Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
Effi Briest

Kruse wandte sich halb herum und sagte: "Der
Schloon, gnäd'ge Frau."

"Der Schloon? Was ist das? Ich sehe nichts."

Kruse wiegte den Kopf hin und her, wie wenn
er ausdrücken wollte, daß die Frage leichter gestellt
als beantwortet sei. Worin er auch recht hatte.
Denn was der Schloon sei, das war nicht so mit
drei Worten zu sagen. Kruse fand aber in seiner
Verlegenheit alsbald Hülfe bei dem gnädigen Fräulein,
das hier mit allem Bescheid wußte und natürlich
auch mit dem Schloon.

"Ja, meine gnädigste Frau," sagte Sidonie,
"da steht es schlimm. Für mich hat es nicht viel
auf sich, ich komme bequem durch; denn wenn erst
die Wagen heran sind, die haben hohe Räder, und
unsere Pferde sind außerdem daran gewöhnt. Aber
mit solchem Schlitten ist es 'was anderes; die ver¬
sinken im Schloon, und Sie werden wohl oder übel
einen Umweg machen müssen."

"Versinken! Ich bitte Sie, mein gnädigstes
Fräulein, ich sehe noch immer nicht klar. Ist denn
der Schloon ein Abgrund oder irgend 'was, drin
man mit Mann und Maus zu Grunde gehen muß?
Ich kann mir so 'was hier zu Lande gar nicht
denken."

"Und doch ist es so 'was, nur freilich im kleinen;

18 *
Effi Brieſt

Kruſe wandte ſich halb herum und ſagte: „Der
Schloon, gnäd'ge Frau.“

„Der Schloon? Was iſt das? Ich ſehe nichts.“

Kruſe wiegte den Kopf hin und her, wie wenn
er ausdrücken wollte, daß die Frage leichter geſtellt
als beantwortet ſei. Worin er auch recht hatte.
Denn was der Schloon ſei, das war nicht ſo mit
drei Worten zu ſagen. Kruſe fand aber in ſeiner
Verlegenheit alsbald Hülfe bei dem gnädigen Fräulein,
das hier mit allem Beſcheid wußte und natürlich
auch mit dem Schloon.

„Ja, meine gnädigſte Frau,“ ſagte Sidonie,
„da ſteht es ſchlimm. Für mich hat es nicht viel
auf ſich, ich komme bequem durch; denn wenn erſt
die Wagen heran ſind, die haben hohe Räder, und
unſere Pferde ſind außerdem daran gewöhnt. Aber
mit ſolchem Schlitten iſt es 'was anderes; die ver¬
ſinken im Schloon, und Sie werden wohl oder übel
einen Umweg machen müſſen.“

„Verſinken! Ich bitte Sie, mein gnädigſtes
Fräulein, ich ſehe noch immer nicht klar. Iſt denn
der Schloon ein Abgrund oder irgend 'was, drin
man mit Mann und Maus zu Grunde gehen muß?
Ich kann mir ſo 'was hier zu Lande gar nicht
denken.“

„Und doch iſt es ſo 'was, nur freilich im kleinen;

18 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0284" n="275"/>
        <fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw>
        <p>Kru&#x017F;e wandte &#x017F;ich halb herum und &#x017F;agte: &#x201E;Der<lb/>
Schloon, gnäd'ge Frau.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Der Schloon? Was i&#x017F;t das? Ich &#x017F;ehe nichts.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Kru&#x017F;e wiegte den Kopf hin und her, wie wenn<lb/>
er ausdrücken wollte, daß die Frage leichter ge&#x017F;tellt<lb/>
als beantwortet &#x017F;ei. Worin er auch recht hatte.<lb/>
Denn was der Schloon &#x017F;ei, das war nicht &#x017F;o mit<lb/>
drei Worten zu &#x017F;agen. Kru&#x017F;e fand aber in &#x017F;einer<lb/>
Verlegenheit alsbald Hülfe bei dem gnädigen Fräulein,<lb/>
das hier mit allem Be&#x017F;cheid wußte und natürlich<lb/>
auch mit dem Schloon.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, meine gnädig&#x017F;te Frau,&#x201C; &#x017F;agte Sidonie,<lb/>
&#x201E;da &#x017F;teht es &#x017F;chlimm. Für mich hat es nicht viel<lb/>
auf &#x017F;ich, ich komme bequem durch; denn wenn er&#x017F;t<lb/>
die Wagen heran &#x017F;ind, die haben hohe Räder, und<lb/>
un&#x017F;ere Pferde &#x017F;ind außerdem daran gewöhnt. Aber<lb/>
mit &#x017F;olchem Schlitten i&#x017F;t es 'was anderes; die ver¬<lb/>
&#x017F;inken im Schloon, und Sie werden wohl oder übel<lb/>
einen Umweg machen mü&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ver&#x017F;inken! Ich bitte Sie, mein gnädig&#x017F;tes<lb/>
Fräulein, ich &#x017F;ehe noch immer nicht klar. I&#x017F;t denn<lb/>
der Schloon ein Abgrund oder irgend 'was, drin<lb/>
man mit Mann und Maus zu Grunde gehen muß?<lb/>
Ich kann mir &#x017F;o 'was hier zu Lande gar nicht<lb/>
denken.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und doch i&#x017F;t es &#x017F;o 'was, nur freilich im kleinen;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">18 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[275/0284] Effi Brieſt Kruſe wandte ſich halb herum und ſagte: „Der Schloon, gnäd'ge Frau.“ „Der Schloon? Was iſt das? Ich ſehe nichts.“ Kruſe wiegte den Kopf hin und her, wie wenn er ausdrücken wollte, daß die Frage leichter geſtellt als beantwortet ſei. Worin er auch recht hatte. Denn was der Schloon ſei, das war nicht ſo mit drei Worten zu ſagen. Kruſe fand aber in ſeiner Verlegenheit alsbald Hülfe bei dem gnädigen Fräulein, das hier mit allem Beſcheid wußte und natürlich auch mit dem Schloon. „Ja, meine gnädigſte Frau,“ ſagte Sidonie, „da ſteht es ſchlimm. Für mich hat es nicht viel auf ſich, ich komme bequem durch; denn wenn erſt die Wagen heran ſind, die haben hohe Räder, und unſere Pferde ſind außerdem daran gewöhnt. Aber mit ſolchem Schlitten iſt es 'was anderes; die ver¬ ſinken im Schloon, und Sie werden wohl oder übel einen Umweg machen müſſen.“ „Verſinken! Ich bitte Sie, mein gnädigſtes Fräulein, ich ſehe noch immer nicht klar. Iſt denn der Schloon ein Abgrund oder irgend 'was, drin man mit Mann und Maus zu Grunde gehen muß? Ich kann mir ſo 'was hier zu Lande gar nicht denken.“ „Und doch iſt es ſo 'was, nur freilich im kleinen; 18 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/284
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/284>, abgerufen am 22.11.2024.