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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

"Aber Mama, was hast Du nur? Mir wird
ja ganz angst und bange."

"... Ich muß dir nämlich sagen, Effi, daß
Baron Innstetten eben um Deine Hand angehalten hat."

"Um meine Hand angehalten? Und im Ernst?"

"Es ist keine Sache, um einen Scherz daraus
zu machen. Du hast ihn vorgestern gesehen, und ich
glaube, er hat Dir auch gut gefallen. Er ist freilich
älter als Du, was alles in allem ein Glück ist,
dazu ein Mann von Charakter, von Stellung und
guten Sitten, und wenn Du nicht ,Nein' sagst, was
ich mir von meiner klugen Effi kaum denken kann,
so stehst Du mit zwanzig Jahren da, wo andere mit
vierzig stehen. Du wirst Deine Mama weit überholen."

Effi schwieg und suchte nach einer Antwort.
Aber ehe sie diese finden konnte, hörte sie schon des
Vaters Stimme von dem angrenzenden, noch im
Fronthause gelegenen Hinterzimmer her, und gleich
danach überschritt Ritterschaftsrat von Briest, ein wohl
konservierter Fünfziger von ausgesprochener Bon¬
hommie, die Gartensalonschwelle -- mit ihm Baron
Innstetten, schlank, brünett und von militärischer
Haltung.

Effi, als sie seiner ansichtig wurde, kam in ein
nervöses Zittern; aber nicht auf lange, denn im
selben Augenblicke fast, wo sich Innstetten unter

Effi Brieſt

„Aber Mama, was haſt Du nur? Mir wird
ja ganz angſt und bange.“

„… Ich muß dir nämlich ſagen, Effi, daß
Baron Innſtetten eben um Deine Hand angehalten hat.“

„Um meine Hand angehalten? Und im Ernſt?“

„Es iſt keine Sache, um einen Scherz daraus
zu machen. Du haſt ihn vorgeſtern geſehen, und ich
glaube, er hat Dir auch gut gefallen. Er iſt freilich
älter als Du, was alles in allem ein Glück iſt,
dazu ein Mann von Charakter, von Stellung und
guten Sitten, und wenn Du nicht ,Nein‘ ſagſt, was
ich mir von meiner klugen Effi kaum denken kann,
ſo ſtehſt Du mit zwanzig Jahren da, wo andere mit
vierzig ſtehen. Du wirſt Deine Mama weit überholen.“

Effi ſchwieg und ſuchte nach einer Antwort.
Aber ehe ſie dieſe finden konnte, hörte ſie ſchon des
Vaters Stimme von dem angrenzenden, noch im
Fronthauſe gelegenen Hinterzimmer her, und gleich
danach überſchritt Ritterſchaftsrat von Brieſt, ein wohl
konſervierter Fünfziger von ausgeſprochener Bon¬
hommie, die Gartenſalonſchwelle — mit ihm Baron
Innſtetten, ſchlank, brünett und von militäriſcher
Haltung.

Effi, als ſie ſeiner anſichtig wurde, kam in ein
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[20/0029] Effi Brieſt „Aber Mama, was haſt Du nur? Mir wird ja ganz angſt und bange.“ „… Ich muß dir nämlich ſagen, Effi, daß Baron Innſtetten eben um Deine Hand angehalten hat.“ „Um meine Hand angehalten? Und im Ernſt?“ „Es iſt keine Sache, um einen Scherz daraus zu machen. Du haſt ihn vorgeſtern geſehen, und ich glaube, er hat Dir auch gut gefallen. Er iſt freilich älter als Du, was alles in allem ein Glück iſt, dazu ein Mann von Charakter, von Stellung und guten Sitten, und wenn Du nicht ,Nein‘ ſagſt, was ich mir von meiner klugen Effi kaum denken kann, ſo ſtehſt Du mit zwanzig Jahren da, wo andere mit vierzig ſtehen. Du wirſt Deine Mama weit überholen.“ Effi ſchwieg und ſuchte nach einer Antwort. Aber ehe ſie dieſe finden konnte, hörte ſie ſchon des Vaters Stimme von dem angrenzenden, noch im Fronthauſe gelegenen Hinterzimmer her, und gleich danach überſchritt Ritterſchaftsrat von Brieſt, ein wohl konſervierter Fünfziger von ausgeſprochener Bon¬ hommie, die Gartenſalonſchwelle — mit ihm Baron Innſtetten, ſchlank, brünett und von militäriſcher Haltung. Effi, als ſie ſeiner anſichtig wurde, kam in ein nervöſes Zittern; aber nicht auf lange, denn im ſelben Augenblicke faſt, wo ſich Innſtetten unter

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/29>, abgerufen am 28.04.2024.