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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Geschenke und Briefe; Gieshübler war wieder mit
einem Huldigungsvers zur Stelle, und Vetter Briest
sandte eine Karte: Schneelandschaft mit Telegraphen¬
stangen, auf deren Draht geduckt ein Vögelchen saß.
Auch für Annie war aufgebaut: ein Baum mit
Lichtern, und das Kind griff mit seinen Händchen
danach. Innstetten, unbefangen und heiter, schien
sich seines häuslichen Glücks zu freuen und beschäftigte
sich viel mit dem Kinde. Roswitha war erstaunt,
den gnädigen Herrn so zärtlich und zugleich so auf¬
geräumt zu sehen. Auch Effi sprach viel und lachte
viel, es kam ihr aber nicht aus innerster Seele. Sie
fühlte sich bedrückt und wußte nur nicht, wen sie
dafür verantwortlich machen sollte, Innstetten oder
sich selber. Von Crampas war kein Weihnachtsgruß
eingetroffen; eigentlich war es ihr lieb, aber auch
wieder nicht, seine Huldigungen erfüllten sie mit
einem gewissen Bangen, und seine Gleichgültigkeiten
verstimmten sie; sie sah ein, es war nicht alles so,
wie's sein sollte.

"Du bist so unruhig," sagte Innstetten nach
einer Weile.

"Ja. Alle Welt hat es so gut mit mir gemeint,
am meisten Du; das bedrückt mich, weil ich fühle,
daß ich es nicht verdiene."

"Damit darf man sich nicht quälen, Effi. Zuletzt

Effi Brieſt
Geſchenke und Briefe; Gieshübler war wieder mit
einem Huldigungsvers zur Stelle, und Vetter Brieſt
ſandte eine Karte: Schneelandſchaft mit Telegraphen¬
ſtangen, auf deren Draht geduckt ein Vögelchen ſaß.
Auch für Annie war aufgebaut: ein Baum mit
Lichtern, und das Kind griff mit ſeinen Händchen
danach. Innſtetten, unbefangen und heiter, ſchien
ſich ſeines häuslichen Glücks zu freuen und beſchäftigte
ſich viel mit dem Kinde. Roswitha war erſtaunt,
den gnädigen Herrn ſo zärtlich und zugleich ſo auf¬
geräumt zu ſehen. Auch Effi ſprach viel und lachte
viel, es kam ihr aber nicht aus innerſter Seele. Sie
fühlte ſich bedrückt und wußte nur nicht, wen ſie
dafür verantwortlich machen ſollte, Innſtetten oder
ſich ſelber. Von Crampas war kein Weihnachtsgruß
eingetroffen; eigentlich war es ihr lieb, aber auch
wieder nicht, ſeine Huldigungen erfüllten ſie mit
einem gewiſſen Bangen, und ſeine Gleichgültigkeiten
verſtimmten ſie; ſie ſah ein, es war nicht alles ſo,
wie's ſein ſollte.

„Du biſt ſo unruhig,“ ſagte Innſtetten nach
einer Weile.

„Ja. Alle Welt hat es ſo gut mit mir gemeint,
am meiſten Du; das bedrückt mich, weil ich fühle,
daß ich es nicht verdiene.“

„Damit darf man ſich nicht quälen, Effi. Zuletzt

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[256/0265] Effi Brieſt Geſchenke und Briefe; Gieshübler war wieder mit einem Huldigungsvers zur Stelle, und Vetter Brieſt ſandte eine Karte: Schneelandſchaft mit Telegraphen¬ ſtangen, auf deren Draht geduckt ein Vögelchen ſaß. Auch für Annie war aufgebaut: ein Baum mit Lichtern, und das Kind griff mit ſeinen Händchen danach. Innſtetten, unbefangen und heiter, ſchien ſich ſeines häuslichen Glücks zu freuen und beſchäftigte ſich viel mit dem Kinde. Roswitha war erſtaunt, den gnädigen Herrn ſo zärtlich und zugleich ſo auf¬ geräumt zu ſehen. Auch Effi ſprach viel und lachte viel, es kam ihr aber nicht aus innerſter Seele. Sie fühlte ſich bedrückt und wußte nur nicht, wen ſie dafür verantwortlich machen ſollte, Innſtetten oder ſich ſelber. Von Crampas war kein Weihnachtsgruß eingetroffen; eigentlich war es ihr lieb, aber auch wieder nicht, ſeine Huldigungen erfüllten ſie mit einem gewiſſen Bangen, und ſeine Gleichgültigkeiten verſtimmten ſie; ſie ſah ein, es war nicht alles ſo, wie's ſein ſollte. „Du biſt ſo unruhig,“ ſagte Innſtetten nach einer Weile. „Ja. Alle Welt hat es ſo gut mit mir gemeint, am meiſten Du; das bedrückt mich, weil ich fühle, daß ich es nicht verdiene.“ „Damit darf man ſich nicht quälen, Effi. Zuletzt

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/265>, abgerufen am 22.11.2024.