Kreise der Anführer aber richtete sich das Hauptaugenmerk auf ihre beim Domkapitel aufbewahrten Verschreibungen und Schuld- scheine, die nun, soweit sie zur Stelle waren, entweder vernichtet oder mitgenommen wurden. Weniger glücklich war Minckwitz in Person, der den im Dom aufbewahrten Domschatz in seine Gewalt zu bringen hoffte. Die Sakristei, darin er ihn muthmaßte, wurde bis unter den Fußboden untersucht, aber ein Fleckchen übersah er: den durch die geöffnete Sakristei-Thür gebildeten Winkel. Und gerade hier stand der Kasten, der den Domschatz bewahrte.
Zuletzt richtete sich die Stimmung, wie man kaum anders erwarten konnte, gegen die Stadt selbst, und als einer aus der Rotte bemerkte, "daß die Bürgerschaft an dem Scheitern ihres Anschlages eigentlich Schuld sei, weil ihr Widerstand dem Bischofe Zeit zur Flucht gegeben habe" fiel man ohne Weitres über die Bürger her. Einer, der sich widersetzen wollte, verlor sein Leben, und nur zwei Häuser entgingen der allgemeinen Plünderung: eines dadurch, daß der Brauer, der es bewohnte, die heiße Malz- brühe den Anstürmenden auf die Köpfe goß, ein andres dadurch, daß man von innen her ein langes weißes Laken aushängte, wie wenn ein Todter im Hause sei. Nach ein paar Stunden endlich hatte sich das Unwesen ausgetobt, und der ganze Zug zog wieder heimwärts und nahm des Bischofs Bruder gefangen nach Sonnenwalde mit.
Der Bischof Georg von Blumenthal sucht Schutz beim Kurfürsten und Nickel von Minckwitz wird flüchtig.
Der geflüchtete Bischof eilte geraden Weges nach der Grimnitz, wo sich Kurfürst Joachim eben aufhielt. Dieser, nach empfangenem Bericht, befahl einem seiner Diener, dem Martin Böhme, mit acht Reitern den Räubern nachzusetzen, um wenigstens in Erfahrung zu bringen, wo sie den Raub zu bergen gedächten. Dies märkische Detachement aber, das für seine Aufgabe viel zu schwach war, wurde zu Dobrilug von den Minckwitzischen überrascht, und Martin Böhme selbst fiel, als er eben sein Pferd besteigen wollte, durch einen Dolchstoß von Schliebens Hand. Seine Reiter wurden gefangen genommen und erst nach Jahresfrist von Sonnenwalde wieder entlassen.
Kreiſe der Anführer aber richtete ſich das Hauptaugenmerk auf ihre beim Domkapitel aufbewahrten Verſchreibungen und Schuld- ſcheine, die nun, ſoweit ſie zur Stelle waren, entweder vernichtet oder mitgenommen wurden. Weniger glücklich war Minckwitz in Perſon, der den im Dom aufbewahrten Domſchatz in ſeine Gewalt zu bringen hoffte. Die Sakriſtei, darin er ihn muthmaßte, wurde bis unter den Fußboden unterſucht, aber ein Fleckchen überſah er: den durch die geöffnete Sakriſtei-Thür gebildeten Winkel. Und gerade hier ſtand der Kaſten, der den Domſchatz bewahrte.
Zuletzt richtete ſich die Stimmung, wie man kaum anders erwarten konnte, gegen die Stadt ſelbſt, und als einer aus der Rotte bemerkte, „daß die Bürgerſchaft an dem Scheitern ihres Anſchlages eigentlich Schuld ſei, weil ihr Widerſtand dem Biſchofe Zeit zur Flucht gegeben habe“ fiel man ohne Weitres über die Bürger her. Einer, der ſich widerſetzen wollte, verlor ſein Leben, und nur zwei Häuſer entgingen der allgemeinen Plünderung: eines dadurch, daß der Brauer, der es bewohnte, die heiße Malz- brühe den Anſtürmenden auf die Köpfe goß, ein andres dadurch, daß man von innen her ein langes weißes Laken aushängte, wie wenn ein Todter im Hauſe ſei. Nach ein paar Stunden endlich hatte ſich das Unweſen ausgetobt, und der ganze Zug zog wieder heimwärts und nahm des Biſchofs Bruder gefangen nach Sonnenwalde mit.
