Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Effi Briest
trat in sein Zimmer und bat Effi, während er sich
aufs Sofa niederließ, neben ihm Platz zu nehmen.
"Es war so hübsch in Berlin, über Erwarten; aber
in all' meiner Freude habe ich mich immer zurück¬
gesehnt. Und wie gut Du aussiehst! Ein bißchen blaß
und auch ein bißchen verändert, aber es kleidet Dich."

Effi wurde rot.

"Und nun wirst Du auch noch rot. Aber es
ist, wie ich Dir sage. Du hattest so 'was von einem
verwöhnten Kind, mit einemmal siehst Du aus wie
eine Frau."

"Das hör' ich gern, Geert, aber ich glaube,
Du sagst es nur so."

"Nein, nein, Du kannst es Dir gut schreiben,
wenn es etwas Gutes ist ..."

"Ich dächte doch."

"Und nun rate, von wem ich Dir Grüße bringe."

"Das ist nicht schwer, Geert. Außerdem, wir
Frauen, zu denen ich mich, seitdem Du wieder da
bist, ja rechnen darf (und sie reichte ihm die Hand
und lachte), wir Frauen wir raten leicht. Wir sind
nicht so schwerfällig wie Ihr."

"Nun von wem?"

"Nun natürlich von Vetter Briest. Er ist ja
der Einzige, den ich in Berlin kenne, die Tanten
abgerechnet, die Du nicht aufgesucht haben wirst und

Effi Brieſt
trat in ſein Zimmer und bat Effi, während er ſich
aufs Sofa niederließ, neben ihm Platz zu nehmen.
„Es war ſo hübſch in Berlin, über Erwarten; aber
in all' meiner Freude habe ich mich immer zurück¬
geſehnt. Und wie gut Du ausſiehſt! Ein bißchen blaß
und auch ein bißchen verändert, aber es kleidet Dich.“

Effi wurde rot.

„Und nun wirſt Du auch noch rot. Aber es
iſt, wie ich Dir ſage. Du hatteſt ſo 'was von einem
verwöhnten Kind, mit einemmal ſiehſt Du aus wie
eine Frau.“

„Das hör' ich gern, Geert, aber ich glaube,
Du ſagſt es nur ſo.“

„Nein, nein, Du kannſt es Dir gut ſchreiben,
wenn es etwas Gutes iſt …“

„Ich dächte doch.“

„Und nun rate, von wem ich Dir Grüße bringe.“

„Das iſt nicht ſchwer, Geert. Außerdem, wir
Frauen, zu denen ich mich, ſeitdem Du wieder da
biſt, ja rechnen darf (und ſie reichte ihm die Hand
und lachte), wir Frauen wir raten leicht. Wir ſind
nicht ſo ſchwerfällig wie Ihr.“

„Nun von wem?“

„Nun natürlich von Vetter Brieſt. Er iſt ja
der Einzige, den ich in Berlin kenne, die Tanten
abgerechnet, die Du nicht aufgeſucht haben wirſt und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0321" n="312"/><fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw>trat in &#x017F;ein Zimmer und bat Effi, während er &#x017F;ich<lb/>
aufs Sofa niederließ, neben ihm Platz zu nehmen.<lb/>
&#x201E;Es war &#x017F;o hüb&#x017F;ch in Berlin, über Erwarten; aber<lb/>
in all' meiner Freude habe ich mich immer zurück¬<lb/>
ge&#x017F;ehnt. Und wie gut Du aus&#x017F;ieh&#x017F;t! Ein bißchen blaß<lb/>
und auch ein bißchen verändert, aber es kleidet Dich.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Effi wurde rot.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und nun wir&#x017F;t Du auch noch rot. Aber es<lb/>
i&#x017F;t, wie ich Dir &#x017F;age. Du hatte&#x017F;t &#x017F;o 'was von einem<lb/>
verwöhnten Kind, mit einemmal &#x017F;ieh&#x017F;t Du aus wie<lb/>
eine Frau.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das hör' ich gern, Geert, aber ich glaube,<lb/>
Du &#x017F;ag&#x017F;t es nur &#x017F;o.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein, nein, Du kann&#x017F;t es Dir gut &#x017F;chreiben,<lb/>
wenn es etwas Gutes i&#x017F;t &#x2026;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich dächte doch.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und nun rate, von wem ich Dir Grüße bringe.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das i&#x017F;t nicht &#x017F;chwer, Geert. Außerdem, wir<lb/>
Frauen, zu denen ich mich, &#x017F;eitdem Du wieder da<lb/>
bi&#x017F;t, ja rechnen darf (und &#x017F;ie reichte ihm die Hand<lb/>
und lachte), wir Frauen wir raten leicht. Wir &#x017F;ind<lb/>
nicht &#x017F;o &#x017F;chwerfällig wie Ihr.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun von wem?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun natürlich von Vetter Brie&#x017F;t. Er i&#x017F;t ja<lb/>
der Einzige, den ich in Berlin kenne, die Tanten<lb/>
abgerechnet, die Du nicht aufge&#x017F;ucht haben wir&#x017F;t und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[312/0321] Effi Brieſt trat in ſein Zimmer und bat Effi, während er ſich aufs Sofa niederließ, neben ihm Platz zu nehmen. „Es war ſo hübſch in Berlin, über Erwarten; aber in all' meiner Freude habe ich mich immer zurück¬ geſehnt. Und wie gut Du ausſiehſt! Ein bißchen blaß und auch ein bißchen verändert, aber es kleidet Dich.“ Effi wurde rot. „Und nun wirſt Du auch noch rot. Aber es iſt, wie ich Dir ſage. Du hatteſt ſo 'was von einem verwöhnten Kind, mit einemmal ſiehſt Du aus wie eine Frau.“ „Das hör' ich gern, Geert, aber ich glaube, Du ſagſt es nur ſo.“ „Nein, nein, Du kannſt es Dir gut ſchreiben, wenn es etwas Gutes iſt …“ „Ich dächte doch.“ „Und nun rate, von wem ich Dir Grüße bringe.“ „Das iſt nicht ſchwer, Geert. Außerdem, wir Frauen, zu denen ich mich, ſeitdem Du wieder da biſt, ja rechnen darf (und ſie reichte ihm die Hand und lachte), wir Frauen wir raten leicht. Wir ſind nicht ſo ſchwerfällig wie Ihr.“ „Nun von wem?“ „Nun natürlich von Vetter Brieſt. Er iſt ja der Einzige, den ich in Berlin kenne, die Tanten abgerechnet, die Du nicht aufgeſucht haben wirſt und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/321
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/321>, abgerufen am 10.06.2024.