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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

"Wie spät ist es, Friedrich?"

"Es geht auf neun, gnäd'ge Frau."

"Nun, das läßt sich hören. Schicken Sie mir
Johanna."


"Gnäd'ge Frau haben befohlen."

"Ja, Johanna. Ich will zu Bett gehen. Es
ist eigentlich noch früh. Aber ich bin so allein.
Bitte, thun Sie den Brief erst ein, und wenn Sie
wieder da sind, nun, dann wird es wohl Zeit sein.
Und wenn auch nicht."

Effi nahm die Lampe und ging in ihr Schlaf¬
zimmer hinüber. Richtig, auf der Binsenmatte lag
Rollo. Als er Effi kommen sah, erhob er sich, um
den Platz frei zu geben, und strich mit seinem Be¬
hang an ihrer Hand hin. Dann legte er sich wieder
nieder.

Johanna war inzwischen nach dem Landratsamt
hinübergegangen, um da den Brief einzustecken. Sie
hatte sich drüben nicht sonderlich beeilt, vielmehr vor¬
gezogen, mit der Frau Paaschen, des Amtsdieners
Frau, ein Gespräch zu führen. Natürlich über die
junge Frau.

"Wie ist sie denn?" fragte die Paaschen.

"Sehr jung ist sie."

"Nun, das ist kein Unglück, eher umgekehrt.

Effi Brieſt

„Wie ſpät iſt es, Friedrich?“

„Es geht auf neun, gnäd'ge Frau.“

„Nun, das läßt ſich hören. Schicken Sie mir
Johanna.“


„Gnäd'ge Frau haben befohlen.“

„Ja, Johanna. Ich will zu Bett gehen. Es
iſt eigentlich noch früh. Aber ich bin ſo allein.
Bitte, thun Sie den Brief erſt ein, und wenn Sie
wieder da ſind, nun, dann wird es wohl Zeit ſein.
Und wenn auch nicht.“

Effi nahm die Lampe und ging in ihr Schlaf¬
zimmer hinüber. Richtig, auf der Binſenmatte lag
Rollo. Als er Effi kommen ſah, erhob er ſich, um
den Platz frei zu geben, und ſtrich mit ſeinem Be¬
hang an ihrer Hand hin. Dann legte er ſich wieder
nieder.

Johanna war inzwiſchen nach dem Landratsamt
hinübergegangen, um da den Brief einzuſtecken. Sie
hatte ſich drüben nicht ſonderlich beeilt, vielmehr vor¬
gezogen, mit der Frau Paaſchen, des Amtsdieners
Frau, ein Geſpräch zu führen. Natürlich über die
junge Frau.

„Wie iſt ſie denn?“ fragte die Paaſchen.

„Sehr jung iſt ſie.“

„Nun, das iſt kein Unglück, eher umgekehrt.

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[118/0127] Effi Brieſt „Wie ſpät iſt es, Friedrich?“ „Es geht auf neun, gnäd'ge Frau.“ „Nun, das läßt ſich hören. Schicken Sie mir Johanna.“ „Gnäd'ge Frau haben befohlen.“ „Ja, Johanna. Ich will zu Bett gehen. Es iſt eigentlich noch früh. Aber ich bin ſo allein. Bitte, thun Sie den Brief erſt ein, und wenn Sie wieder da ſind, nun, dann wird es wohl Zeit ſein. Und wenn auch nicht.“ Effi nahm die Lampe und ging in ihr Schlaf¬ zimmer hinüber. Richtig, auf der Binſenmatte lag Rollo. Als er Effi kommen ſah, erhob er ſich, um den Platz frei zu geben, und ſtrich mit ſeinem Be¬ hang an ihrer Hand hin. Dann legte er ſich wieder nieder. Johanna war inzwiſchen nach dem Landratsamt hinübergegangen, um da den Brief einzuſtecken. Sie hatte ſich drüben nicht ſonderlich beeilt, vielmehr vor¬ gezogen, mit der Frau Paaſchen, des Amtsdieners Frau, ein Geſpräch zu führen. Natürlich über die junge Frau. „Wie iſt ſie denn?“ fragte die Paaſchen. „Sehr jung iſt ſie.“ „Nun, das iſt kein Unglück, eher umgekehrt.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/127>, abgerufen am 15.05.2024.