schließen. Zum Schutze gegen Mücken und Motten wurde dicht am Steuer ein Windlicht aufgestellt, das wir unmittelbar darauf von all den Unholden umschwärmt sahen, die ohne diese Vorsichts- maßregel unsere Nachtruhe gestört haben würden. So aber schliefen wir unbelästigt unserem ersten Reisetag entgegen.
Von Cöpenick bis Dolgenbrod.
(Erster Reisetag.)
Als ich erwachte, war es heller Tag; die schon ziemlich hoch- stehende Sonne füllte die Cajüte mit Licht und an dem Lärm auf Deck, nicht minder an einer leichten Schaukelbewegung, ließ sich unschwer erkennen, daß unsere "Sphinx" bereits unter vollen Segeln war. Und so war es wirklich. Schloß Cöpenick, selbst das preis- richternde "Cafe Lubow", das am Abend vorher so oft genannt worden war, lagen längst hinter uns, und die Müggelberge links, die Spree-Haide rechts, fuhren wir mit scharfer Morgenbrise den Langen See hinauf.
Der Nordwest, der blies, so sehr er unserer Fahrt zu Statten kam, ließ es doch wünschenswerth erscheinen, unser Frühstück in der Cajüte zu nehmen, deren etwa nur zehn Fuß im Quadrat messen- der Raum schnell gelüftet war. Mudy trug auf, ein Riesentablet vor uns niedersetzend. Wir verfügten noch über all jene Herrlich- keiten, die auf Seereisen trotz ihrer Einfachheit die größten Luxus- artikel bilden: frisches Wasser, frische Milch und -- frische Semmeln. Mit letzteren hatte uns Cöpenick noch in aller Frühe versorgt.
Eine heitere halbe Stunde leitete den Tag ein, heiter und schönheitsvoll. In den Rahmen der offenstehenden Cajütenthür stellten sich camera-obscura-artig die Veduten dieser Spree- und Müggel-Gegenden. Ruhig ging die Unterhaltung; wenn sie schwieg, vernahmen wir deutlich jenen unbeschreiblichen Gluck- und Murmel- ton, womit sich ein scharfdurchschnittener Strom in nur halb ge- hobenen und unfertig bleibenden Wellen an die Planken eines Schiffes schmiegt.
Unser Auge richtete sich zumeist auf die wechselnden und doch dieselben bleibenden Landschaftsbilder, die jetzt in immer heller
Fontane, Wanderungen. IV. 5
ſchließen. Zum Schutze gegen Mücken und Motten wurde dicht am Steuer ein Windlicht aufgeſtellt, das wir unmittelbar darauf von all den Unholden umſchwärmt ſahen, die ohne dieſe Vorſichts- maßregel unſere Nachtruhe geſtört haben würden. So aber ſchliefen wir unbeläſtigt unſerem erſten Reiſetag entgegen.
Von Cöpenick bis Dolgenbrod.
(Erſter Reiſetag.)
Als ich erwachte, war es heller Tag; die ſchon ziemlich hoch- ſtehende Sonne füllte die Cajüte mit Licht und an dem Lärm auf Deck, nicht minder an einer leichten Schaukelbewegung, ließ ſich unſchwer erkennen, daß unſere „Sphinx“ bereits unter vollen Segeln war. Und ſo war es wirklich. Schloß Cöpenick, ſelbſt das preis- richternde „Café Lubow“, das am Abend vorher ſo oft genannt worden war, lagen längſt hinter uns, und die Müggelberge links, die Spree-Haide rechts, fuhren wir mit ſcharfer Morgenbriſe den Langen See hinauf.
Der Nordweſt, der blies, ſo ſehr er unſerer Fahrt zu Statten kam, ließ es doch wünſchenswerth erſcheinen, unſer Frühſtück in der Cajüte zu nehmen, deren etwa nur zehn Fuß im Quadrat meſſen- der Raum ſchnell gelüftet war. Mudy trug auf, ein Rieſentablet vor uns niederſetzend. Wir verfügten noch über all jene Herrlich- keiten, die auf Seereiſen trotz ihrer Einfachheit die größten Luxus- artikel bilden: friſches Waſſer, friſche Milch und — friſche Semmeln. Mit letzteren hatte uns Cöpenick noch in aller Frühe verſorgt.
Eine heitere halbe Stunde leitete den Tag ein, heiter und ſchönheitsvoll. In den Rahmen der offenſtehenden Cajütenthür ſtellten ſich camera-obscura-artig die Veduten dieſer Spree- und Müggel-Gegenden. Ruhig ging die Unterhaltung; wenn ſie ſchwieg, vernahmen wir deutlich jenen unbeſchreiblichen Gluck- und Murmel- ton, womit ſich ein ſcharfdurchſchnittener Strom in nur halb ge- hobenen und unfertig bleibenden Wellen an die Planken eines Schiffes ſchmiegt.
