und mit dem alten Fraude steh' es schlecht -- es werde zwar in Kurs gesetzt, er sei bloß ausgeglitten, aber es sei ein Schlaganfall gewesen, und der Sohn, der in Lissa bei den Husaren stehe, werde jede Stunde erwartet. Nach diesem Geplänkel war man dann, zu Ernsthafterem übergehend, auf Varzin gekommen. "Ja," sagte Golchowski, "wenn man sich den Fürsten so als Papiermüller denkt! Es ist doch alles sehr merkwürdig; eigentlich kann er die Schreiberei nicht leiden, und das bedruckte Papier erst recht nicht, und nun legt er doch selber eine Papiermühle an."
"Schon recht, lieber Golchowski," sagte Innstetten, "aber aus solchen Widersprüchen kommt man im Leben nicht heraus. Und da hilft auch kein Fürst und keine Größe."
"Nein, nein, da hilft keine Größe."
Wahrscheinlich, daß sich dies Gespräch über den Fürsten noch fortgesetzt hätte, wenn nicht in eben diesem Augenblicke die von der Bahn her herüber¬ klingende Signalglocke einen bald eintreffenden Zug angemeldet hätte. Innstetten sah nach der Uhr.
"Welcher Zug ist das, Golchowski?"
"Das ist der Danziger Schnellzug; er hält hier nicht, aber ich gehe doch immer hinauf und zähle die Wagen, und mitunter steht auch einer am Fenster, den ich kenne. Hier gleich hinter meinem
10 *
Effi Brieſt
und mit dem alten Fraude ſteh' es ſchlecht — es werde zwar in Kurs geſetzt, er ſei bloß ausgeglitten, aber es ſei ein Schlaganfall geweſen, und der Sohn, der in Liſſa bei den Huſaren ſtehe, werde jede Stunde erwartet. Nach dieſem Geplänkel war man dann, zu Ernſthafterem übergehend, auf Varzin gekommen. „Ja,“ ſagte Golchowski, „wenn man ſich den Fürſten ſo als Papiermüller denkt! Es iſt doch alles ſehr merkwürdig; eigentlich kann er die Schreiberei nicht leiden, und das bedruckte Papier erſt recht nicht, und nun legt er doch ſelber eine Papiermühle an.“
„Schon recht, lieber Golchowski,“ ſagte Innſtetten, „aber aus ſolchen Widerſprüchen kommt man im Leben nicht heraus. Und da hilft auch kein Fürſt und keine Größe.“
„Nein, nein, da hilft keine Größe.“
Wahrſcheinlich, daß ſich dies Geſpräch über den Fürſten noch fortgeſetzt hätte, wenn nicht in eben dieſem Augenblicke die von der Bahn her herüber¬ klingende Signalglocke einen bald eintreffenden Zug angemeldet hätte. Innſtetten ſah nach der Uhr.
„Welcher Zug iſt das, Golchowski?“
„Das iſt der Danziger Schnellzug; er hält hier nicht, aber ich gehe doch immer hinauf und zähle die Wagen, und mitunter ſteht auch einer am Fenſter, den ich kenne. Hier gleich hinter meinem
10 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0156"n="147"/><fwplace="top"type="header">Effi Brieſt<lb/></fw> und mit dem alten Fraude ſteh' es ſchlecht — es<lb/>
werde zwar in Kurs geſetzt, er ſei bloß ausgeglitten,<lb/>
aber es ſei ein Schlaganfall geweſen, und der Sohn,<lb/>
der in Liſſa bei den Huſaren ſtehe, werde jede Stunde<lb/>
erwartet. Nach dieſem Geplänkel war man dann,<lb/>
zu Ernſthafterem übergehend, auf Varzin gekommen.<lb/>„Ja,“ſagte Golchowski, „wenn man ſich den Fürſten<lb/>ſo als Papiermüller denkt! Es iſt doch alles ſehr<lb/>
merkwürdig; eigentlich kann er die Schreiberei nicht<lb/>
leiden, und das bedruckte Papier erſt recht nicht,<lb/>
und nun legt er doch ſelber eine Papiermühle an.“</p><lb/><p>„Schon recht, lieber Golchowski,“ſagte Innſtetten,<lb/>„aber aus ſolchen Widerſprüchen kommt man im Leben<lb/>
nicht heraus. Und da hilft auch kein Fürſt und keine<lb/>
Größe.“</p><lb/><p>„Nein, nein, da hilft keine Größe.“</p><lb/><p>Wahrſcheinlich, daß ſich dies Geſpräch über den<lb/>
Fürſten noch fortgeſetzt hätte, wenn nicht in eben<lb/>
dieſem Augenblicke die von der Bahn her herüber¬<lb/>
klingende Signalglocke einen bald eintreffenden Zug<lb/>
angemeldet hätte. Innſtetten ſah nach der Uhr.</p><lb/><p>„Welcher Zug iſt das, Golchowski?“</p><lb/><p>„Das iſt der Danziger Schnellzug; er hält<lb/>
hier nicht, aber ich gehe doch immer hinauf und<lb/>
zähle die Wagen, und mitunter ſteht auch einer am<lb/>
Fenſter, den ich kenne. Hier gleich hinter meinem<lb/><fwplace="bottom"type="sig">10 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[147/0156]
Effi Brieſt
und mit dem alten Fraude ſteh' es ſchlecht — es
werde zwar in Kurs geſetzt, er ſei bloß ausgeglitten,
aber es ſei ein Schlaganfall geweſen, und der Sohn,
der in Liſſa bei den Huſaren ſtehe, werde jede Stunde
erwartet. Nach dieſem Geplänkel war man dann,
zu Ernſthafterem übergehend, auf Varzin gekommen.
„Ja,“ ſagte Golchowski, „wenn man ſich den Fürſten
ſo als Papiermüller denkt! Es iſt doch alles ſehr
merkwürdig; eigentlich kann er die Schreiberei nicht
leiden, und das bedruckte Papier erſt recht nicht,
und nun legt er doch ſelber eine Papiermühle an.“
„Schon recht, lieber Golchowski,“ ſagte Innſtetten,
„aber aus ſolchen Widerſprüchen kommt man im Leben
nicht heraus. Und da hilft auch kein Fürſt und keine
Größe.“
„Nein, nein, da hilft keine Größe.“
Wahrſcheinlich, daß ſich dies Geſpräch über den
Fürſten noch fortgeſetzt hätte, wenn nicht in eben
dieſem Augenblicke die von der Bahn her herüber¬
klingende Signalglocke einen bald eintreffenden Zug
angemeldet hätte. Innſtetten ſah nach der Uhr.
„Welcher Zug iſt das, Golchowski?“
„Das iſt der Danziger Schnellzug; er hält
hier nicht, aber ich gehe doch immer hinauf und
zähle die Wagen, und mitunter ſteht auch einer am
Fenſter, den ich kenne. Hier gleich hinter meinem
10 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/156>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.