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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
nicht anzunehmen, und selbst wenn dies sein sollte,
so war ihre Vortragskunst so groß, daß der Inhalt
dadurch geadelt wurde. "Liebe Marietta," nahm er
also das Wort, "ich habe unser kleines Mahl zu
acht Uhr bestellt. Wir hätten also noch dreiviertel
Stunden, wenn Sie nicht vielleicht vorziehen, während
Tisch ein heitres Lied zu singen oder vielleicht erst,
wenn wir von Tisch aufgestanden sind ..."

"Ich bitte Sie, Gieshübler! Sie, der Mann
der Ästhetik. Es giebt nichts Unästhetischeres, als
einen Gesangsvortrag mit vollem Magen. Außer¬
dem -- und ich weiß, Sie sind ein Mann der aus¬
gesuchten Küche, ja, Gourmand -- außerdem schmeckt
es besser, wenn man die Sache hinter sich hat. Erst
Kunst und dann Nußeis, das ist die richtige Reihen¬
folge."

"Also ich darf Ihnen die Noten bringen,
Marietta?"

"Noten bringen. Ja, was heißt das, Gies¬
hübler? Wie ich Sie kenne, werden Sie ganze
Schränke voll Noten haben, und ich kann Ihnen
doch nicht den ganzen Bock und Bote vorspielen.
Noten! Was für Noten, Gieshübler, darauf kommt
es an. Und dann das es richtig liegt, Altstimme ..."

"Nun ich werde schon bringen."

Und er machte sich an einem Schranke zu

Effi Brieſt
nicht anzunehmen, und ſelbſt wenn dies ſein ſollte,
ſo war ihre Vortragskunſt ſo groß, daß der Inhalt
dadurch geadelt wurde. „Liebe Marietta,“ nahm er
alſo das Wort, „ich habe unſer kleines Mahl zu
acht Uhr beſtellt. Wir hätten alſo noch dreiviertel
Stunden, wenn Sie nicht vielleicht vorziehen, während
Tiſch ein heitres Lied zu ſingen oder vielleicht erſt,
wenn wir von Tiſch aufgeſtanden ſind …“

„Ich bitte Sie, Gieshübler! Sie, der Mann
der Äſthetik. Es giebt nichts Unäſthetiſcheres, als
einen Geſangsvortrag mit vollem Magen. Außer¬
dem — und ich weiß, Sie ſind ein Mann der aus¬
geſuchten Küche, ja, Gourmand — außerdem ſchmeckt
es beſſer, wenn man die Sache hinter ſich hat. Erſt
Kunſt und dann Nußeis, das iſt die richtige Reihen¬
folge.“

„Alſo ich darf Ihnen die Noten bringen,
Marietta?“

„Noten bringen. Ja, was heißt das, Gies¬
hübler? Wie ich Sie kenne, werden Sie ganze
Schränke voll Noten haben, und ich kann Ihnen
doch nicht den ganzen Bock und Bote vorſpielen.
Noten! Was für Noten, Gieshübler, darauf kommt
es an. Und dann das es richtig liegt, Altſtimme …“

„Nun ich werde ſchon bringen.“

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[153/0162] Effi Brieſt nicht anzunehmen, und ſelbſt wenn dies ſein ſollte, ſo war ihre Vortragskunſt ſo groß, daß der Inhalt dadurch geadelt wurde. „Liebe Marietta,“ nahm er alſo das Wort, „ich habe unſer kleines Mahl zu acht Uhr beſtellt. Wir hätten alſo noch dreiviertel Stunden, wenn Sie nicht vielleicht vorziehen, während Tiſch ein heitres Lied zu ſingen oder vielleicht erſt, wenn wir von Tiſch aufgeſtanden ſind …“ „Ich bitte Sie, Gieshübler! Sie, der Mann der Äſthetik. Es giebt nichts Unäſthetiſcheres, als einen Geſangsvortrag mit vollem Magen. Außer¬ dem — und ich weiß, Sie ſind ein Mann der aus¬ geſuchten Küche, ja, Gourmand — außerdem ſchmeckt es beſſer, wenn man die Sache hinter ſich hat. Erſt Kunſt und dann Nußeis, das iſt die richtige Reihen¬ folge.“ „Alſo ich darf Ihnen die Noten bringen, Marietta?“ „Noten bringen. Ja, was heißt das, Gies¬ hübler? Wie ich Sie kenne, werden Sie ganze Schränke voll Noten haben, und ich kann Ihnen doch nicht den ganzen Bock und Bote vorſpielen. Noten! Was für Noten, Gieshübler, darauf kommt es an. Und dann das es richtig liegt, Altſtimme …“ „Nun ich werde ſchon bringen.“ Und er machte ſich an einem Schranke zu

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/162>, abgerufen am 21.11.2024.