Der Biſchof Georg von Blumenthal ſucht Schutz beim Kurfürſten und Nickel von Minckwitz wird flüchtig.
Der geflüchtete Biſchof eilte geraden Weges nach der Grimnitz, wo ſich Kurfürſt Joachim eben aufhielt. Dieſer, nach empfangenem Bericht, befahl einem ſeiner Diener, dem Martin Böhme, mit acht Reitern den Räubern nachzuſetzen, um wenigſtens in Erfahrung zu bringen, wo ſie den Raub zu bergen gedächten. Dies märkiſche Detachement aber, das für ſeine Aufgabe viel zu ſchwach war, wurde zu Dobrilug von den Minckwitziſchen überraſcht, und Martin Böhme ſelbſt fiel, als er eben ſein Pferd beſteigen wollte, durch einen Dolchſtoß von Schliebens Hand. Seine Reiter wurden gefangen genommen und erſt nach Jahresfriſt von Sonnenwalde wieder entlaſſen.
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[48/0064]
Kreiſe der Anführer aber richtete ſich das Hauptaugenmerk auf
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ſcheine, die nun, ſoweit ſie zur Stelle waren, entweder vernichtet
oder mitgenommen wurden. Weniger glücklich war Minckwitz in
Perſon, der den im Dom aufbewahrten Domſchatz in ſeine Gewalt
zu bringen hoffte. Die Sakriſtei, darin er ihn muthmaßte, wurde
bis unter den Fußboden unterſucht, aber ein Fleckchen überſah er:
den durch die geöffnete Sakriſtei-Thür gebildeten Winkel. Und
gerade hier ſtand der Kaſten, der den Domſchatz bewahrte.
Zuletzt richtete ſich die Stimmung, wie man kaum anders
erwarten konnte, gegen die Stadt ſelbſt, und als einer aus der
Rotte bemerkte, „daß die Bürgerſchaft an dem Scheitern ihres
Anſchlages eigentlich Schuld ſei, weil ihr Widerſtand dem Biſchofe
Zeit zur Flucht gegeben habe“ fiel man ohne Weitres über die
Bürger her. Einer, der ſich widerſetzen wollte, verlor ſein Leben,
und nur zwei Häuſer entgingen der allgemeinen Plünderung:
eines dadurch, daß der Brauer, der es bewohnte, die heiße Malz-
brühe den Anſtürmenden auf die Köpfe goß, ein andres dadurch,
daß man von innen her ein langes weißes Laken aushängte,
wie wenn ein Todter im Hauſe ſei. Nach ein paar Stunden
endlich hatte ſich das Unweſen ausgetobt, und der ganze Zug zog
wieder heimwärts und nahm des Biſchofs Bruder gefangen nach
Sonnenwalde mit.
Der Biſchof Georg von Blumenthal ſucht Schutz beim
Kurfürſten und Nickel von Minckwitz wird flüchtig.
Der geflüchtete Biſchof eilte geraden Weges nach der Grimnitz,
wo ſich Kurfürſt Joachim eben aufhielt. Dieſer, nach empfangenem
Bericht, befahl einem ſeiner Diener, dem Martin Böhme, mit
acht Reitern den Räubern nachzuſetzen, um wenigſtens in Erfahrung
zu bringen, wo ſie den Raub zu bergen gedächten. Dies märkiſche
Detachement aber, das für ſeine Aufgabe viel zu ſchwach war,
wurde zu Dobrilug von den Minckwitziſchen überraſcht, und
Martin Böhme ſelbſt fiel, als er eben ſein Pferd beſteigen wollte,
durch einen Dolchſtoß von Schliebens Hand. Seine Reiter wurden
gefangen genommen und erſt nach Jahresfriſt von Sonnenwalde
wieder entlaſſen.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/64>, abgerufen am 27.11.2024.
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