her ihrem Manne zuschob: "Geert, Du könntest heute den liebenswürdigen Wirt machen; ich für mein Teil find' es so schön in diesem Schaukelstuhl, daß ich nicht aufstehen mag. Also strenge Dich an, und wenn Du Dich recht freust, mich wieder hier zu haben, so werd' ich mich auch zu revanchieren wissen." Und dabei zupfte sie die weiße Damastdecke zurecht und legte ihre Hand darauf, die Innstetten nahm und küßte.
"Wie bist Du nur eigentlich ohne mich fertig geworden?"
"Schlecht genug, Effi."
"Das sagst Du so hin und machst ein betrübtes Gesicht, und ist doch eigentlich alles nicht wahr."
"Aber Effi ..."
"Was ich Dir beweisen will. Denn wenn Du ein bißchen Sehnsucht nach Deinem Kinde gehabt hättest -- von mir selber will ich nicht sprechen, was ist man am Ende solchem hohen Herrn, der so lange Jahre Junggeselle war und es nicht eilig hatte ..."
"Nun?"
"Ja, Geert, wenn Du nur ein bißchen Sehn¬ sucht gehabt hättest, so hättest Du mich nicht sechs Wochen mutterwindallein in Hohen-Cremmen sitzen lassen wie eine Witwe, und nichts da als Niemeyer
Th. Fontane, Effi Briest. 14
Effi Brieſt
her ihrem Manne zuſchob: „Geert, Du könnteſt heute den liebenswürdigen Wirt machen; ich für mein Teil find' es ſo ſchön in dieſem Schaukelſtuhl, daß ich nicht aufſtehen mag. Alſo ſtrenge Dich an, und wenn Du Dich recht freuſt, mich wieder hier zu haben, ſo werd' ich mich auch zu revanchieren wiſſen.“ Und dabei zupfte ſie die weiße Damaſtdecke zurecht und legte ihre Hand darauf, die Innſtetten nahm und küßte.
„Wie biſt Du nur eigentlich ohne mich fertig geworden?“
„Schlecht genug, Effi.“
„Das ſagſt Du ſo hin und machſt ein betrübtes Geſicht, und iſt doch eigentlich alles nicht wahr.“
„Aber Effi …“
„Was ich Dir beweiſen will. Denn wenn Du ein bißchen Sehnſucht nach Deinem Kinde gehabt hätteſt — von mir ſelber will ich nicht ſprechen, was iſt man am Ende ſolchem hohen Herrn, der ſo lange Jahre Junggeſelle war und es nicht eilig hatte …“
„Nun?“
„Ja, Geert, wenn Du nur ein bißchen Sehn¬ ſucht gehabt hätteſt, ſo hätteſt Du mich nicht ſechs Wochen mutterwindallein in Hohen-Cremmen ſitzen laſſen wie eine Witwe, und nichts da als Niemeyer
Th. Fontane, Effi Brieſt. 14
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Effi Brieſt
her ihrem Manne zuſchob: „Geert, Du könnteſt
heute den liebenswürdigen Wirt machen; ich für mein
Teil find' es ſo ſchön in dieſem Schaukelſtuhl, daß
ich nicht aufſtehen mag. Alſo ſtrenge Dich an, und
wenn Du Dich recht freuſt, mich wieder hier zu
haben, ſo werd' ich mich auch zu revanchieren wiſſen.“
Und dabei zupfte ſie die weiße Damaſtdecke zurecht
und legte ihre Hand darauf, die Innſtetten nahm
und küßte.
„Wie biſt Du nur eigentlich ohne mich fertig
geworden?“
„Schlecht genug, Effi.“
„Das ſagſt Du ſo hin und machſt ein betrübtes
Geſicht, und iſt doch eigentlich alles nicht wahr.“
„Aber Effi …“
„Was ich Dir beweiſen will. Denn wenn Du
ein bißchen Sehnſucht nach Deinem Kinde gehabt
hätteſt — von mir ſelber will ich nicht ſprechen,
was iſt man am Ende ſolchem hohen Herrn, der ſo
lange Jahre Junggeſelle war und es nicht eilig
hatte …“
„Nun?“
„Ja, Geert, wenn Du nur ein bißchen Sehn¬
ſucht gehabt hätteſt, ſo hätteſt Du mich nicht ſechs
Wochen mutterwindallein in Hohen-Cremmen ſitzen
laſſen wie eine Witwe, und nichts da als Niemeyer
Th. Fontane, Effi Brieſt. 14
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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/218>, abgerufen am 25.11.2024.
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