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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Herz stillstände; sie konnte nicht rufen, und in diesem
Augenblicke huschte 'was an ihr vorbei, und die nach
dem Flur hinausführende Thür sprang auf. Aber
eben dieser Moment höchster Angst war auch der
ihrer Befreiung, denn, statt etwas Schrecklichem, kam
jetzt Rollo auf sie zu, suchte mit seinem Kopf nach
ihrer Hand und legte sich, als er diese gefunden,
auf den vor ihrem Bett ausgebreiteten Teppich nieder.
Effi selber aber hatte mit der andern Hand dreimal
auf den Knopf der Klingel gedrückt, und keine halbe
Minute, so war Johanna da, barfüßig, den Rock
über dem Arm und ein großes karriertes Tuch über
Kopf und Schulter geschlagen.

"Gott sei Dank, Johanna, daß Sie da sind."

"Was war denn, gnäd'ge Frau? Gnäd'ge
Frau haben geträumt."

"Ja, geträumt. Es muß so 'was gewesen sein ...
aber es war doch auch noch 'was anderes."

"Was denn, gnäd'ge Frau?"

"Ich schlief ganz fest, und mit einemmale fuhr
ich auf und schrie ... vielleicht, daß es ein Albdruck
war ... Albdruck ist in unserer Familie, mein Papa
hat es auch und ängstigt uns damit, und nur die
Mama sagt immer, er solle sich nicht so gehen lassen;
aber das ist leicht gesagt ... ich fuhr also auf aus
dem Schlaf und schrie, und als ich mich umsah, so

Effi Brieſt
Herz ſtillſtände; ſie konnte nicht rufen, und in dieſem
Augenblicke huſchte 'was an ihr vorbei, und die nach
dem Flur hinausführende Thür ſprang auf. Aber
eben dieſer Moment höchſter Angſt war auch der
ihrer Befreiung, denn, ſtatt etwas Schrecklichem, kam
jetzt Rollo auf ſie zu, ſuchte mit ſeinem Kopf nach
ihrer Hand und legte ſich, als er dieſe gefunden,
auf den vor ihrem Bett ausgebreiteten Teppich nieder.
Effi ſelber aber hatte mit der andern Hand dreimal
auf den Knopf der Klingel gedrückt, und keine halbe
Minute, ſo war Johanna da, barfüßig, den Rock
über dem Arm und ein großes karriertes Tuch über
Kopf und Schulter geſchlagen.

„Gott ſei Dank, Johanna, daß Sie da ſind.“

„Was war denn, gnäd'ge Frau? Gnäd'ge
Frau haben geträumt.“

„Ja, geträumt. Es muß ſo 'was geweſen ſein …
aber es war doch auch noch 'was anderes.“

„Was denn, gnäd'ge Frau?“

„Ich ſchlief ganz feſt, und mit einemmale fuhr
ich auf und ſchrie … vielleicht, daß es ein Albdruck
war … Albdruck iſt in unſerer Familie, mein Papa
hat es auch und ängſtigt uns damit, und nur die
Mama ſagt immer, er ſolle ſich nicht ſo gehen laſſen;
aber das iſt leicht geſagt … ich fuhr alſo auf aus
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[124/0133] Effi Brieſt Herz ſtillſtände; ſie konnte nicht rufen, und in dieſem Augenblicke huſchte 'was an ihr vorbei, und die nach dem Flur hinausführende Thür ſprang auf. Aber eben dieſer Moment höchſter Angſt war auch der ihrer Befreiung, denn, ſtatt etwas Schrecklichem, kam jetzt Rollo auf ſie zu, ſuchte mit ſeinem Kopf nach ihrer Hand und legte ſich, als er dieſe gefunden, auf den vor ihrem Bett ausgebreiteten Teppich nieder. Effi ſelber aber hatte mit der andern Hand dreimal auf den Knopf der Klingel gedrückt, und keine halbe Minute, ſo war Johanna da, barfüßig, den Rock über dem Arm und ein großes karriertes Tuch über Kopf und Schulter geſchlagen. „Gott ſei Dank, Johanna, daß Sie da ſind.“ „Was war denn, gnäd'ge Frau? Gnäd'ge Frau haben geträumt.“ „Ja, geträumt. Es muß ſo 'was geweſen ſein … aber es war doch auch noch 'was anderes.“ „Was denn, gnäd'ge Frau?“ „Ich ſchlief ganz feſt, und mit einemmale fuhr ich auf und ſchrie … vielleicht, daß es ein Albdruck war … Albdruck iſt in unſerer Familie, mein Papa hat es auch und ängſtigt uns damit, und nur die Mama ſagt immer, er ſolle ſich nicht ſo gehen laſſen; aber das iſt leicht geſagt … ich fuhr alſo auf aus dem Schlaf und ſchrie, und als ich mich umſah, ſo

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/133>, abgerufen am 26.11.2024.