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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
und es kamen noch ein paar sonnige Spätherbsttage.
"Wer weiß, wie lange sie dauern," sagte Effi zu
Crampas, und so beschloß man, am nächsten Vor¬
mittage noch einmal auszureiten; auch Innstetten,
der einen freien Tag hatte, wollte mit. Es sollte
zunächst wieder bis an die Mole gehen; da wollte
man dann absteigen, ein wenig am Strande prome¬
nieren und schließlich im Schutze der Dünen, wo's
windstill war, ein Frühstück nehmen.

Um die festgesetzte Stunde ritt Crampas vor
dem landrätlichen Hause vor; Kruse hielt schon das
Pferd der gnädigen Frau, die sich rasch in den Sattel
hob und noch im Aufsteigen Innstetten entschuldigte,
der nun doch verhindert sei: letzte Nacht wieder
großes Feuer in Morgenitz -- das dritte seit drei
Wochen, also angelegt -- da habe er hingemußt,
sehr zu seinem Leidwesen, denn er habe sich auf
diesen Ausritt, der wohl der letzte in diesem Herbste
sein werde, wirklich gefreut.

Crampas sprach sein Bedauern aus, vielleicht
nur um 'was zu sagen, vielleicht aber auch aufrichtig,
denn so rücksichtslos er im Punkte chevaleresker
Liebesabenteuer war, so sehr war er auch wieder
guter Kamerad. Natürlich, alles ganz oberflächlich.
Einem Freunde helfen und fünf Minuten später ihn
betrügen, waren Dinge, die sich mit seinem Ehrbegriffe

Effi Brieſt
und es kamen noch ein paar ſonnige Spätherbſttage.
„Wer weiß, wie lange ſie dauern,“ ſagte Effi zu
Crampas, und ſo beſchloß man, am nächſten Vor¬
mittage noch einmal auszureiten; auch Innſtetten,
der einen freien Tag hatte, wollte mit. Es ſollte
zunächſt wieder bis an die Mole gehen; da wollte
man dann abſteigen, ein wenig am Strande prome¬
nieren und ſchließlich im Schutze der Dünen, wo's
windſtill war, ein Frühſtück nehmen.

Um die feſtgeſetzte Stunde ritt Crampas vor
dem landrätlichen Hauſe vor; Kruſe hielt ſchon das
Pferd der gnädigen Frau, die ſich raſch in den Sattel
hob und noch im Aufſteigen Innſtetten entſchuldigte,
der nun doch verhindert ſei: letzte Nacht wieder
großes Feuer in Morgenitz — das dritte ſeit drei
Wochen, alſo angelegt — da habe er hingemußt,
ſehr zu ſeinem Leidweſen, denn er habe ſich auf
dieſen Ausritt, der wohl der letzte in dieſem Herbſte
ſein werde, wirklich gefreut.

Crampas ſprach ſein Bedauern aus, vielleicht
nur um 'was zu ſagen, vielleicht aber auch aufrichtig,
denn ſo rückſichtslos er im Punkte chevaleresker
Liebesabenteuer war, ſo ſehr war er auch wieder
guter Kamerad. Natürlich, alles ganz oberflächlich.
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[233/0242] Effi Brieſt und es kamen noch ein paar ſonnige Spätherbſttage. „Wer weiß, wie lange ſie dauern,“ ſagte Effi zu Crampas, und ſo beſchloß man, am nächſten Vor¬ mittage noch einmal auszureiten; auch Innſtetten, der einen freien Tag hatte, wollte mit. Es ſollte zunächſt wieder bis an die Mole gehen; da wollte man dann abſteigen, ein wenig am Strande prome¬ nieren und ſchließlich im Schutze der Dünen, wo's windſtill war, ein Frühſtück nehmen. Um die feſtgeſetzte Stunde ritt Crampas vor dem landrätlichen Hauſe vor; Kruſe hielt ſchon das Pferd der gnädigen Frau, die ſich raſch in den Sattel hob und noch im Aufſteigen Innſtetten entſchuldigte, der nun doch verhindert ſei: letzte Nacht wieder großes Feuer in Morgenitz — das dritte ſeit drei Wochen, alſo angelegt — da habe er hingemußt, ſehr zu ſeinem Leidweſen, denn er habe ſich auf dieſen Ausritt, der wohl der letzte in dieſem Herbſte ſein werde, wirklich gefreut. Crampas ſprach ſein Bedauern aus, vielleicht nur um 'was zu ſagen, vielleicht aber auch aufrichtig, denn ſo rückſichtslos er im Punkte chevaleresker Liebesabenteuer war, ſo ſehr war er auch wieder guter Kamerad. Natürlich, alles ganz oberflächlich. Einem Freunde helfen und fünf Minuten ſpäter ihn betrügen, waren Dinge, die ſich mit ſeinem Ehrbegriffe

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/242>, abgerufen am 23.11.2024.