wie nach vielem sehr Weltlichen, so schließlich auch nach ihrer kirchlichen Richtung gefragt und dabei von ihr in Erfahrung gebracht, daß sie nur eine Richtung kenne, die orthodoxe. Ihr Vater sei frei¬ lich ein Rationalist gewesen, fast schon ein Freigeist, weshalb er auch den Chinesen am liebsten auf dem Gemeindekirchhof gehabt hätte; sie ihrerseits sei aber ganz entgegengesetzter Ansicht, trotzdem sie persönlich des großen Vorzugs genieße, gar nichts zu glauben. Aber sie sei sich in ihrem entschiedenen Nichtglauben doch auch jeden Augenblick bewußt, daß das ein Spezialluxus sei, den man sich nur als Privatperson gestatten könne. Staatlich höre der Spaß auf, und wenn ihr das Kultusministerium oder gar ein Kon¬ sistorialregiment unterstünde, so würde sie mit un¬ nachsichtiger Strenge vorgehen. "Ich fühle so 'was von einem Torquemada in mir."
Innstetten war sehr erheitert und erzählte seiner¬ seits, daß er etwas so Heikles, wie das Dogmatische, geflissentlich vermieden, aber dafür das Moralische desto mehr in den Vordergrund gestellt habe. Haupt¬ thema sei das Verführerische gewesen, das beständige Gefährdetsein, das in allem öffentlichen Auftreten liege, worauf die Trippelli leichthin und nur mit Betonung der zweiten Satzhälfte geantwortet habe: "Ja, beständig gefährdet; am meisten die Stimme."
Th. Fontane, Effi Briest. 11
Effi Brieſt
wie nach vielem ſehr Weltlichen, ſo ſchließlich auch nach ihrer kirchlichen Richtung gefragt und dabei von ihr in Erfahrung gebracht, daß ſie nur eine Richtung kenne, die orthodoxe. Ihr Vater ſei frei¬ lich ein Rationaliſt geweſen, faſt ſchon ein Freigeiſt, weshalb er auch den Chineſen am liebſten auf dem Gemeindekirchhof gehabt hätte; ſie ihrerſeits ſei aber ganz entgegengeſetzter Anſicht, trotzdem ſie perſönlich des großen Vorzugs genieße, gar nichts zu glauben. Aber ſie ſei ſich in ihrem entſchiedenen Nichtglauben doch auch jeden Augenblick bewußt, daß das ein Spezialluxus ſei, den man ſich nur als Privatperſon geſtatten könne. Staatlich höre der Spaß auf, und wenn ihr das Kultusminiſterium oder gar ein Kon¬ ſiſtorialregiment unterſtünde, ſo würde ſie mit un¬ nachſichtiger Strenge vorgehen. „Ich fühle ſo 'was von einem Torquemada in mir.“
Innſtetten war ſehr erheitert und erzählte ſeiner¬ ſeits, daß er etwas ſo Heikles, wie das Dogmatiſche, gefliſſentlich vermieden, aber dafür das Moraliſche deſto mehr in den Vordergrund geſtellt habe. Haupt¬ thema ſei das Verführeriſche geweſen, das beſtändige Gefährdetſein, das in allem öffentlichen Auftreten liege, worauf die Trippelli leichthin und nur mit Betonung der zweiten Satzhälfte geantwortet habe: „Ja, beſtändig gefährdet; am meiſten die Stimme.“
Th. Fontane, Effi Brieſt. 11
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Effi Brieſt
wie nach vielem ſehr Weltlichen, ſo ſchließlich auch
nach ihrer kirchlichen Richtung gefragt und dabei
von ihr in Erfahrung gebracht, daß ſie nur eine
Richtung kenne, die orthodoxe. Ihr Vater ſei frei¬
lich ein Rationaliſt geweſen, faſt ſchon ein Freigeiſt,
weshalb er auch den Chineſen am liebſten auf dem
Gemeindekirchhof gehabt hätte; ſie ihrerſeits ſei aber
ganz entgegengeſetzter Anſicht, trotzdem ſie perſönlich
des großen Vorzugs genieße, gar nichts zu glauben.
Aber ſie ſei ſich in ihrem entſchiedenen Nichtglauben
doch auch jeden Augenblick bewußt, daß das ein
Spezialluxus ſei, den man ſich nur als Privatperſon
geſtatten könne. Staatlich höre der Spaß auf, und
wenn ihr das Kultusminiſterium oder gar ein Kon¬
ſiſtorialregiment unterſtünde, ſo würde ſie mit un¬
nachſichtiger Strenge vorgehen. „Ich fühle ſo 'was
von einem Torquemada in mir.“
Innſtetten war ſehr erheitert und erzählte ſeiner¬
ſeits, daß er etwas ſo Heikles, wie das Dogmatiſche,
gefliſſentlich vermieden, aber dafür das Moraliſche
deſto mehr in den Vordergrund geſtellt habe. Haupt¬
thema ſei das Verführeriſche geweſen, das beſtändige
Gefährdetſein, das in allem öffentlichen Auftreten
liege, worauf die Trippelli leichthin und nur mit
Betonung der zweiten Satzhälfte geantwortet habe:
„Ja, beſtändig gefährdet; am meiſten die Stimme.“
Th. Fontane, Effi Brieſt. 11
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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/170>, abgerufen am 16.07.2024.
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