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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

"Nein." Und dabei lief sie auf die Mama zu
und umarmte sie stürmisch und küßte sie.

"Nicht so wild, Effi, nicht so leidenschaftlich.
Ich beunruhige mich immer, wenn ich Dich so sehe ..."
Und die Mama schien ernstlich willens, in Äußerung
ihrer Sorgen und Ängste fortzufahren. Aber sie
kam nicht weit damit, weil in eben diesem Augen¬
blicke drei junge Mädchen aus der kleinen, in der
Kirchhofsmauer angebrachten Eisenthür in den Garten
eintraten und einen Kiesweg entlang auf das Rondell
und die Sonnenuhr zuschritten. Alle drei grüßten
mit ihren Sonnenschirmen zu Effi herüber und eilten
dann auf Frau von Briest zu, um dieser die Hand
zu küssen. Diese that rasch ein paar Fragen und
lud dann die Mädchen ein, ihnen oder doch wenigstens
Effi auf eine halbe Stunde Gesellschaft zu leisten,
"ich habe ohnehin noch zu thun, und junges Volk
ist am liebsten unter sich. Gehabt Euch wohl." Und
dabei stieg sie die vom Garten in den Seitenflügel
führende Steintreppe hinauf.

Und da war nun die Jugend wirklich allein.

Zwei der jungen Mädchen -- kleine, rundliche
Persönchen, zu deren krausem, rotblondem Haar ihre
Sommersprossen und ihre gute Laune ganz vorzüglich
paßten -- waren Töchter des auf Hansa, Skandinavien
und Fritz Reuter eingeschworenen Kantors Jahnke,

Effi Brieſt

„Nein.“ Und dabei lief ſie auf die Mama zu
und umarmte ſie ſtürmiſch und küßte ſie.

„Nicht ſo wild, Effi, nicht ſo leidenſchaftlich.
Ich beunruhige mich immer, wenn ich Dich ſo ſehe …“
Und die Mama ſchien ernſtlich willens, in Äußerung
ihrer Sorgen und Ängſte fortzufahren. Aber ſie
kam nicht weit damit, weil in eben dieſem Augen¬
blicke drei junge Mädchen aus der kleinen, in der
Kirchhofsmauer angebrachten Eiſenthür in den Garten
eintraten und einen Kiesweg entlang auf das Rondell
und die Sonnenuhr zuſchritten. Alle drei grüßten
mit ihren Sonnenſchirmen zu Effi herüber und eilten
dann auf Frau von Brieſt zu, um dieſer die Hand
zu küſſen. Dieſe that raſch ein paar Fragen und
lud dann die Mädchen ein, ihnen oder doch wenigſtens
Effi auf eine halbe Stunde Geſellſchaft zu leiſten,
„ich habe ohnehin noch zu thun, und junges Volk
iſt am liebſten unter ſich. Gehabt Euch wohl.“ Und
dabei ſtieg ſie die vom Garten in den Seitenflügel
führende Steintreppe hinauf.

Und da war nun die Jugend wirklich allein.

Zwei der jungen Mädchen — kleine, rundliche
Perſönchen, zu deren krauſem, rotblondem Haar ihre
Sommerſproſſen und ihre gute Laune ganz vorzüglich
paßten — waren Töchter des auf Hanſa, Skandinavien
und Fritz Reuter eingeſchworenen Kantors Jahnke,

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[5/0014] Effi Brieſt „Nein.“ Und dabei lief ſie auf die Mama zu und umarmte ſie ſtürmiſch und küßte ſie. „Nicht ſo wild, Effi, nicht ſo leidenſchaftlich. Ich beunruhige mich immer, wenn ich Dich ſo ſehe …“ Und die Mama ſchien ernſtlich willens, in Äußerung ihrer Sorgen und Ängſte fortzufahren. Aber ſie kam nicht weit damit, weil in eben dieſem Augen¬ blicke drei junge Mädchen aus der kleinen, in der Kirchhofsmauer angebrachten Eiſenthür in den Garten eintraten und einen Kiesweg entlang auf das Rondell und die Sonnenuhr zuſchritten. Alle drei grüßten mit ihren Sonnenſchirmen zu Effi herüber und eilten dann auf Frau von Brieſt zu, um dieſer die Hand zu küſſen. Dieſe that raſch ein paar Fragen und lud dann die Mädchen ein, ihnen oder doch wenigſtens Effi auf eine halbe Stunde Geſellſchaft zu leiſten, „ich habe ohnehin noch zu thun, und junges Volk iſt am liebſten unter ſich. Gehabt Euch wohl.“ Und dabei ſtieg ſie die vom Garten in den Seitenflügel führende Steintreppe hinauf. Und da war nun die Jugend wirklich allein. Zwei der jungen Mädchen — kleine, rundliche Perſönchen, zu deren krauſem, rotblondem Haar ihre Sommerſproſſen und ihre gute Laune ganz vorzüglich paßten — waren Töchter des auf Hanſa, Skandinavien und Fritz Reuter eingeſchworenen Kantors Jahnke,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/14>, abgerufen am 23.11.2024.