Unſer Auge richtete ſich zumeiſt auf die wechſelnden und doch dieſelben bleibenden Landſchaftsbilder, die jetzt in immer heller
Fontane, Wanderungen. IV. 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0081"n="65"/>ſchließen. Zum Schutze gegen Mücken und Motten wurde dicht<lb/>
am Steuer ein Windlicht aufgeſtellt, das wir unmittelbar darauf<lb/>
von all den Unholden umſchwärmt ſahen, die ohne dieſe Vorſichts-<lb/>
maßregel unſere Nachtruhe geſtört haben würden. So aber ſchliefen<lb/>
wir unbeläſtigt unſerem erſten Reiſetag entgegen.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head><hirendition="#b">Von Cöpenick bis Dolgenbrod.</hi></head><lb/><p><hirendition="#c">(<hirendition="#g">Erſter Reiſetag</hi>.)</hi></p><lb/><p>Als ich erwachte, war es heller Tag; die ſchon ziemlich hoch-<lb/>ſtehende Sonne füllte die Cajüte mit Licht und an dem Lärm auf<lb/>
Deck, nicht minder an einer leichten Schaukelbewegung, ließ ſich<lb/>
unſchwer erkennen, daß unſere „Sphinx“ bereits unter vollen Segeln<lb/>
war. Und ſo war es wirklich. Schloß Cöpenick, ſelbſt das preis-<lb/>
richternde „Caf<hirendition="#aq">é</hi> Lubow“, das am Abend vorher ſo oft genannt<lb/>
worden war, lagen längſt hinter uns, und die Müggelberge links,<lb/>
die Spree-Haide rechts, fuhren wir mit ſcharfer Morgenbriſe den<lb/>
Langen See hinauf.</p><lb/><p>Der Nordweſt, der blies, ſo ſehr er unſerer Fahrt zu Statten<lb/>
kam, ließ es doch wünſchenswerth erſcheinen, unſer Frühſtück in der<lb/>
Cajüte zu nehmen, deren etwa nur zehn Fuß im Quadrat meſſen-<lb/>
der Raum ſchnell gelüftet war. Mudy trug auf, ein Rieſentablet<lb/>
vor uns niederſetzend. Wir verfügten noch über all jene Herrlich-<lb/>
keiten, die auf Seereiſen trotz ihrer Einfachheit die größten Luxus-<lb/>
artikel bilden: friſches Waſſer, friſche Milch und — friſche Semmeln.<lb/>
Mit letzteren hatte uns Cöpenick noch in aller Frühe verſorgt.</p><lb/><p>Eine heitere halbe Stunde leitete den Tag ein, heiter und<lb/>ſchönheitsvoll. In den Rahmen der offenſtehenden Cajütenthür<lb/>ſtellten ſich <hirendition="#aq">camera-obscura</hi>-artig die Veduten dieſer Spree- und<lb/>
Müggel-Gegenden. Ruhig ging die Unterhaltung; wenn ſie ſchwieg,<lb/>
vernahmen wir deutlich jenen unbeſchreiblichen Gluck- und Murmel-<lb/>
ton, womit ſich ein ſcharfdurchſchnittener Strom in nur halb ge-<lb/>
hobenen und unfertig bleibenden Wellen an die Planken eines<lb/>
Schiffes ſchmiegt.</p><lb/><p>Unſer Auge richtete ſich zumeiſt auf die wechſelnden und<lb/>
doch dieſelben bleibenden Landſchaftsbilder, die jetzt in immer heller<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Fontane</hi>, Wanderungen. <hirendition="#aq">IV.</hi> 5</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[65/0081]
ſchließen. Zum Schutze gegen Mücken und Motten wurde dicht
am Steuer ein Windlicht aufgeſtellt, das wir unmittelbar darauf
von all den Unholden umſchwärmt ſahen, die ohne dieſe Vorſichts-
maßregel unſere Nachtruhe geſtört haben würden. So aber ſchliefen
wir unbeläſtigt unſerem erſten Reiſetag entgegen.
Von Cöpenick bis Dolgenbrod.
(Erſter Reiſetag.)
Als ich erwachte, war es heller Tag; die ſchon ziemlich hoch-
ſtehende Sonne füllte die Cajüte mit Licht und an dem Lärm auf
Deck, nicht minder an einer leichten Schaukelbewegung, ließ ſich
unſchwer erkennen, daß unſere „Sphinx“ bereits unter vollen Segeln
war. Und ſo war es wirklich. Schloß Cöpenick, ſelbſt das preis-
richternde „Café Lubow“, das am Abend vorher ſo oft genannt
worden war, lagen längſt hinter uns, und die Müggelberge links,
die Spree-Haide rechts, fuhren wir mit ſcharfer Morgenbriſe den
Langen See hinauf.
Der Nordweſt, der blies, ſo ſehr er unſerer Fahrt zu Statten
kam, ließ es doch wünſchenswerth erſcheinen, unſer Frühſtück in der
Cajüte zu nehmen, deren etwa nur zehn Fuß im Quadrat meſſen-
der Raum ſchnell gelüftet war. Mudy trug auf, ein Rieſentablet
vor uns niederſetzend. Wir verfügten noch über all jene Herrlich-
keiten, die auf Seereiſen trotz ihrer Einfachheit die größten Luxus-
artikel bilden: friſches Waſſer, friſche Milch und — friſche Semmeln.
Mit letzteren hatte uns Cöpenick noch in aller Frühe verſorgt.
Eine heitere halbe Stunde leitete den Tag ein, heiter und
ſchönheitsvoll. In den Rahmen der offenſtehenden Cajütenthür
ſtellten ſich camera-obscura-artig die Veduten dieſer Spree- und
Müggel-Gegenden. Ruhig ging die Unterhaltung; wenn ſie ſchwieg,
vernahmen wir deutlich jenen unbeſchreiblichen Gluck- und Murmel-
ton, womit ſich ein ſcharfdurchſchnittener Strom in nur halb ge-
hobenen und unfertig bleibenden Wellen an die Planken eines
Schiffes ſchmiegt.
Unſer Auge richtete ſich zumeiſt auf die wechſelnden und
doch dieſelben bleibenden Landſchaftsbilder, die jetzt in immer heller
Fontane, Wanderungen. IV. 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/81>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.