So verging der Winter, der April kam, und in dem Garten hinter dem Hofe begann es zu grünen, worüber sich Effi freute; sie konnte gar nicht ab¬ warten, daß der Sommer komme mit seinen Spazier¬ gängen am Strand und seinen Badegästen. Wenn sie so zurückblickte, der Trippelli- Abend bei Gies¬ hübler und dann der Sylvesterball, ja, das ging, das war etwas Hübsches gewesen; aber die Monate, die dann gefolgt waren, die hatten doch viel zu wünschen übrig gelassen, und vor allem waren sie so monoton gewesen, daß sie sogar 'mal an die Mama geschrieben hatte: "Kannst Du Dir denken, Mama, daß ich mich mit unsrem Spuk beinah' ausgesöhnt habe? Natürlich die schreckliche Nacht, wo Geert drüben beim Fürsten war, die möcht' ich nicht noch einmal durchmachen, nein, gewiß nicht; aber immer das Alleinsein und so gar nichts erleben, das hat doch auch sein Schweres, und wenn ich dann in der Nacht aufwache, dann horche ich mitunter hinauf, ob ich nicht die Schuhe schleifen höre, und wenn alles still bleibt, so bin ich fast wie enttäuscht und sage mir: wenn es doch nur wiederkäme, nur nicht zu arg und nicht zu nah."
Das war im Februar, daß Effi so schrieb, und nun war beinahe Mai. Drüben in der Plantage belebte sich's schon wieder, und man hörte die Finken
Effi Brieſt
So verging der Winter, der April kam, und in dem Garten hinter dem Hofe begann es zu grünen, worüber ſich Effi freute; ſie konnte gar nicht ab¬ warten, daß der Sommer komme mit ſeinen Spazier¬ gängen am Strand und ſeinen Badegäſten. Wenn ſie ſo zurückblickte, der Trippelli- Abend bei Gies¬ hübler und dann der Sylveſterball, ja, das ging, das war etwas Hübſches geweſen; aber die Monate, die dann gefolgt waren, die hatten doch viel zu wünſchen übrig gelaſſen, und vor allem waren ſie ſo monoton geweſen, daß ſie ſogar 'mal an die Mama geſchrieben hatte: „Kannſt Du Dir denken, Mama, daß ich mich mit unſrem Spuk beinah' ausgeſöhnt habe? Natürlich die ſchreckliche Nacht, wo Geert drüben beim Fürſten war, die möcht' ich nicht noch einmal durchmachen, nein, gewiß nicht; aber immer das Alleinſein und ſo gar nichts erleben, das hat doch auch ſein Schweres, und wenn ich dann in der Nacht aufwache, dann horche ich mitunter hinauf, ob ich nicht die Schuhe ſchleifen höre, und wenn alles ſtill bleibt, ſo bin ich faſt wie enttäuſcht und ſage mir: wenn es doch nur wiederkäme, nur nicht zu arg und nicht zu nah.“
Das war im Februar, daß Effi ſo ſchrieb, und nun war beinahe Mai. Drüben in der Plantage belebte ſich's ſchon wieder, und man hörte die Finken
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Effi Brieſt
So verging der Winter, der April kam, und in
dem Garten hinter dem Hofe begann es zu grünen,
worüber ſich Effi freute; ſie konnte gar nicht ab¬
warten, daß der Sommer komme mit ſeinen Spazier¬
gängen am Strand und ſeinen Badegäſten. Wenn
ſie ſo zurückblickte, der Trippelli- Abend bei Gies¬
hübler und dann der Sylveſterball, ja, das ging,
das war etwas Hübſches geweſen; aber die Monate,
die dann gefolgt waren, die hatten doch viel zu
wünſchen übrig gelaſſen, und vor allem waren ſie ſo
monoton geweſen, daß ſie ſogar 'mal an die Mama
geſchrieben hatte: „Kannſt Du Dir denken, Mama,
daß ich mich mit unſrem Spuk beinah' ausgeſöhnt
habe? Natürlich die ſchreckliche Nacht, wo Geert
drüben beim Fürſten war, die möcht' ich nicht noch
einmal durchmachen, nein, gewiß nicht; aber immer
das Alleinſein und ſo gar nichts erleben, das hat
doch auch ſein Schweres, und wenn ich dann in der
Nacht aufwache, dann horche ich mitunter hinauf,
ob ich nicht die Schuhe ſchleifen höre, und wenn
alles ſtill bleibt, ſo bin ich faſt wie enttäuſcht und
ſage mir: wenn es doch nur wiederkäme, nur nicht
zu arg und nicht zu nah.“
Das war im Februar, daß Effi ſo ſchrieb, und
nun war beinahe Mai. Drüben in der Plantage
belebte ſich's ſchon wieder, und man hörte die Finken
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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/185>, abgerufen am 24.11.2024.
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