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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Herr Gemahl ist, das weiß ich, und wie Sie sind,
meine gnädigste Frau, das sehe ich."

"Wenn Sie nur nicht mit zu freundlichen
Augen sehen. Ich bin so sehr jung. Und Jugend ..."

"Ach, meine gnädigste Frau, sagen Sie nichts
gegen die Jugend. Die Jugend, auch in ihren
Fehlern ist sie noch schön und liebenswürdig, und
das Alter, auch in seinen Tugenden taugt es nicht
viel. Persönlich kann ich in dieser Frage freilich
nicht mitsprechen, vom Alter wohl, aber von der
Jugend nicht, denn ich bin eigentlich nie jung ge¬
wesen. Personen meines Schlages sind nie jung.
Ich darf wohl sagen, das ist das traurigste von der
Sache. Man hat keinen rechten Mut, man hat kein
Vertrauen zu sich selbst, man wagt kaum, eine Dame
zum Tanz aufzufordern, weil man ihr eine Verlegen¬
heit ersparen will, und so gehen die Jahre hin, und
man wird alt, und das Leben war arm und leer."

Effi gab ihm die Hand. "Ach, Sie dürfen so
was nicht sagen. Wir Frauen sind gar nicht so
schlecht."

"O, nein, gewiß nicht ..."

"Und wenn ich mir so zurückrufe," fuhr Effi
fort, "was ich alles erlebt habe ... viel ist es nicht,
denn ich bin wenig herausgekommen und habe fast
immer auf dem Lande gelebt ... aber wenn ich es

Effi Brieſt
Herr Gemahl iſt, das weiß ich, und wie Sie ſind,
meine gnädigſte Frau, das ſehe ich.“

„Wenn Sie nur nicht mit zu freundlichen
Augen ſehen. Ich bin ſo ſehr jung. Und Jugend …“

„Ach, meine gnädigſte Frau, ſagen Sie nichts
gegen die Jugend. Die Jugend, auch in ihren
Fehlern iſt ſie noch ſchön und liebenswürdig, und
das Alter, auch in ſeinen Tugenden taugt es nicht
viel. Perſönlich kann ich in dieſer Frage freilich
nicht mitſprechen, vom Alter wohl, aber von der
Jugend nicht, denn ich bin eigentlich nie jung ge¬
weſen. Perſonen meines Schlages ſind nie jung.
Ich darf wohl ſagen, das iſt das traurigſte von der
Sache. Man hat keinen rechten Mut, man hat kein
Vertrauen zu ſich ſelbſt, man wagt kaum, eine Dame
zum Tanz aufzufordern, weil man ihr eine Verlegen¬
heit erſparen will, und ſo gehen die Jahre hin, und
man wird alt, und das Leben war arm und leer.“

Effi gab ihm die Hand. „Ach, Sie dürfen ſo
was nicht ſagen. Wir Frauen ſind gar nicht ſo
ſchlecht.“

„O, nein, gewiß nicht …“

„Und wenn ich mir ſo zurückrufe,“ fuhr Effi
fort, „was ich alles erlebt habe … viel iſt es nicht,
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[102/0111] Effi Brieſt Herr Gemahl iſt, das weiß ich, und wie Sie ſind, meine gnädigſte Frau, das ſehe ich.“ „Wenn Sie nur nicht mit zu freundlichen Augen ſehen. Ich bin ſo ſehr jung. Und Jugend …“ „Ach, meine gnädigſte Frau, ſagen Sie nichts gegen die Jugend. Die Jugend, auch in ihren Fehlern iſt ſie noch ſchön und liebenswürdig, und das Alter, auch in ſeinen Tugenden taugt es nicht viel. Perſönlich kann ich in dieſer Frage freilich nicht mitſprechen, vom Alter wohl, aber von der Jugend nicht, denn ich bin eigentlich nie jung ge¬ weſen. Perſonen meines Schlages ſind nie jung. Ich darf wohl ſagen, das iſt das traurigſte von der Sache. Man hat keinen rechten Mut, man hat kein Vertrauen zu ſich ſelbſt, man wagt kaum, eine Dame zum Tanz aufzufordern, weil man ihr eine Verlegen¬ heit erſparen will, und ſo gehen die Jahre hin, und man wird alt, und das Leben war arm und leer.“ Effi gab ihm die Hand. „Ach, Sie dürfen ſo was nicht ſagen. Wir Frauen ſind gar nicht ſo ſchlecht.“ „O, nein, gewiß nicht …“ „Und wenn ich mir ſo zurückrufe,“ fuhr Effi fort, „was ich alles erlebt habe … viel iſt es nicht, denn ich bin wenig herausgekommen und habe faſt immer auf dem Lande gelebt … aber wenn ich es

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/111>, abgerufen am 15.05.2024.