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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

"Mama, Du darfst mich nicht schelten. Es ist
wirklich erst halb. Warum kommt er so früh?
Kavaliere kommen nicht zu spät, aber noch weniger
zu früh."

Frau von Briest war in sichtlicher Verlegenheit;
Effi aber schmiegte sich liebkosend an sie und sagte:
"Verzeih', ich will mich nun eilen; Du weißt,
ich kann auch rasch sein, und in fünf Minuten ist
Aschenpuddel in eine Prinzessin verwandelt. So
lange kann er warten oder mit dem Papa plaudern."

Und der Mama zunickend, wollte sie leichten
Fußes eine kleine eiserne Stiege hinauf, die aus dem
Saal in den Oberstock hinauf führte. Frau von
Briest aber, die unter Umständen auch unkonventionell
sein konnte, hielt plötzlich die schon forteilende Effi
zurück, warf einen Blick auf das jugendlich reizende
Geschöpf, das, noch erhitzt von der Aufregung des
Spiels, wie ein Bild frischesten Lebens vor ihr stand,
und sagte beinahe vertraulich: "Es ist am Ende das
Beste, Du bleibst wie Du bist. Ja, bleibe so. Du
siehst gerade sehr gut aus. Und wenn es auch nicht
wäre, Du siehst so unvorbereitet aus, so gar nicht
zurecht gemacht, und darauf kommt es in diesem
Augenblicke an. Ich muß Dir nämlich sagen, meine
süße Effi ..." und sie nahm ihres Kindes beide
Hände ... "ich muß Dir nämlich sagen ..."

2 *
Effi Brieſt

„Mama, Du darfſt mich nicht ſchelten. Es iſt
wirklich erſt halb. Warum kommt er ſo früh?
Kavaliere kommen nicht zu ſpät, aber noch weniger
zu früh.“

Frau von Brieſt war in ſichtlicher Verlegenheit;
Effi aber ſchmiegte ſich liebkoſend an ſie und ſagte:
„Verzeih', ich will mich nun eilen; Du weißt,
ich kann auch raſch ſein, und in fünf Minuten iſt
Aſchenpuddel in eine Prinzeſſin verwandelt. So
lange kann er warten oder mit dem Papa plaudern.“

Und der Mama zunickend, wollte ſie leichten
Fußes eine kleine eiſerne Stiege hinauf, die aus dem
Saal in den Oberſtock hinauf führte. Frau von
Brieſt aber, die unter Umſtänden auch unkonventionell
ſein konnte, hielt plötzlich die ſchon forteilende Effi
zurück, warf einen Blick auf das jugendlich reizende
Geſchöpf, das, noch erhitzt von der Aufregung des
Spiels, wie ein Bild friſcheſten Lebens vor ihr ſtand,
und ſagte beinahe vertraulich: „Es iſt am Ende das
Beſte, Du bleibſt wie Du biſt. Ja, bleibe ſo. Du
ſiehſt gerade ſehr gut aus. Und wenn es auch nicht
wäre, Du ſiehſt ſo unvorbereitet aus, ſo gar nicht
zurecht gemacht, und darauf kommt es in dieſem
Augenblicke an. Ich muß Dir nämlich ſagen, meine
ſüße Effi …“ und ſie nahm ihres Kindes beide
Hände … „ich muß Dir nämlich ſagen …“

2 *
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[19/0028] Effi Brieſt „Mama, Du darfſt mich nicht ſchelten. Es iſt wirklich erſt halb. Warum kommt er ſo früh? Kavaliere kommen nicht zu ſpät, aber noch weniger zu früh.“ Frau von Brieſt war in ſichtlicher Verlegenheit; Effi aber ſchmiegte ſich liebkoſend an ſie und ſagte: „Verzeih', ich will mich nun eilen; Du weißt, ich kann auch raſch ſein, und in fünf Minuten iſt Aſchenpuddel in eine Prinzeſſin verwandelt. So lange kann er warten oder mit dem Papa plaudern.“ Und der Mama zunickend, wollte ſie leichten Fußes eine kleine eiſerne Stiege hinauf, die aus dem Saal in den Oberſtock hinauf führte. Frau von Brieſt aber, die unter Umſtänden auch unkonventionell ſein konnte, hielt plötzlich die ſchon forteilende Effi zurück, warf einen Blick auf das jugendlich reizende Geſchöpf, das, noch erhitzt von der Aufregung des Spiels, wie ein Bild friſcheſten Lebens vor ihr ſtand, und ſagte beinahe vertraulich: „Es iſt am Ende das Beſte, Du bleibſt wie Du biſt. Ja, bleibe ſo. Du ſiehſt gerade ſehr gut aus. Und wenn es auch nicht wäre, Du ſiehſt ſo unvorbereitet aus, ſo gar nicht zurecht gemacht, und darauf kommt es in dieſem Augenblicke an. Ich muß Dir nämlich ſagen, meine ſüße Effi …“ und ſie nahm ihres Kindes beide Hände … „ich muß Dir nämlich ſagen …“ 2 *

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/28>, abgerufen am 29.04.2024.