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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
ist des Lebens Reiz, eine Wahrheit, die freilich jede
glückliche Ehe zu widerlegen scheint."

"Wenn es glückliche Ehen giebt, die meinige
ausgenommen ..." und sie reichte Innstetten die Hand.

"Abwechslung also," fuhr Crampas fort. "Und
diese für uns und unsere Ressource zu gewinnen,
deren Vizevorstand zu sein ich zur Zeit die Ehre
habe, dazu braucht es aller bewährten Kräfte. Wenn
wir uns zusammenthun, so müssen wir das ganze
Nest auf den Kopf stellen. Die Theaterstücke sind
schon ausgesucht: Krieg im Frieden, Monsieur Her¬
kules, Jugendliebe von Wilbrandt, vielleicht auch
Euphrosine von Gensichen. Sie die Euphrosine, ich
der alte Goethe. Sie sollen staunen, wie gut ich den
Dichterfürsten tragiere ... wenn ,tragieren' das
richtige Wort ist."

"Kein Zweifel. Hab' ich doch inzwischen aus
dem Briefe meines alchymistischen Geheimkorrespon¬
denten erfahren, daß Sie, neben vielem anderen, ge¬
legentlich auch Dichter sind. Anfangs habe ich mich
gewundert ..."

"Denn Sie haben es mir nicht angesehen."

"Nein. Aber seit ich weiß, daß Sie bei neun
Grad baden, bin ich anderen Sinnes geworden ...
neun Grad Ostsee, das geht über den kastalischen
Quell ..."

Effi Brieſt
iſt des Lebens Reiz, eine Wahrheit, die freilich jede
glückliche Ehe zu widerlegen ſcheint.“

„Wenn es glückliche Ehen giebt, die meinige
ausgenommen …“ und ſie reichte Innſtetten die Hand.

„Abwechslung alſo,“ fuhr Crampas fort. „Und
dieſe für uns und unſere Reſſource zu gewinnen,
deren Vizevorſtand zu ſein ich zur Zeit die Ehre
habe, dazu braucht es aller bewährten Kräfte. Wenn
wir uns zuſammenthun, ſo müſſen wir das ganze
Neſt auf den Kopf ſtellen. Die Theaterſtücke ſind
ſchon ausgeſucht: Krieg im Frieden, Monſieur Her¬
kules, Jugendliebe von Wilbrandt, vielleicht auch
Euphroſine von Genſichen. Sie die Euphroſine, ich
der alte Goethe. Sie ſollen ſtaunen, wie gut ich den
Dichterfürſten tragiere … wenn ‚tragieren‘ das
richtige Wort iſt.“

„Kein Zweifel. Hab' ich doch inzwiſchen aus
dem Briefe meines alchymiſtiſchen Geheimkorreſpon¬
denten erfahren, daß Sie, neben vielem anderen, ge¬
legentlich auch Dichter ſind. Anfangs habe ich mich
gewundert …“

„Denn Sie haben es mir nicht angeſehen.“

„Nein. Aber ſeit ich weiß, daß Sie bei neun
Grad baden, bin ich anderen Sinnes geworden …
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Quell …“

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[216/0225] Effi Brieſt iſt des Lebens Reiz, eine Wahrheit, die freilich jede glückliche Ehe zu widerlegen ſcheint.“ „Wenn es glückliche Ehen giebt, die meinige ausgenommen …“ und ſie reichte Innſtetten die Hand. „Abwechslung alſo,“ fuhr Crampas fort. „Und dieſe für uns und unſere Reſſource zu gewinnen, deren Vizevorſtand zu ſein ich zur Zeit die Ehre habe, dazu braucht es aller bewährten Kräfte. Wenn wir uns zuſammenthun, ſo müſſen wir das ganze Neſt auf den Kopf ſtellen. Die Theaterſtücke ſind ſchon ausgeſucht: Krieg im Frieden, Monſieur Her¬ kules, Jugendliebe von Wilbrandt, vielleicht auch Euphroſine von Genſichen. Sie die Euphroſine, ich der alte Goethe. Sie ſollen ſtaunen, wie gut ich den Dichterfürſten tragiere … wenn ‚tragieren‘ das richtige Wort iſt.“ „Kein Zweifel. Hab' ich doch inzwiſchen aus dem Briefe meines alchymiſtiſchen Geheimkorreſpon¬ denten erfahren, daß Sie, neben vielem anderen, ge¬ legentlich auch Dichter ſind. Anfangs habe ich mich gewundert …“ „Denn Sie haben es mir nicht angeſehen.“ „Nein. Aber ſeit ich weiß, daß Sie bei neun Grad baden, bin ich anderen Sinnes geworden … neun Grad Oſtſee, das geht über den kaſtaliſchen Quell …“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/225>, abgerufen am 25.11.2024.