ein Piſtol ab. Das war das ver-
abredete Zeichen für die bis dahin in einem Kuſſel-Buſch verſteckt
gehaltenen Reiter, die nun in raſchem Trabe das Thor paſſirten
und über die lange Holzbrücke in die Stadt eindrangen. Anfangs
verſuchten hier die grade bei der Frühſuppe ſitzenden Bürger einen
Widerſtand und ſchlugen ſich tapfer mit dem Reitervolk herum,
als ihnen Minckwitz aber zurief: „es gelte dem Biſchof und nicht
ihnen“ ließen ſie vom Kampf ab und gaben den Weg nach der
biſchöflichen Burg hin frei. Freilich ohne daß man auf Minck-
witziſcher Seite noch irgend einen Vortheil davon gezogen hätte,
denn als die Rotte bald danach in die Burg einſtürmte, fand ſie
nur noch das leere Neſt. Der Biſchof hatte Zeit gefunden ſeine
Flucht zu bewerkſtelligen, und nur wenige Dienſtleute wurden zu
Gefangenen gemacht, darunter Matthias v. Blumenthal, des Bi-
ſchofs Bruder.
Das däuchte nun den Minckwitziſchen zu wenig, und wenn
es ihnen anfänglich unzweifelhaft nur um die Perſon des Bi-
ſchofs zu thun geweſen war, ſo ließ ſie jetzt der Aerger alle guten
Vorſätze vergeſſen, und Minckwitz ſelber ertheilte Befehl oder ge-
ſtattete doch wenigſtens, daß das biſchöfliche Schloß; die Domkirche,
das Rathhaus und das Domherrn-Viertel geplündert werde. Was
ſich denn auch unverzüglich ins Werk ſetzte. Selbſt die kirchlichen
Gefäße, die Patenen und Abendmahlskelche, wurden nicht verſchont
und das Zerſtörungswerk geſchah um ſo gründlicher und rückſichts-
loſer, als ſich unter den Plünderern bereits ſehr viele befanden,
die Gegner und Verächter der katholiſchen Kirche waren. Im
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/63>, abgerufen am 27.11.2024.
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