Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.Effi Briest die Reihe kamen und die mitanwesenden Pastorenwie kleine Päpste behandelt wurden, oder sich auch wohl selbst als solche ansahen, dann riß Effi der Faden der Geduld, und sie dachte mit Wehmut an Nie¬ meyer, der immer zurückhaltend und anspruchslos war, trotzdem es bei jeder größeren Feierlichkeit hieß, er habe das Zeug, an den "Dom" berufen zu werden. Mit den Borcke's, den Flemming's, den Grasenabb's, so freundlich die Familien, von Sidonie Grasenabb abgesehen, gesinnt waren -- es wollte mit allen nicht so recht gehen, und es hätte mit Freude, Zerstreuung und auch nur leidlichem sich behaglich-fühlen manchmal recht schlimm gestanden, wenn Gieshübler nicht gewesen wäre. Der sorgte für Effi, wie eine kleine Vorsehung, und sie wußte es ihm auch Dank. Natürlich war er, neben allem anderen, auch ein eifriger und aufmerksamer Zeitungs¬ leser, ganz zu geschweigen, daß er an der Spitze des Journalzirkels stand, und so verging denn fast kein Tag, wo nicht Mirambo ein großes, weißes Kouvert gebracht hätte, mit allerhand Blättern und Zeitungen, in denen die betreffenden Stellen an¬ gestrichen waren, meist eine kleine, feine Bleistiftlinie, mitunter aber auch dick mit Blaustift und ein Aus¬ rufungs- oder Fragezeichen daneben. Und dabei ließ er es nicht bewenden; er schickte auch Feigen Effi Brieſt die Reihe kamen und die mitanweſenden Paſtorenwie kleine Päpſte behandelt wurden, oder ſich auch wohl ſelbſt als ſolche anſahen, dann riß Effi der Faden der Geduld, und ſie dachte mit Wehmut an Nie¬ meyer, der immer zurückhaltend und anſpruchslos war, trotzdem es bei jeder größeren Feierlichkeit hieß, er habe das Zeug, an den „Dom“ berufen zu werden. Mit den Borcke's, den Flemming's, den Graſenabb's, ſo freundlich die Familien, von Sidonie Graſenabb abgeſehen, geſinnt waren — es wollte mit allen nicht ſo recht gehen, und es hätte mit Freude, Zerſtreuung und auch nur leidlichem ſich behaglich-fühlen manchmal recht ſchlimm geſtanden, wenn Gieshübler nicht geweſen wäre. Der ſorgte für Effi, wie eine kleine Vorſehung, und ſie wußte es ihm auch Dank. Natürlich war er, neben allem anderen, auch ein eifriger und aufmerkſamer Zeitungs¬ leſer, ganz zu geſchweigen, daß er an der Spitze des Journalzirkels ſtand, und ſo verging denn faſt kein Tag, wo nicht Mirambo ein großes, weißes Kouvert gebracht hätte, mit allerhand Blättern und Zeitungen, in denen die betreffenden Stellen an¬ geſtrichen waren, meiſt eine kleine, feine Bleiſtiftlinie, mitunter aber auch dick mit Blauſtift und ein Aus¬ rufungs- oder Fragezeichen daneben. Und dabei ließ er es nicht bewenden; er ſchickte auch Feigen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0182" n="173"/><fw place="top" type="header">Effi Brieſt<lb/></fw> die Reihe kamen und die mitanweſenden Paſtoren<lb/> wie kleine Päpſte behandelt wurden, oder ſich auch<lb/> wohl ſelbſt als ſolche anſahen, dann riß Effi der Faden<lb/> der Geduld, und ſie dachte mit Wehmut an Nie¬<lb/> meyer, der immer zurückhaltend und anſpruchslos<lb/> war, trotzdem es bei jeder größeren Feierlichkeit<lb/> hieß, er habe das Zeug, an den „Dom“ berufen zu<lb/> werden. Mit den Borcke's, den Flemming's, den<lb/> Graſenabb's, ſo freundlich die Familien, von Sidonie<lb/> Graſenabb abgeſehen, geſinnt waren — es wollte<lb/> mit allen nicht ſo recht gehen, und es hätte mit<lb/> Freude, Zerſtreuung und auch nur leidlichem ſich<lb/> behaglich-fühlen manchmal recht ſchlimm geſtanden,<lb/> wenn Gieshübler nicht geweſen wäre. Der ſorgte<lb/> für Effi, wie eine kleine Vorſehung, und ſie wußte<lb/> es ihm auch Dank. Natürlich war er, neben allem<lb/> anderen, auch ein eifriger und aufmerkſamer Zeitungs¬<lb/> leſer, ganz zu geſchweigen, daß er an der Spitze<lb/> des Journalzirkels ſtand, und ſo verging denn faſt<lb/> kein Tag, wo nicht Mirambo ein großes, weißes<lb/> Kouvert gebracht hätte, mit allerhand Blättern und<lb/> Zeitungen, in denen die betreffenden Stellen an¬<lb/> geſtrichen waren, meiſt eine kleine, feine Bleiſtiftlinie,<lb/> mitunter aber auch dick mit Blauſtift und ein Aus¬<lb/> rufungs- oder Fragezeichen daneben. Und dabei<lb/> ließ er es nicht bewenden; er ſchickte auch Feigen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [173/0182]
Effi Brieſt
die Reihe kamen und die mitanweſenden Paſtoren
wie kleine Päpſte behandelt wurden, oder ſich auch
wohl ſelbſt als ſolche anſahen, dann riß Effi der Faden
der Geduld, und ſie dachte mit Wehmut an Nie¬
meyer, der immer zurückhaltend und anſpruchslos
war, trotzdem es bei jeder größeren Feierlichkeit
hieß, er habe das Zeug, an den „Dom“ berufen zu
werden. Mit den Borcke's, den Flemming's, den
Graſenabb's, ſo freundlich die Familien, von Sidonie
Graſenabb abgeſehen, geſinnt waren — es wollte
mit allen nicht ſo recht gehen, und es hätte mit
Freude, Zerſtreuung und auch nur leidlichem ſich
behaglich-fühlen manchmal recht ſchlimm geſtanden,
wenn Gieshübler nicht geweſen wäre. Der ſorgte
für Effi, wie eine kleine Vorſehung, und ſie wußte
es ihm auch Dank. Natürlich war er, neben allem
anderen, auch ein eifriger und aufmerkſamer Zeitungs¬
leſer, ganz zu geſchweigen, daß er an der Spitze
des Journalzirkels ſtand, und ſo verging denn faſt
kein Tag, wo nicht Mirambo ein großes, weißes
Kouvert gebracht hätte, mit allerhand Blättern und
Zeitungen, in denen die betreffenden Stellen an¬
geſtrichen waren, meiſt eine kleine, feine Bleiſtiftlinie,
mitunter aber auch dick mit Blauſtift und ein Aus¬
rufungs- oder Fragezeichen daneben. Und dabei
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