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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Hofe führt eine Treppe den Damm hinauf, Wärter¬
haus 417 ..."

"O, das wollen wir uns zu Nutze machen,"
sagte Effi. "Ich sehe so gern Züge ..."

"Dann ist es die höchste Zeit, gnäd'ge Frau."

Und so machten sich denn alle drei auf den
Weg und stellten sich, als sie oben waren, in einem
neben dem Wärterhause gelegenen Gartenstreifen auf,
der jetzt freilich unter Schnee lag, aber doch eine
frei geschaufelte Stelle hatte. Der Bahnwärter stand
schon da, die Fahne in der Hand. Und jetzt jagte
der Zug über das Bahnhofsgeleise hin und im
nächsten Augenblick an dem Häuschen und an dem
Gartenstreifen vorüber. Effi war so erregt, daß sie
nichts sah und nur dem letzten Wagen, auf dessen
Höhe ein Bremser saß, ganz wie benommen nach¬
blickte.

"Sechs Uhr fünfzig ist er in Berlin," sagte
Innstetten, "und noch eine Stunde später, so können
ihn die Hohen-Cremmner, wenn der Wind so steht,
in der Ferne vorbeiklappern hören. Möchtest Du
mit, Effi?"

Sie sagte nichts. Als er aber zu ihr hinüber¬
blickte, sah er, daß eine Thräne in ihrem Auge
stand.


Effi Brieſt
Hofe führt eine Treppe den Damm hinauf, Wärter¬
haus 417 …“

„O, das wollen wir uns zu Nutze machen,“
ſagte Effi. „Ich ſehe ſo gern Züge …“

„Dann iſt es die höchſte Zeit, gnäd'ge Frau.“

Und ſo machten ſich denn alle drei auf den
Weg und ſtellten ſich, als ſie oben waren, in einem
neben dem Wärterhauſe gelegenen Gartenſtreifen auf,
der jetzt freilich unter Schnee lag, aber doch eine
frei geſchaufelte Stelle hatte. Der Bahnwärter ſtand
ſchon da, die Fahne in der Hand. Und jetzt jagte
der Zug über das Bahnhofsgeleiſe hin und im
nächſten Augenblick an dem Häuschen und an dem
Gartenſtreifen vorüber. Effi war ſo erregt, daß ſie
nichts ſah und nur dem letzten Wagen, auf deſſen
Höhe ein Bremſer ſaß, ganz wie benommen nach¬
blickte.

„Sechs Uhr fünfzig iſt er in Berlin,“ ſagte
Innſtetten, „und noch eine Stunde ſpäter, ſo können
ihn die Hohen-Cremmner, wenn der Wind ſo ſteht,
in der Ferne vorbeiklappern hören. Möchteſt Du
mit, Effi?“

Sie ſagte nichts. Als er aber zu ihr hinüber¬
blickte, ſah er, daß eine Thräne in ihrem Auge
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[148/0157] Effi Brieſt Hofe führt eine Treppe den Damm hinauf, Wärter¬ haus 417 …“ „O, das wollen wir uns zu Nutze machen,“ ſagte Effi. „Ich ſehe ſo gern Züge …“ „Dann iſt es die höchſte Zeit, gnäd'ge Frau.“ Und ſo machten ſich denn alle drei auf den Weg und ſtellten ſich, als ſie oben waren, in einem neben dem Wärterhauſe gelegenen Gartenſtreifen auf, der jetzt freilich unter Schnee lag, aber doch eine frei geſchaufelte Stelle hatte. Der Bahnwärter ſtand ſchon da, die Fahne in der Hand. Und jetzt jagte der Zug über das Bahnhofsgeleiſe hin und im nächſten Augenblick an dem Häuschen und an dem Gartenſtreifen vorüber. Effi war ſo erregt, daß ſie nichts ſah und nur dem letzten Wagen, auf deſſen Höhe ein Bremſer ſaß, ganz wie benommen nach¬ blickte. „Sechs Uhr fünfzig iſt er in Berlin,“ ſagte Innſtetten, „und noch eine Stunde ſpäter, ſo können ihn die Hohen-Cremmner, wenn der Wind ſo ſteht, in der Ferne vorbeiklappern hören. Möchteſt Du mit, Effi?“ Sie ſagte nichts. Als er aber zu ihr hinüber¬ blickte, ſah er, daß eine Thräne in ihrem Auge ſtand.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/157>, abgerufen am 21.11.2024.