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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
"Hafenpolizei! Die drei Behörden, die wir hier
haben, werden doch wohl untereinander die Augen
zudrücken können. Muß denn alles so furchtbar
gesetzlich sein? Alle Gesetzlichkeiten sind langweilig."

Effi klatschte in die Hände.

"Ja, Crampas, Sie kleidet das, und Effi, wie
Sie sehen, klatscht Ihnen Beifall. Natürlich; die
Weiber schreien sofort nach einem Schutzmann, aber
von Gesetz wollen sie nichts wissen."

"Das ist so Frauenrecht von alter Zeit her,
und wir werden's nicht ändern, Innstetten."

"Nein," lachte dieser, "und ich will es auch nicht.
Auf Mohrenwäsche lasse ich mich nicht ein. Aber einer
wie Sie, Crampas, der unter der Fahne der Disziplin
groß geworden ist und recht gut weiß, daß es ohne
Zucht und Ordnung nicht geht, ein Mann wie Sie,
der sollte doch eigentlich so 'was nicht reden, auch
nicht einmal im Spaß. Indessen, ich weiß schon,
Sie haben einen himmlischen Kehrmichnichtdran und
denken, der Himmel wird nicht gleich einstürzen.
Nein, gleich nicht. Aber 'mal kommt es."

Crampas wurde einen Augenblick verlegen, weil
er glaubte, das alles sei mit einer gewissen Absicht
gesprochen, was aber nicht der Fall war. Innstetten
hielt nur einen seiner kleinen moralischen Vorträge,
zu denen er überhaupt hinneigte. "Da lob' ich mir

Effi Brieſt
„Hafenpolizei! Die drei Behörden, die wir hier
haben, werden doch wohl untereinander die Augen
zudrücken können. Muß denn alles ſo furchtbar
geſetzlich ſein? Alle Geſetzlichkeiten ſind langweilig.“

Effi klatſchte in die Hände.

„Ja, Crampas, Sie kleidet das, und Effi, wie
Sie ſehen, klatſcht Ihnen Beifall. Natürlich; die
Weiber ſchreien ſofort nach einem Schutzmann, aber
von Geſetz wollen ſie nichts wiſſen.“

„Das iſt ſo Frauenrecht von alter Zeit her,
und wir werden's nicht ändern, Innſtetten.“

„Nein,“ lachte dieſer, „und ich will es auch nicht.
Auf Mohrenwäſche laſſe ich mich nicht ein. Aber einer
wie Sie, Crampas, der unter der Fahne der Disziplin
groß geworden iſt und recht gut weiß, daß es ohne
Zucht und Ordnung nicht geht, ein Mann wie Sie,
der ſollte doch eigentlich ſo 'was nicht reden, auch
nicht einmal im Spaß. Indeſſen, ich weiß ſchon,
Sie haben einen himmliſchen Kehrmichnichtdran und
denken, der Himmel wird nicht gleich einſtürzen.
Nein, gleich nicht. Aber 'mal kommt es.“

Crampas wurde einen Augenblick verlegen, weil
er glaubte, das alles ſei mit einer gewiſſen Abſicht
geſprochen, was aber nicht der Fall war. Innſtetten
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zu denen er überhaupt hinneigte. „Da lob' ich mir

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[222/0231] Effi Brieſt „Hafenpolizei! Die drei Behörden, die wir hier haben, werden doch wohl untereinander die Augen zudrücken können. Muß denn alles ſo furchtbar geſetzlich ſein? Alle Geſetzlichkeiten ſind langweilig.“ Effi klatſchte in die Hände. „Ja, Crampas, Sie kleidet das, und Effi, wie Sie ſehen, klatſcht Ihnen Beifall. Natürlich; die Weiber ſchreien ſofort nach einem Schutzmann, aber von Geſetz wollen ſie nichts wiſſen.“ „Das iſt ſo Frauenrecht von alter Zeit her, und wir werden's nicht ändern, Innſtetten.“ „Nein,“ lachte dieſer, „und ich will es auch nicht. Auf Mohrenwäſche laſſe ich mich nicht ein. Aber einer wie Sie, Crampas, der unter der Fahne der Disziplin groß geworden iſt und recht gut weiß, daß es ohne Zucht und Ordnung nicht geht, ein Mann wie Sie, der ſollte doch eigentlich ſo 'was nicht reden, auch nicht einmal im Spaß. Indeſſen, ich weiß ſchon, Sie haben einen himmliſchen Kehrmichnichtdran und denken, der Himmel wird nicht gleich einſtürzen. Nein, gleich nicht. Aber 'mal kommt es.“ Crampas wurde einen Augenblick verlegen, weil er glaubte, das alles ſei mit einer gewiſſen Abſicht geſprochen, was aber nicht der Fall war. Innſtetten hielt nur einen ſeiner kleinen moraliſchen Vorträge, zu denen er überhaupt hinneigte. „Da lob' ich mir

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/231>, abgerufen am 14.05.2024.