Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Effi Briest
kleine Hand und wollte Pläne schmieden; aber mit
einemmale mußte sie wieder lachen. "Ich Kindskopf!
Wer bürgt mir denn dafür, daß Crampas recht hat!
Crampas ist unterhaltlich, weil er medisant ist, aber
er ist unzuverlässig und ein bloßer Haselant, der
schließlich Innstetten nicht das Wasser reicht."

In diesem Augenblick fuhr Innstetten vor, der
heute früher zurück kam, als gewöhnlich. Effi sprang
auf, um ihn schon im Flur zu begrüßen, und war
um so zärtlicher, je mehr sie das Gefühl hatte, etwas
gut machen zu müssen. Aber ganz konnte sie das,
was Crampas gesagt hatte, doch nicht verwinden,
und inmitten ihrer Zärtlichkeiten, und während sie
mit anscheinendem Interesse zuhörte, klang es in ihr
immer wieder: "also Spuk aus Berechnung, Spuk,
um dich in Ordnung zu halten."

Zuletzt indessen vergaß sie's und ließ sich un¬
befangen von ihm erzählen.


Inzwischen war Mitte November herangekommen,
und der bis zum Sturm sich steigernde Nordwester
stand anderthalb Tag lang so hart auf die Molen,
daß die mehr und mehr zurückgestaute Kessine das
Bollwerk überstieg und in die Straßen trat. Aber
nachdem sich's ausgetobt, legte sich das Unwetter,

Effi Brieſt
kleine Hand und wollte Pläne ſchmieden; aber mit
einemmale mußte ſie wieder lachen. „Ich Kindskopf!
Wer bürgt mir denn dafür, daß Crampas recht hat!
Crampas iſt unterhaltlich, weil er mediſant iſt, aber
er iſt unzuverläſſig und ein bloßer Haſelant, der
ſchließlich Innſtetten nicht das Waſſer reicht.“

In dieſem Augenblick fuhr Innſtetten vor, der
heute früher zurück kam, als gewöhnlich. Effi ſprang
auf, um ihn ſchon im Flur zu begrüßen, und war
um ſo zärtlicher, je mehr ſie das Gefühl hatte, etwas
gut machen zu müſſen. Aber ganz konnte ſie das,
was Crampas geſagt hatte, doch nicht verwinden,
und inmitten ihrer Zärtlichkeiten, und während ſie
mit anſcheinendem Intereſſe zuhörte, klang es in ihr
immer wieder: „alſo Spuk aus Berechnung, Spuk,
um dich in Ordnung zu halten.“

Zuletzt indeſſen vergaß ſie's und ließ ſich un¬
befangen von ihm erzählen.


Inzwiſchen war Mitte November herangekommen,
und der bis zum Sturm ſich ſteigernde Nordweſter
ſtand anderthalb Tag lang ſo hart auf die Molen,
daß die mehr und mehr zurückgeſtaute Keſſine das
Bollwerk überſtieg und in die Straßen trat. Aber
nachdem ſich's ausgetobt, legte ſich das Unwetter,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0241" n="232"/><fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw>kleine Hand und wollte Pläne &#x017F;chmieden; aber mit<lb/>
einemmale mußte &#x017F;ie wieder lachen. &#x201E;Ich Kindskopf!<lb/>
Wer bürgt mir denn dafür, daß Crampas recht hat!<lb/>
Crampas i&#x017F;t unterhaltlich, weil er medi&#x017F;ant i&#x017F;t, aber<lb/>
er i&#x017F;t unzuverlä&#x017F;&#x017F;ig und ein bloßer Ha&#x017F;elant, der<lb/>
&#x017F;chließlich Inn&#x017F;tetten nicht das Wa&#x017F;&#x017F;er reicht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>In die&#x017F;em Augenblick fuhr Inn&#x017F;tetten vor, der<lb/>
heute früher zurück kam, als gewöhnlich. Effi &#x017F;prang<lb/>
auf, um ihn &#x017F;chon im Flur zu begrüßen, und war<lb/>
um &#x017F;o zärtlicher, je mehr &#x017F;ie das Gefühl hatte, etwas<lb/>
gut machen zu mü&#x017F;&#x017F;en. Aber ganz konnte &#x017F;ie das,<lb/>
was Crampas ge&#x017F;agt hatte, doch nicht verwinden,<lb/>
und inmitten ihrer Zärtlichkeiten, und während &#x017F;ie<lb/>
mit an&#x017F;cheinendem Intere&#x017F;&#x017F;e zuhörte, klang es in ihr<lb/>
immer wieder: &#x201E;al&#x017F;o Spuk aus Berechnung, Spuk,<lb/>
um dich in Ordnung zu halten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Zuletzt inde&#x017F;&#x017F;en vergaß &#x017F;ie's und ließ &#x017F;ich un¬<lb/>
befangen von ihm erzählen.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Inzwi&#x017F;chen war Mitte November herangekommen,<lb/>
und der bis zum Sturm &#x017F;ich &#x017F;teigernde Nordwe&#x017F;ter<lb/>
&#x017F;tand anderthalb Tag lang &#x017F;o hart auf die Molen,<lb/>
daß die mehr und mehr zurückge&#x017F;taute Ke&#x017F;&#x017F;ine das<lb/>
Bollwerk über&#x017F;tieg und in die Straßen trat. Aber<lb/>
nachdem &#x017F;ich's ausgetobt, legte &#x017F;ich das Unwetter,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0241] Effi Brieſt kleine Hand und wollte Pläne ſchmieden; aber mit einemmale mußte ſie wieder lachen. „Ich Kindskopf! Wer bürgt mir denn dafür, daß Crampas recht hat! Crampas iſt unterhaltlich, weil er mediſant iſt, aber er iſt unzuverläſſig und ein bloßer Haſelant, der ſchließlich Innſtetten nicht das Waſſer reicht.“ In dieſem Augenblick fuhr Innſtetten vor, der heute früher zurück kam, als gewöhnlich. Effi ſprang auf, um ihn ſchon im Flur zu begrüßen, und war um ſo zärtlicher, je mehr ſie das Gefühl hatte, etwas gut machen zu müſſen. Aber ganz konnte ſie das, was Crampas geſagt hatte, doch nicht verwinden, und inmitten ihrer Zärtlichkeiten, und während ſie mit anſcheinendem Intereſſe zuhörte, klang es in ihr immer wieder: „alſo Spuk aus Berechnung, Spuk, um dich in Ordnung zu halten.“ Zuletzt indeſſen vergaß ſie's und ließ ſich un¬ befangen von ihm erzählen. Inzwiſchen war Mitte November herangekommen, und der bis zum Sturm ſich ſteigernde Nordweſter ſtand anderthalb Tag lang ſo hart auf die Molen, daß die mehr und mehr zurückgeſtaute Keſſine das Bollwerk überſtieg und in die Straßen trat. Aber nachdem ſich's ausgetobt, legte ſich das Unwetter,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/241
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/241>, abgerufen am 14.05.2024.