Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.Effi Briest sich auch heute bis zum Kassandrablick in die Zukunftgesteigert haben, wenn nicht in eben diesem Augen¬ blicke die dampfende Punschbowle -- womit die Weihnachtsreunions bei Ring immer abschlossen -- auf der Tafel erschienen wäre, dazu Krausgebackenes, das, geschickt über einander getürmt, noch weit über die vor einigen Stunden aufgetragene Kaffeekuchen¬ pyramide hinauswuchs. Und nun trat auch Ring selbst, der sich bis dahin etwas zurückgehalten hatte, mit einer gewissen strahlenden Feierlichkeit in Aktion und begann die vor ihm stehenden Gläser, große geschliffene Römer, in virtuosem Bogensturz zu füllen, ein Einschenkekunststück, das die stets schlagfertige Frau von Padden, die heute leider fehlte, 'mal als ,Ring'sche Füllung en cascade' bezeichnet hatte. Rotgolden wölbte sich dabei der Strahl, und kein Tropfen durfte verloren gehen. So war es auch heute wieder. Zuletzt aber, als jeder, was ihm zu¬ kam, in Händen hielt -- auch Cora, die sich mittler¬ weile mit ihrem rotblonden Wellenhaar auf "Onkel Crampas'" Schoß gesetzt hatte -- erhob sich der alte Papenhagner, um, wie herkömmlich bei Festlichkeiten derart, einen Toast auf seinen lieben Oberförster auszubringen. Es gäbe viele Ringe, so etwa begann er, Jahresringe, Gardinenringe, Trauringe, und was nun gar -- denn auch davon dürfe sich am Ende Effi Brieſt ſich auch heute bis zum Kaſſandrablick in die Zukunftgeſteigert haben, wenn nicht in eben dieſem Augen¬ blicke die dampfende Punſchbowle — womit die Weihnachtsréunions bei Ring immer abſchloſſen — auf der Tafel erſchienen wäre, dazu Krausgebackenes, das, geſchickt über einander getürmt, noch weit über die vor einigen Stunden aufgetragene Kaffeekuchen¬ pyramide hinauswuchs. Und nun trat auch Ring ſelbſt, der ſich bis dahin etwas zurückgehalten hatte, mit einer gewiſſen ſtrahlenden Feierlichkeit in Aktion und begann die vor ihm ſtehenden Gläſer, große geſchliffene Römer, in virtuoſem Bogenſturz zu füllen, ein Einſchenkekunſtſtück, das die ſtets ſchlagfertige Frau von Padden, die heute leider fehlte, 'mal als ,Ring'ſche Füllung en cascade‘ bezeichnet hatte. Rotgolden wölbte ſich dabei der Strahl, und kein Tropfen durfte verloren gehen. So war es auch heute wieder. Zuletzt aber, als jeder, was ihm zu¬ kam, in Händen hielt — auch Cora, die ſich mittler¬ weile mit ihrem rotblonden Wellenhaar auf „Onkel Crampas'“ Schoß geſetzt hatte — erhob ſich der alte Papenhagner, um, wie herkömmlich bei Feſtlichkeiten derart, einen Toaſt auf ſeinen lieben Oberförſter auszubringen. Es gäbe viele Ringe, ſo etwa begann er, Jahresringe, Gardinenringe, Trauringe, und was nun gar — denn auch davon dürfe ſich am Ende <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0276" n="267"/><fw place="top" type="header">Effi Brieſt<lb/></fw> ſich auch heute bis zum Kaſſandrablick in die Zukunft<lb/> geſteigert haben, wenn nicht in eben dieſem Augen¬<lb/> blicke die dampfende Punſchbowle — womit die<lb/> Weihnachtsr<hi rendition="#aq">é</hi>unions bei Ring immer abſchloſſen —<lb/> auf der Tafel erſchienen wäre, dazu Krausgebackenes,<lb/> das, geſchickt über einander getürmt, noch weit über<lb/> die vor einigen Stunden aufgetragene Kaffeekuchen¬<lb/> pyramide hinauswuchs. Und nun trat auch Ring<lb/> ſelbſt, der ſich bis dahin etwas zurückgehalten hatte,<lb/> mit einer gewiſſen ſtrahlenden Feierlichkeit in Aktion<lb/> und begann die vor ihm ſtehenden Gläſer, große<lb/> geſchliffene Römer, in virtuoſem Bogenſturz zu füllen,<lb/> ein Einſchenkekunſtſtück, das die ſtets ſchlagfertige<lb/> Frau von Padden, die heute leider fehlte, 'mal als<lb/> ,Ring'ſche Füllung <hi rendition="#aq">en cascade</hi>‘ bezeichnet hatte.<lb/> Rotgolden wölbte ſich dabei der Strahl, und kein<lb/> Tropfen durfte verloren gehen. So war es auch<lb/> heute wieder. Zuletzt aber, als jeder, was ihm zu¬<lb/> kam, in Händen hielt — auch Cora, die ſich mittler¬<lb/> weile mit ihrem rotblonden Wellenhaar auf „Onkel<lb/> Crampas'“ Schoß geſetzt hatte — erhob ſich der alte<lb/> Papenhagner, um, wie herkömmlich bei Feſtlichkeiten<lb/> derart, einen Toaſt auf ſeinen lieben Oberförſter<lb/> auszubringen. Es gäbe viele Ringe, ſo etwa begann<lb/> er, Jahresringe, Gardinenringe, Trauringe, und was<lb/> nun gar — denn auch davon dürfe ſich am Ende<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [267/0276]
Effi Brieſt
ſich auch heute bis zum Kaſſandrablick in die Zukunft
geſteigert haben, wenn nicht in eben dieſem Augen¬
blicke die dampfende Punſchbowle — womit die
Weihnachtsréunions bei Ring immer abſchloſſen —
auf der Tafel erſchienen wäre, dazu Krausgebackenes,
das, geſchickt über einander getürmt, noch weit über
die vor einigen Stunden aufgetragene Kaffeekuchen¬
pyramide hinauswuchs. Und nun trat auch Ring
ſelbſt, der ſich bis dahin etwas zurückgehalten hatte,
mit einer gewiſſen ſtrahlenden Feierlichkeit in Aktion
und begann die vor ihm ſtehenden Gläſer, große
geſchliffene Römer, in virtuoſem Bogenſturz zu füllen,
ein Einſchenkekunſtſtück, das die ſtets ſchlagfertige
Frau von Padden, die heute leider fehlte, 'mal als
,Ring'ſche Füllung en cascade‘ bezeichnet hatte.
Rotgolden wölbte ſich dabei der Strahl, und kein
Tropfen durfte verloren gehen. So war es auch
heute wieder. Zuletzt aber, als jeder, was ihm zu¬
kam, in Händen hielt — auch Cora, die ſich mittler¬
weile mit ihrem rotblonden Wellenhaar auf „Onkel
Crampas'“ Schoß geſetzt hatte — erhob ſich der alte
Papenhagner, um, wie herkömmlich bei Feſtlichkeiten
derart, einen Toaſt auf ſeinen lieben Oberförſter
auszubringen. Es gäbe viele Ringe, ſo etwa begann
er, Jahresringe, Gardinenringe, Trauringe, und was
nun gar — denn auch davon dürfe ſich am Ende
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