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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
aber lachte sie wieder. "Ich lebe ja noch und bin
erst siebzehn, und Niemeyer ist siebenundfünfzig."

In dem Eßsaal hörte sie das Geklapper des
Geschirrs. Aber mit einemmale war es ihr, als ob
die Stühle geschoben würden; vielleicht stand man
schon auf, und sie wollte jede Begegnung vermeiden.
So erhob sie sich auch ihrerseits rasch wieder von
ihrem Platz, um auf einem Umweg nach der Stadt
zurückzukehren. Dieser Umweg führte sie dicht an
dem Dünenkirchhof vorüber, und weil der Thorweg
des Kirchhofs gerade offen stand, trat sie ein. Alles
blühte hier, Schmetterlinge flogen über die Gräber
hin, und hoch in den Lüften standen ein paar Möven.
Es war so still und schön, und sie hätte hier gleich
bei den ersten Gräbern verweilen mögen; aber weil
die Sonne mit jedem Augenblick heißer niederbrannte,
ging sie höher hinauf, auf einen schattigen Gang
zu, den Hängeweiden und etliche an den Gräbern
stehende Trauereschen bildeten. Als sie bis an das
Ende dieses Ganges gekommen, sah sie zur Rechten
einen frisch aufgeworfenen Sandhügel, mit vier, fünf
Kränzen darauf, und dicht daneben eine schon außer¬
halb der Baumreihe stehende Bank, darauf die gute,
robuste Person saß, die, an der Seite der Haus¬
wirtin, dem Sarge der verwitweten Registratorin als
letzte Leidtragende gefolgt war. Effi erkannte sie

Effi Brieſt
aber lachte ſie wieder. „Ich lebe ja noch und bin
erſt ſiebzehn, und Niemeyer iſt ſiebenundfünfzig.“

In dem Eßſaal hörte ſie das Geklapper des
Geſchirrs. Aber mit einemmale war es ihr, als ob
die Stühle geſchoben würden; vielleicht ſtand man
ſchon auf, und ſie wollte jede Begegnung vermeiden.
So erhob ſie ſich auch ihrerſeits raſch wieder von
ihrem Platz, um auf einem Umweg nach der Stadt
zurückzukehren. Dieſer Umweg führte ſie dicht an
dem Dünenkirchhof vorüber, und weil der Thorweg
des Kirchhofs gerade offen ſtand, trat ſie ein. Alles
blühte hier, Schmetterlinge flogen über die Gräber
hin, und hoch in den Lüften ſtanden ein paar Möven.
Es war ſo ſtill und ſchön, und ſie hätte hier gleich
bei den erſten Gräbern verweilen mögen; aber weil
die Sonne mit jedem Augenblick heißer niederbrannte,
ging ſie höher hinauf, auf einen ſchattigen Gang
zu, den Hängeweiden und etliche an den Gräbern
ſtehende Trauereſchen bildeten. Als ſie bis an das
Ende dieſes Ganges gekommen, ſah ſie zur Rechten
einen friſch aufgeworfenen Sandhügel, mit vier, fünf
Kränzen darauf, und dicht daneben eine ſchon außer¬
halb der Baumreihe ſtehende Bank, darauf die gute,
robuſte Perſon ſaß, die, an der Seite der Haus¬
wirtin, dem Sarge der verwitweten Regiſtratorin als
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[187/0196] Effi Brieſt aber lachte ſie wieder. „Ich lebe ja noch und bin erſt ſiebzehn, und Niemeyer iſt ſiebenundfünfzig.“ In dem Eßſaal hörte ſie das Geklapper des Geſchirrs. Aber mit einemmale war es ihr, als ob die Stühle geſchoben würden; vielleicht ſtand man ſchon auf, und ſie wollte jede Begegnung vermeiden. So erhob ſie ſich auch ihrerſeits raſch wieder von ihrem Platz, um auf einem Umweg nach der Stadt zurückzukehren. Dieſer Umweg führte ſie dicht an dem Dünenkirchhof vorüber, und weil der Thorweg des Kirchhofs gerade offen ſtand, trat ſie ein. Alles blühte hier, Schmetterlinge flogen über die Gräber hin, und hoch in den Lüften ſtanden ein paar Möven. Es war ſo ſtill und ſchön, und ſie hätte hier gleich bei den erſten Gräbern verweilen mögen; aber weil die Sonne mit jedem Augenblick heißer niederbrannte, ging ſie höher hinauf, auf einen ſchattigen Gang zu, den Hängeweiden und etliche an den Gräbern ſtehende Trauereſchen bildeten. Als ſie bis an das Ende dieſes Ganges gekommen, ſah ſie zur Rechten einen friſch aufgeworfenen Sandhügel, mit vier, fünf Kränzen darauf, und dicht daneben eine ſchon außer¬ halb der Baumreihe ſtehende Bank, darauf die gute, robuſte Perſon ſaß, die, an der Seite der Haus¬ wirtin, dem Sarge der verwitweten Regiſtratorin als letzte Leidtragende gefolgt war. Effi erkannte ſie

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/196>, abgerufen am 21.11.2024.