gut es eben ging in dem Dunkel, da strich 'was an meinem Bett vorbei, gerade da, wo Sie jetzt stehen, Johanna, und dann war es weg. Und wenn ich mich recht frage, was es war ..."
"Nun was denn, gnäd'ge Frau?"
"Und wenn ich mich recht frage ... ich mag es nicht sagen, Johanna ... aber ich glaube der Chinese."
"Der von oben?" und Johanna versuchte zu lachen, "unser kleiner Chinese, den wir an die Stuhl¬ lehne geklebt haben, Christel und ich. Ach, gnäd'ge Frau haben geträumt, und wenn Sie schon wach waren, so war es doch alles noch aus dem Traum."
"Ich würd' es glauben. Aber es war genau derselbe Augenblick, wo Rollo draußen anschlug, der muß es also auch gesehen haben, und dann flog die Thür auf, und das gute, treue Tier sprang auf mich los, als ob es mich zu retten käme. Ach, meine liebe Johanna, es war entsetzlich. Und ich so allein, und so jung. Ach, wenn ich doch wen hier hätte, bei dem ich weinen könnte. Aber so weit von Hause ... Ach, von Hause ..."
"Der Herr kann jede Stunde kommen."
"Nein, er soll nicht kommen; er soll mich so nicht sehen. Er würde mich vielleicht auslachen, und das könnt' ich ihm nie verzeihen. Denn es war so
Effi Brieſt
gut es eben ging in dem Dunkel, da ſtrich 'was an meinem Bett vorbei, gerade da, wo Sie jetzt ſtehen, Johanna, und dann war es weg. Und wenn ich mich recht frage, was es war …“
„Nun was denn, gnäd'ge Frau?“
„Und wenn ich mich recht frage … ich mag es nicht ſagen, Johanna … aber ich glaube der Chineſe.“
„Der von oben?“ und Johanna verſuchte zu lachen, „unſer kleiner Chineſe, den wir an die Stuhl¬ lehne geklebt haben, Chriſtel und ich. Ach, gnäd'ge Frau haben geträumt, und wenn Sie ſchon wach waren, ſo war es doch alles noch aus dem Traum.“
„Ich würd' es glauben. Aber es war genau derſelbe Augenblick, wo Rollo draußen anſchlug, der muß es alſo auch geſehen haben, und dann flog die Thür auf, und das gute, treue Tier ſprang auf mich los, als ob es mich zu retten käme. Ach, meine liebe Johanna, es war entſetzlich. Und ich ſo allein, und ſo jung. Ach, wenn ich doch wen hier hätte, bei dem ich weinen könnte. Aber ſo weit von Hauſe … Ach, von Hauſe …“
„Der Herr kann jede Stunde kommen.“
„Nein, er ſoll nicht kommen; er ſoll mich ſo nicht ſehen. Er würde mich vielleicht auslachen, und das könnt' ich ihm nie verzeihen. Denn es war ſo
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Effi Brieſt
gut es eben ging in dem Dunkel, da ſtrich 'was an
meinem Bett vorbei, gerade da, wo Sie jetzt ſtehen,
Johanna, und dann war es weg. Und wenn ich
mich recht frage, was es war …“
„Nun was denn, gnäd'ge Frau?“
„Und wenn ich mich recht frage … ich mag
es nicht ſagen, Johanna … aber ich glaube der
Chineſe.“
„Der von oben?“ und Johanna verſuchte zu
lachen, „unſer kleiner Chineſe, den wir an die Stuhl¬
lehne geklebt haben, Chriſtel und ich. Ach, gnäd'ge
Frau haben geträumt, und wenn Sie ſchon wach
waren, ſo war es doch alles noch aus dem Traum.“
„Ich würd' es glauben. Aber es war genau
derſelbe Augenblick, wo Rollo draußen anſchlug, der
muß es alſo auch geſehen haben, und dann flog die
Thür auf, und das gute, treue Tier ſprang auf mich
los, als ob es mich zu retten käme. Ach, meine
liebe Johanna, es war entſetzlich. Und ich ſo allein,
und ſo jung. Ach, wenn ich doch wen hier hätte,
bei dem ich weinen könnte. Aber ſo weit von
Hauſe … Ach, von Hauſe …“
„Der Herr kann jede Stunde kommen.“
„Nein, er ſoll nicht kommen; er ſoll mich ſo
nicht ſehen. Er würde mich vielleicht auslachen, und
das könnt' ich ihm nie verzeihen. Denn es war ſo
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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/134>, abgerufen am 25.11.2024.
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